Sieg des Marketing - LED soll länger leben als Menschen
Wie man Leute, die sehr kreativ sind und dazu noch sehr rational denken, in die Irre führen kann, kann man im Berliner Tagesspiegel von heute lesen. Einer der kreativsten Köpfe bekannt für spektakuläre Lichtinstallationen, Olafur Eliasson, kommentiert die Frage nach seiner (eigentlich von Ingo Maurer) Sehnsucht nach der Glühlampe so:
Ja, so isses. Die Branche hat es mit der "5". 500 lux ist der Lichtteppich, den man herbeigebetet hat. 50.000 sind die Stunden, die eine LED angeblich hält. Jetzt haben wir die 50 Jahre. Da der Künstler gerade 48 Jahre ist, wird er 98 sein, wenn er seine Aussage prüfen kann. Falls er schon nächstes Jahr feststellt, dass viele seiner LEDs verschieden sind, wird ihm ein Fachmann fachmännisch erklären, dass LEDs ein Problem mit der Thermik haben.
Aber, wie sind die Leute zu den 50.000 Stunden Lebensdauer gekommen? Ich denke genauso wie sie die 10.000 Stunden für die angebliche Energiesparlampe (Kompaktleuchtstofflampe mit 10% Mehrverbrauch gegenüber der stabförmigen Lampe) ermittelt haben. Es bleibt ein Geheimnis der Hersteller. Diese haben ziemlich beliebige Mittel, um Zahlen zu manipulieren. Eigentlich ist das Manipulieren das falsche Wort, denn man muss sich auf eine Methode einigen und auf bestimmte Größen als relevant. So hat man einst beschlossen, die Helligkeitswirkung des künstlichen Lichts zum Maßstab zu machen (lumen). Man könnte das Manipulation nennen. Ist aber nicht, wenn man die Entscheidung publik macht. Allerdings hat sich das Publikum einen Dreck drum geschert, was für eine Größe die Lichttechnik zum Maßstab gemacht hat. Später hat man für die Lebensdauer von Lampen, die nicht sofort sterben, wenn was schief geht, eine Methode festgelegt, mit der man die Lebensdauer bestimmt. Denn es macht keinen Sinn, eine Lampe zu betreiben, aus der kaum noch Licht kommt. So hat man gesagt, die Lebensdauer einer Lampe sei zu Ende, wenn ihr Lichtstrom nur noch 70% beträgt. Man könnte auch 65% oder 75% festlegen können. Aber auch die wären "manipuliert" - so ist es mit Konventionen.
Die Manipulation hat aber begonnen, als man die in den Lehrbüchern angegebene Methode heimlich geändert hat, so dass auch erfahrene Lichtplaner davon keinen Wind bekommen hatten. Zudem haben die beiden großen Hersteller in Deutschland unterschiedliche Formeln angewandt, ihr Verband eine dritte. Gott weiß, was ich kaufe, wenn ich bei einem Amerikaner eine Lampe kaufe? Genau das ist die Frage: Man hat Lumen zum Maßstab bei der Lichterzeugung gemacht, damit der weltweite Handel mit lichttechnischen Produkten funktionieren kann. Ist die Lebensdauer einer Lampe an ihre "Lumen" gebunden, und diese wird nach geheimen Rezepten berechnet, ist der Tatbestand der Manipulation perfekt.
Wie nennt man Leute, die den Ast absägen, auf dem sie sitzen? Mir fällt nur doof ein, darf aber nicht sein. Das ist kein wissenschaftlicher Ausdruck. Dieser Ast ist ja nicht in der Prärie von selbst gewachsen, sondern mit Bedacht erzeugt worden.
Nun ja, vielleicht haben die, die so handeln eh keine Zukunft.
Little Sun – LED leuchtet für Afrika
Little Sun wird seit 2012 von der gleichnamigen Initiative von Olafur Eliasson an Afrikaner verkauft (auch an Berliner im KaDeWe). Sie besteht aus einer LED in Form einer Plastiksonne und einer Wiederaufladeeinrichtung mit Solarzellen. Faszinierend die Begründung für die Lampe: Auch ein sparsamer Afrikaner verbraucht in der Lebensdauer des Akkus - 900 Mal aufladen bzw. 3 Jahre - etwa eine Tonne Kerosin, weil auch in Afrika die Sonne nur bei Tage da ist. Eliasson war fasziniert von ihrem schnellen Untergang - etwa 10 Minuten meint er. Etwas länger dauert es schon, aber nichts gegen die Dämmerung in seiner Heimat oder auf Island. Da kann die Dämmerung auch mal zwei Monate dauern.
Die Sache ist fast so genial wie die Beleuchtung mit PET-Flaschen, die Alternative, wenn die Sonne da ist, aber die Hütten dicht an dicht zusammen stehen. Licht für Bidonville. Die Alternative besteht aus einem Loch in der Decke und einer mit Wasser gefüllten PET-Flasche. Anstatt die Müllhaufen zu vergrößern, macht die Flasche die Hütte gemütlich. Da ist noch etwas: PET lässt, anders als Glas, UV durch. So kann man mit solchen Flaschen kontaminiertes Wasser entkeimen. Nicht nur beinah genial. Denn man kann zwar ohne Licht in der Hütte auskommen, ohne Wasser nur wenige Tage. Und in Afrika fehlt sauberes Wasser.
Wer noch etwas Gutes tun will für Afrika - und für alle Stellen der Erde mit unsicherer Stromversorgung, kann sich bei der Entwicklung eines Aufladegeräts für Afrika für Handies beteiligen: www.littlesun.com/kickstarter. Bis heute haben 1.543 Leute €175.250 gespendet! (Wer sich über einfache, aber wirksame Anwendungen von LED im Sinne bedrängter Menschen freut, möge sich auch pipilight alias Pee Power ansehen)
KAN das sein?
Soeben erreichte mich die Nachricht
KAN-Positionspapier zum Thema künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung in der Normung verabschiedet
Da KAN (= Kommission Arbeitsschutz und Normung) mit den Stimmen der Sozialpartner die Meinung über Sachverhalte sagen darf, die genormt werden sollen, hat deren Wort Gewicht, vor allem, wenn es um Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit geht. Da die Beleuchtung von Arbeitsstätten schon immer die Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern berühren soll, so etwa seit 1935, fällt das Thema eindeutig in deren Ressort. Die Festellung ist recht schlicht gefasst:
Normung im Bereich „Anforderungen oder Empfehlungen für die Planung und den Betrieb künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung an Arbeitsplätzen“ ist allerdings aus Sicht der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) aktuell nicht sinnvoll.
Anschließend werden die Gründe für diese Feststellung genannt:
- bestehen keine ausreichend gesicherten Erkenntnisse im Bereich künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung, um Anforderungen an die Planung festlegen zu können;
- müssen Störungen des circadianen Rhythmus des Menschen durch künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung vermieden werden;
- sind im Bereich künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung im Wesentlichen Belange des betrieblichen Arbeitsschutzes betroffen.
KAN meint auch: Das Licht hat für den Menschen zwei Funktionen. Einerseits ermöglicht Licht das Sehen. Auf der anderen Seite hat es nicht-visuelle Wirkungen auf den Menschen. Diese biologische Wirkung erzielt Tageslicht, kann aber ebenso durch spezielle künstliche Beleuchtung erreicht werden. Künstliche Beleuchtung kann dabei dem Tageslicht ähneln, es aber in seiner Gesamtheit nicht ersetzen. Die künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung wird mit dem Ziel eingesetzt, eine biologische Wirkung über das Sehen hinaus im Menschen hervorzurufen.
Das vollständige Positionspapier kann man hier herunterladen (KAN-Position_kuenstliche_biologisch_wirksame_Beleuchtung_2015). Dort steht übrigens nicht nur, dass die KAN eine solche Normung nicht für sinnvoll erachtet, sondern nicht zulässig (mehr dazu hier):
Leider, leider hat die Sache einen Haken: Auch die heute installierte Beleuchtung ist biologisch wirksam. Leider nicht immer zum Wohle des Menschen. Was machen wir damit? Merkeln? Wäre zu einfach. Das Problem ist, dass biologisch wirksames Licht individuell wirkt und individuell unterschiedlich. In der Arbeitswelt gehören individuell beeinflussbare Umgebungen eher zu Raritäten, und auch im Privatbereich sind wir nicht immer frei zu tun und lassen, was und wie wir es wollen.
Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe einzuschrauben?
Die Titelfrage dieses Beitrags "Wie rum dreht sich das Universum?" ergab sich aus der Frage "Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe einzuschrauben?" Und auf die brachte mich ein bekannter Lichttechniker, der jüngst eine Norm entwerfen wollte. Wie soll man künftig Arbeitsstätten einrichten? Das ist seine wichtigste Antwort: "Die grundlegenden Anforderungen an die Beleuchtung bilden die Basis für die Anordnung der Arbeitsplätze im Raum." Super, was? Wenn man eine Arbeitsstätte einrichtet, guckt man zuerst in die Liste der Anforderungen an die Beleuchtung. Danach kommen so unwichtige Dinge wie Arbeit, Tätigkeit, Arbeitsmittel, Maschinen, Kollegen, Kommunikation, Arbeitsablauf u.ä.
Dem, der das geschrieben hat, hat die Vergangenheit der Lichttechnik die Feder geführt. Schon immer wollte sie vorgegeben haben, wie die Arbeitsmittel auszusehen haben (immer matt, egal ob es Sinn macht oder nicht), wie die Tische aufgestellt werden (brav zwischen den Leuchtenreihen), wie die Reflexionsgrade im Raum aussehen (mittel bis grau) … Ihre Normen waren anno 1935 Grundnormen, d.h. man brauchte die mit keinem anderen Bereich abzustimmen. Nicht einmal mit dem Bauwesen und der Architektur! Und das war auch anno 1985 so.
Und jetzt zur Auflösung der Fragen in der richtigen Reihenfolge: Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe … Antwort: Exakt einen. Er hält die Lampe fest und wartet, bis sich das Universum etwa drei Mal um ihn herum dreht.
Und wie rum dreht sich das Universum? Das hängt davon ab, ob der Lichttechniker die Lampe ein- oder ausdrehen will.
Wer dies für übertrieben hält, möge sich die Palette an Normen kaufen, die seit 1935 (DIN 5035) veröffentlicht wurden, und sorgfältig lesen. Um Kritiken vorzubeugen: Ganz so unrealistisch waren die nicht. Aber fast …
Hier weitere Anmerkungen zum Drehen einer Lampe. Es gibt noch andere Disziplinen, in denen es lustig zugeht:
Wie viele Microsoft Programmierer braucht man, um eine Lampe zu ersetzen?
Keinen. Bill Gates wird Dunkelheit zum neuen Industriestandard® erklären.
Wie viele Microsoft Vizepräsidenten braucht man, um eine Lampe zu ersetzen?
Acht. Einer schraubt die Lampe raus und die neue rein, sieben sehen zu, dass Microsoft für jede ersetzte Lampe auf der Welt 2$ einzieht.
Relativitätstheorie der besonderen Art
Alles ist relativ, hatte ich in der Schule gelernt. Später lernte ich, dass auch Blendung relativ ist. So, wenn man in eine Umgebung blickt, in der sich zu helle Flächen und zu dunkle zueinander gefunden haben. Ob die zu hellen eher moderat hell sind, bzw. die zu dunklen woanders als blendend angesehen werden, hängt von den jeweils den anderen ab. Das Auge kann einen immensen Bereich an Helligkeiten abdecken, leider nicht gleichzeitig.
Dann gibt es aber Helligkeiten, die nicht relativ sind, sondern absolut, egal durch welches Auge gesehen und wann. Ihre Wirkung nennt sich Absolutblendung. So wird niemand freiwillig in die Mittagssonne im Sommer gucken können bzw. wollen. Die ist einfach zu hell. Früher waren Autoscheinwerfer relativ blendend, sie blendeten nur nachts, und draußen mehr als auf der Kö oder auf dem Kudamm. Jetzt blenden sogar Kinderfahrräder am helllichten Tag (s. da)
Als ich vor wenigen Tagen in die Toskana reisen durfte, habe ich den Zug gewählt, der sich durch die liebliche Landschaft schlängeln würde. Mitte August ist es zudem angenehmer, die Landschaft an sich vorbei ziehen zu lassen als ständig in die gleißenden Autoschlangen gucken. Und dann das: Trenitalia hat das Design seiner Züge neu überlegt. Die alten Leuchtstofflampen sind weg. Sie nahmen den Weg, den die Glühlampen genommen haben - in die Vergessenheit. Jetzt dominiert die LED - absolut! Wenn im Hochsommer mittags ein Zugabteil so aussieht wie hier, hat irgendwer seinen Beruf verfehlt. Draußen sind die sprichwörtlichen 100.000 Lux, drinnen Dunkelheit, relativ sozusagen.
Eindrucksvoller kann man nicht beweisen, dass man mit viel Licht Dunkelheit schafft. Möchte jemand diesen Zug betreten, wenn es draußen dunkel ist?


