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Wozu um Gottes Willen beleuchtet man ein Büro?

Eigentlich eine dumme Frage! Es weiß doch jeder warum man ein Büro beleuchtet. Oder? Sagen wir mal, jeder glaubt zu wissen, wozu man Laternen an den Himmel hängt. Wenn man sich aber anschaut, was Experten von sich geben, kommen einem doch leise - besser gesagt, sehr laute - Zweifel. So z.B. wenn man dem Rat von DGUV-Experten folgend feststellen will, wie gut die Beleuchtung ist. Das Bild stammt aus der DGUV-I 215-442.

Offenbar haben die DGUV-Experten bessere Einsichten als die LASI-Fachleute (LÄNDERAUSSCHUSS FÜR ARBEITSSCHUTZ UND SICHERHEITSTECHNIK), die "Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für die Beleuchtung von Arbeitsstätten" (LV 41) erlassen haben. Von denen stammt das Bild rechts. Es besagt, man müsse die Stelle beleuchten, wo einer hinguckt, um genau zu lesen (Bereich 1). Da eine solche Beleuchtung in einer dunklen Umgebung wenig Sinn macht, hellt man die Umgebung auf (Bereich 2). Schließlich braucht man Licht, um sich zu bewegen (Bereich 3). Ich denke, diese Vorstellung muss gar nicht erst anderen Menschen erklärt werden.

Wo guckt der Mensch hin, der an diesem Tisch sitzt? Auf den Bildschirm. Warum misst man die Beleuchtung aber rechts und links davon? Keine Ahnung. Eigentlich muss dort überhaupt keine Beleuchtung sein. Den Bildschirm sieht man auch so. Die Beleuchtung kann die Sicht bestenfalls nicht stören. Meistens stört die. Was ist die Bedeutung der Messpunkte hinter dem Bildschirm?(1) Ich denke, die sieht man überhaupt nicht, weil der Bildschirm davor steht.

Welche Bedeutung haben die Messpunkte rechts und links vom Stuhl? (➁) Sinn machen tun sie nicht. Erst recht muss man sich ernsthaft fragen, welchen Beitrag die Messpunkte hinter dem Stuhl leisten mögen (➂). Bei den Punkten an beiden Enden des Tisches (➃) weiß ich hingegen Bescheid. Die Experten der DGUV meinten bei einer Diskussion, dort könnte ein Aktendeckel stehen, dessen Beschriftung man lesen müssen könnte. Deswegen hat der Zeichner so ein rotes Ding dahin gezaubert. Allerdings hat er die Maus übersehen, ohne die man keinen Computer bedienen kann. Es sei denn, man ist Experte, Computerexperte mit Kenntnissen in Algol und Cobol. So neumodisches Zeug halt.

Ohne Zweifel ist hier das Zimmer eines mittleren Managers in gehobener Position abgebildet. Er besitzt einen Schreibtisch mit 2 m Breite und einen Besprechungstisch, so für Zwischendurch. Die roten Kreuze zeigen die Messpunkte, an denen man die Beleuchtung messen soll. Am Ende wird ein Mittelwert gebildet, der nie unter 500 lx fallen darf. Und eine Gleichmäßigkeit, die sich an dem Punkt mit dem geringsten Wert richtet.

Die staatlichen Stellen, die Gewerbeaufsicht, dachte einst sehr einfach. Sie maß vor dem Mitarbeiter in der Mitte. Welchen Mehrwert hat nun der Rat der DGUV?

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Bevor ich vergesse: Da die horizontal gemessene Beleuchtungsstärke nicht (mehr) das Maß aller Dinge ist, müsste man an allen Punkten nocht die zylindrische Beleuchtungsstärke messen. Was ist davon halte? Hier ist es dargestellt.

Ob die Experten an die wunderbare Mehrung von Lux-Zahlen gedacht haben, als sie dieses Bild zeichneten? Die kommt dadurch zustande, indem die äußeren Punkte mehr als die doppelte Beleuchtungsstärke als dort aufweisen, wo einer hinguckt. Das rechte Bild hat ein anderes DGUV-Experte gezeichnet. Wunderschön ästhetisch. Leider sieht die Sache regelrecht vermessen so aus:

Wer die hier dargestellten Sachverhalte für abwegig hält, hat völlig recht. Dummerweise zeigen sie den "Stand der Technik". Dass es besser geht, hatten wir schon vor 40 Jahren theoretisch, danach auch praktisch vorgeführt. Aber gestrige Weisheiten sterben nicht aus. Man baut mit LEDs Leuchten wie anno tobak und hängt sie rechts und links von Arbeitstischen auf. Zwar muss keine dieser Leuchten tiefstrahlend sein. Viele sind es dennoch. Vielleicht hilft es, wenn man vor die Augen führt, dass sich gesundes Licht anders verteilt. Es sieht auch nicht mehr so traurig aus, dass sich Leute das ewige Homeoffice wünschen, auch wenn es ihnen gehörig auf den Keks geht..

Die Kurve zeigt den Verlauf der Beleuchtungsstärke auf einem Arbeitstisch für den Idealfall, dass es einem gelingt, ihn exakt zwischen zwei Leuchten zu platzieren. Die hohen Werte werden an beiden Tischenden erreicht. Der dunkelste Punkt befindet sich direkt vor dem Benutzer. So wie in dem oberen Bild, das aus einer DGUV-Broschüre stammt. Das ist seit etwa 1978 so, seit man der famosen Idee verfiel, Reflexionen auf dem Bildschirm mit Hilfe der Lichtverteilung von Leuchten zu bekämpfen. Verboten ist es nicht. Das Ergebnis hingegen schon.

Wie sieht das Ganze eigentlich aus, wenn die exakte Platzierung des Tisches raumbedingt nicht gelingt. Das zeigt das Bild unten. Sieht nicht schön aus, ergibt aber im Mittel 500 lx.

Wie man eine Notlösung zum Maßstab macht
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Dieser Tage fiel mir die Diss aus 2001 in die Hände. Das war die Hochzeit der Tageslichtprojekte, weil die EU damals das Füllhorn der Forschung über die Lichttechnik und Architektur geöffnet hatte. Beim besagten Projekt ging es um die tageslichtabhängige Lichtsteuerung, von der man wahre Wunder erwartete. Dass sie nicht eingetreten sind, liegt nicht an dieser Diss, aber auch an dieser. Die wahre Ursache ist, dass man die Festlegungen für die künstliche Beleuchtung als Maßstab für die Tageslichtbeleuchtung gemacht hatte. Kann doch nicht falsch sein, wenn man die Tageslichtbeleuchtung an die künstliche anpasst? Stimmt. Es ist genauso richtig als wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt. Was das bedeutet, macht ein Bild aus der Diss besonders deutlich.

Hier sehen wir die Lichtkegel zweier Leuchten, die an der Decke hängen, wie alle Leuchten. Fast alle. Die rote Linie soll nicht unterschritten werden. Denn sie ist die "Soll"Beleuchtungsstärke. Die punktierte Linie zeigt den Verlauf der Beleuchtungsstärke des Tageslichts an, wie ihn jeder kennt. Das einzig Dumme ist, dass die nicht stimmt. Das hängt mit dem Cosinus-Gesetz zusammen, wonach man Beleuchtungsstärken berechnet oder auch misst. Betrachtet man nur die Energie, die an einem Punkt ankommt, ist das Gesetz auch richtig. Deswegen ist es auf dem Äquator wärmer als nördlich des Polarkreises.

Die rote Linie zeigt die Horizontalbeleuchtungsstärke, die gemäß einer Norm für eine bestimmte Arbeit vorgegeben ist. Niemand hat aber je behauptet, dass sie über den gesamten Raum gleich bleiben muss. Für das Sehen ist sie ggf. relevant, wenn das Sehobjekt flach auf dem Tisch liegt und matt ist. Da man die Beleuchtungsstärke in Ebenen misst, fällt sie mit dem Cosinus des Einfallwinkels ab. Daher scheint das Tageslicht, das seitlich einfällt, immer kleiner als es der Wirkung entspricht. Dreidimensionale Objekte wie Gesichter erscheinen nicht dunkler, wenn das Licht nicht von oben fällt, sondern schräg. Die werden sogar besser modelliert. Bei einem Ball, der unter verschiedenen Winkeln beleuchtet wird, wandert der hellste Fleck, aber die erzeugte Leuchtdichte nimmt nicht mit dem Cosinus des Einfallswinkels ab.

Wer mit Beleuchtungsstärken rechnet, sieht in realen Anwendungen eh sehr lustig aus wie dieser Experte bei einer Telekonferenz. (Der ist übrigens Experte für Beleuchtung.) Zudem ist die gesamte Lichttechnik auf dem Trip nach Vertikalbeleuchtungsstärke, woran man die gesundheitliche Wirkung misst. Wenn man nicht die Gesundheit, sondern die schlichte Aufgabe nimmt, dass die Gesichter ordentlich beleuchtet werden - nennt sich visuelle Kommunikation - , hat die eingezeichnete Kurve eh keine Bedeutung.

So wird aus einer Sonderlösung (Leuchten an der Decke, Lichteinfall von oben), die man für große Räume auch noch über den ganzen Raum gleich machen muss, damit alle Arbeitsplätze etwa gleich beleuchtet sind, die maßgebliche. Welchen Maßstab man dazu anlegt (z.B. 500 lx) bestimmen Industrievertreter, die niemandem verraten, wie sie dazu kommen. Einer, dem man das Geheimnis doch offenbaren muss, weil er Chefredakteur einer der wichtigsten lichttechnischen Publikation war (Lighting Research and Technology), hat es treffend beschrieben (hier). Übersetzt heißt der Titel "Von der Festlegung von Beleuchtungsstärken auf der Basis der Sehleistung und andere Märchen".

Er führt aus, dass man 1993 für die Lesbarkeit von kleiner Schrift eine Beleuchtungsstärke von maximal 100 lx hätte festlegen dürfen. Allerdings war er, Prof. Peter Boyce, damit fast ein Vierteljahrhundert zu spät. Ein anderer Professor für Lichttechnik, Bodmann, hatte schon zu Beginn der 1960er Jahre experimentell festgestellt, dass schon 50 lx zum Lesen ausreichen würden. Warum er nicht dabei geblieben ist? Das versteht man, wenn man versucht mit handelsüblichen Leuchtstofflampen einen Großraum mit 50 lx zu beleuchten. Freiwillig wird keiner dort sitzen wollen. Falls einer es doch wollte, wird er nicht sehr lange arbeiten können. Dann übermannt ihn der Schlaf (die gendergerechte Ausdrucksweise für übermannen kann ich im Augenblick nicht finden.)

Heute hätten wir schon die Möglichkeit, mit LEDs 50 lx in einem großen Saal und sehr gleichmäßig zu erzielen. Der Versuch lohnt sich … nicht!

Büroschlaf ist gesund

Warum Menschen Schlafstörungen erleiden

Das Problem beschäftigt mich seit 1976, als mir Leute berichteten, dass sie nach der Spätschicht schlecht schliefen (hier). Nun kann man mit ziemlicher Genauigkeit sagen, wer wie davon betroffen sein wird. Das kann man aus einem Papier sehen, das führende Chronobiologen gerade veröffentlichen. Dazu hatte ich bereits mehrfach berichtet (z.B. hier).

Der Schlüssel zu der Erscheinung ist dieses Bild, das Prof. Kevin Hauser, der Chefeditor der amerikanischen Journals LEUKOS, gezeichnet hat. Dieses Journal ist nicht eines von vielen, sondern das Organ der IES und IES ist die mächtigste der lichttechnischen Gesellschaften.

Das Bild illustriert, was die Chronobiologen sagen. Während des Tages (hier 6:00 bis 19:00) bekommt der Mensch zu wenig Licht. Ab 19:00 sieht er zu viel Licht. Wenn es danach geht, was die jüngste lichttechnische Norm zur Beleuchtung von Arbeitsstätten geht, kann es sogar verdoppelt werden. Für Beleuchtungsnormen gibt es keinen Tag und keine Nacht. Und mehr Licht immer besser. Deswegen wird nur ein Mindestwert vorgeschrieben. Gesund ist ein Niveau von maximal 4% der Tagesbeleuchtung in den Abendstunden. Und ein Zehntel davon, wenn man schläft.

Was tun die vielen modernen Geräte, iPhones, Tabletts, Monitore etc., in den Abendstunden? Sie strahlen munter Licht ab, das den Schlafhormon besser stört als jede Lampe. Und zwar mindestens 7 Mal so viel, wie das gesunde Maximum. Und anders als Lampen, denen man den Garaus machen (abschalten) kann, wenn man sie nicht haben will, oder aus dem Blickfeld verbannen, stehen diese Strahler stets im Zentrum des Gesichtsfelds.

Wenn ein Mensch nicht natürlich lebt (wer lebt denn schon natürlich?), ist er dreifach Umständen ausgesetzt, die bei ihm Schlafstörungen verursachen können:

  • Zu wenig Licht am Morgen - Melatonin wird schlecht abgebaut, wenn es verschwinden soll
  • Zu viel Licht am Abend - Melatonin wird nicht oder zu spät aufgebaut, wenn der Körper es braucht
  • Ständig eine circadiane Wirkung durch Bildschirme, nützlich morgens, schädlich abends

Wenn die Folgen davon "nur" Schlafstörungen wären, wären wir noch gut bedient. Den falsches Licht zur falschen Zeit steht im Verdacht, Krebs zu fördern. Das Thema stand übrigens noch vor 1976 auf der Agenda. Dazu ein andermal.

Das Kreuz mit der Gleichmäßigkeit?

 

Eigentlich muss man beim Begriff Gleichmäßigkeit nicht allzu viele Worte verlieren, wenn einer sie verstehen soll, der keine Ahnung davon hat. Gleichmäßig ist eben gleichmäßig. Und niemand wird behaupten, das Bild hier sei gleichmäßig beleuchtet. Man wird schon verstehen, warum es in diesem Fall nicht gleichmäßiger geworden ist. Man müsste die Strahler auf die andere Seite hängen. Dann würden die Dinger aber blenden.

Wann ist bei einer ordentlichen Beleuchtung "gleichmäßig"? Das Maß dafür ist nicht überraschenderweise die Gleichmäßigkeit. Und die ist in EN 12665 so definiert: Die Gleichmäßigkeit U0 ist der Quotient Ēmin/Ē aus der minimalen und der mittleren Beleuchtungsstärke im Bereich der Sehaufgabe. Wenn unsere Sehaufgabe das Bild ist, darf die minimale Beleuchtungsstärke darauf nicht sehr weit von der mittleren liegen. Wie weit, das legt die Beleuchtungsnorm fest. Für die meisten Arbeitsbereiche beträgt U0 = 0,6, weil man das halt nicht besser hinkriegt.

Wie groß muss die Gleichmäßigkeit aber "für die visuelle Kommunikation und Erkennung von Objekten" sein? Ich traue mich nicht zu schreiben: Uo≥ 0,10! Das sieht dann etwa so aus wie links. Wie man sieht, erkennt man alles. Fast … (hier lesen Sie, warum man sich von dem Begriff verabschieden sollte.)

Wozu macht man überhaupt solche Vorgaben? Die gibt es übrigens nicht nur in der Lichttechnik. Man kann sie bei vielen Techniken finden, deren Normen nicht etwa dazu dienen sollen, einen idealen Zustand festzuschreiben, sondern so gefasst sind, dass der jeweilige Hersteller nicht gefasst werden kann. Z.B. in der Klimatechnik. Dort wünscht sich jeder einen zugfreien Raum. Was zugfrei ist, bestimmt eine Norm der Hersteller. In der stand vor Jahrzehnten, die maximale Luftgeschwindigkeit soll 0,10 m/s nicht überschreiten. Als wir feststellten, dass dieser Wert zu hoch gegriffen ist, änderte man den Wert. Der beträgt seitdem 0,15 m/s. 50% mehr als unerträglich.

Damit fahren die deutschen Menschen allerdings noch sehr gut. Denn als ich in eine internationale Norm die 0,10 m/s festschreiben wollte, kam aus den USA dieser Einspruch: "Dieser Wert ist sehr niedrig. Menschen finden auch 1 m/s angenehm. Allerdings gilt bei uns 0,5 m/s, um zu verhindern, dass das Papier von den Tischen fliegt." Ich nehme an, dass mit dem papierlosen Büro auch der schnellere Luftzug in Büros Einzug gehalten hat.

Um solche Dinge zu verhindern, versucht man bei der Normung die Gremien so zusammenzustellen, dass sie die interessierten Kreise möglichst gut abbilden. Wenn allerdings bestimmte Kreise kein Interesse zeigen, kann man eben nichts machen. Wer seine Interessen nicht vertritt, muss zusehen, was die anderen mit seinen Interessen machen. Beim Klima im Büro sagt uns der Wirtschaftsverband, was Sache ist. Bei Licht gehören 67% zur "Wirtschaft".

Minimale melanopische Beleuchtungsstärke für Jedermann

Demnächst erscheint ein Artikel, der es in sich hat. Die Autoren gehören zur Weltspitze der Chronobiologie. Sie verlangen dreierlei:

  • mindestens 250 lx "melanopic EDI" am Auge vertikal in 1,2 m Höhe
  • maximal 10 lx "melanopic EDI" am Auge am Abend
  • maximal 10 lx "melanopic EDI" in der Nacht, wenn man unbedingt sehen muss, sonst 1 lx

Zuerst zu EDI. Die heißt so, weil man das Licht am Tageslicht messen will, auch wenn es künstlich daher kommt. EDI ist die Abkürzung von "equivalent daylight illuminance". Melanopisch wird EDI bezeichnet, weil man sie nicht nach der Augenempfindlichkeit für Licht messen will, sondern nach der Empfindlichkeit von Melanopsin. Das ist die Substanz in den melanopsinhaltigen Zellen der Retina. Und diese finden bläuliches Licht reizend.

Man will also mehr - und blaues - Licht am Morgen und weniger in der Nacht. Da will man ja in Ruhe schlafen. Was ist eigentlich, wenn man nicht schlafen darf, sondern arbeiten muss? Die Frage bitte vergessen … Denn man weiß seit Jahrzehnten, dass Schichtarbeit gesundheitsschädlich ist. Leider hat niemand eine schlaue Lösung des Problems gefunden. Man braucht auch nicht lange warten, dass eine gefunden wird. Es wird nicht. Dennoch macht es Sinn, sich Gedanken über Leute zu machen, die nachts nicht arbeiten müssen. Und mit denen, die arbeiten müssen, beschäftigt sich nicht mehr nur die Krebsforschung, sondern auch die Chronobiologie.

Als Begründung für ihr Vorgehen führen die Wissenschaftler an, dass die Einführung künstlicher Beleuchtung zu einem verringerten Lichteinfluss bei Tage geführt hat. Dafür erhält man nachts mehr Licht (…als nötig). Und man schläft viel kürzer. Und vor Allem, schlechter.

Mehr natürliches Licht tagsüber am Arbeitsplatz habe sowohl das Schlafverhalten als auch die mentale Leistungsfähigkeit der Menschen im Büro verbessert. Allerdings scheinen die Experten auf einem anderen Planeten geforscht zu haben. Denn an Büroarbeitsplätzen gibt es kein natürliches Tageslicht.

Wenn das jemand liest, der an einem schönen Fensterplatz sitzend arbeitet, wird sich über die Aussage wundern. Ich sehe es doch, das Tageslicht! Das stimmt. Bloß, dieses Licht, das er sieht, stammt von der Sonne, wird aber durch das Fenster auf ca. 1% vermindert und dazu noch durch das Fensterglas gefiltert. Allein wenn er aufsteht, sieht er ein anderes Licht, weil dann der von ihm gesehene Himmel kleiner wird und der untere Teil größer. Das natürliche Licht gibt es nur im Freien.

Dieses natürliche Licht ist aber nicht "Tageslicht". Denn die Definition der CIE vom Tageslicht besagt seit 1938, dass es "Anteil der Solarstrahlung, der eine Sehempfindung hervorruft" ist. Also: Egal, wo man sich befindet, im oder vor dem Gebäude, das Tageslicht ist ein anderes, als man denkt. Draußen enthält es UV und IR, in das Gebäude lässt das Glas nicht einmal alle Strahlung hinein, die zum Sehen dient. So kann man wissenschaftlich genau dafür sorgen, dass selbst alltägliche Dinge (Tageslicht) nicht verstanden werden.

Was sagen die Beleuchtungsnormen dazu? Nach Meinung der Autoren gilt: "This leaves us with an indoor light environment that is potentially suboptimal for supporting human health, performance and well-being." Auf Deutsch gesagt, das Licht reicht nicht, um die Bedürfnisse der Menschen bezüglich Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zu erfüllen. Das erinnert mich daran, dass ich böse angegriffen wurde, als ich behauptete, der Mensch im Büro lebe in der biologischen Dunkelheit. Wegen einer Veröffentlichung "Direktblendung widerspricht dem Arbeitsschutz" (hier) wollte uns die lichttechnische Industrie sogar verklagen. Jetzt haben wir es "amtlich" bestätigt bekommen.

Noch etwas, was jetzt "amtlich" bestätigt wurde, ist ein Verbot der Bildschirmarbeit in den Abendstunden und in der Nacht. Natürlich schreiben die Autoren das nicht so. Sie verlangen EDI < 10 lx abends, und in der Nacht soll es < 1 lx sein, wenn man schlafen will. Und sie schreiben auch : "For example, a significant source of evening light exposure is from visual displays, which in the absence of any other illumination, can provide melanopic EDI levels of >70 lx (above the typical level of exposure required to produce half-maximal subjective alerting, melatonin suppressing and circadian phase-shifting responses in laboratory studies …" Im Klartext: Bildschirme beeinflussen abends und nachts Ihre Körperrhythmen stark. Wie stark? Es sollen weniger als 10 lx (EDI) sein, es können aber mehr als 70 lx (EDI) betragen.

Jetzt verstehe ich, warum bei meinen ersten Studien zur Bildschirmarbeit die Probanden berichteten, sie könnten abends nach der Arbeit nicht sofort einschlafen und müssten deswegen erst einmal in die Kneipe. Und ich dachte, das käme davon, dass es Journalisten der DPA waren, die in der zweiten Schicht des Tages viel Aufregendes aus den USA berichten mussten. Das war vor 45 Jahren, und damals saßen nur DPA Journalisten in großer Zahl abends vor Bildschirmen, weil dort die Nachrichten aus den USA kamen, wo es Tag war. In Zeitungsredaktionen saß hingegen ab und an mal ein Redakteur bei gedimmter Beleuchtung vor einem Glas Rotwein und redigierte gemächlich etwas. 24/7 Fernsehen war noch nicht erfunden. Schon gar nicht MoMa (Morgenmagazin) ab 05:30 Uhr und Nachtmagazin um 00:00 Uhr. Bei einigem Optimieren kann man denselben Moderator für beides einsetzen. NaMa endet um 01:00 Uhr, Moma-Vorbereitungen gibt es ab 04:00 Uhr. Die drei Stunden wird man schon irgendwie sinnvoll um die Ohren schlagen können. Teleshopping moderieren, z.B. Da die Zuschauer genauso bedröppelt sind wie der Moderator, fällt die Sache nicht weiter auf.

Auch noch nicht erfunden waren Smartphones und Tabletts, die einen bis ins Bett verfolgen. Vermutlich kein Arbeitgeber der Welt würde es schaffen, jemanden dazu zu bringen, paar Stunden hintereinander konzentriert kleine Pünktchen auf dem Bildschirm zu jagen.

Büroschlaf ist gesund

Wer sich bei den Autoren für die tiefen Einsichten in die circadianen Rhythmen von ihm oder ihr bedanken will, kann hier den Artikel aufrufen und unkommentiert in voller Länge lesen.

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