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Farbqualität von LED-Beleuchtungssystemen

 

Farbe ist, was die meisten Menschen nicht verstehen. Qualität ist, was praktisch alle verstehen, aber die meisten falsch. Warum - erkläre ich weiter unten. Aber zur Meldung: Die LiTG veröffentlichte im März 2019 eine Broschüre mit dem obigen Titel, geschrieben von Tran Quoc Khanh, Peter Bodrogi, Trinh Quang Vinhn (ISBN 978-3-927787-62-9, 1. Auflage März 2019) von der TU Darmstadt. Die Autoren beschäftigen sich schon länger mit Farbe und Farbqualität und hatten bereits früher eine LiTG-Broschüre zum Thema Farbqualität allgemein geschrieben (Farbqualität: Definition und Anwendungen).

Für beide Broschüren gibt es eine Zusammenfassung, die kostenlos von der LiTG- Website heruntergeladen werden kann (hier und da). Wie immer bei komplexeren Abhandlungen kein Kommentar hier. Man muss die Broschüren selbst lesen. Auch wenn es schwer fällt. Denn, wie gesagt, Farbe ist, was Menschen kaum verstehen, obwohl fast alle Farbe sehen. Die männliche Hälfte korrekt leider zu ca. 92 %. Bei Frauen handelt es sich eher um ein Einzeldefekt, wenn ihr Farbsehsinn nicht korrekt funktioniert. Es wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass sie Farben auch anders sehen (hier).

Was ist denn Farbe, wenn sie von Frauen anders gesehen wird als von Männern. Ich kann doch Farben kaufen? Ja, man kann sie kaufen. Das ist aber nicht das, was man unter Farbe in der Farbenlehre versteht. Die Farbe, die man kauft, z.B. RAL 7000 für Rumpf und Aufbauten und RAL 7012 für Decks der Bundesmarine, und alles in seidenmatt, hat die Farbe, die man sieht, unter bestimmten Beleuchtungsbedingungen. Sonst nicht. Ein normaler Mensch wird diese beiden Farben nicht einmal so ansehen, weil sie eher benutzt werden, um nicht gesehen zu werden. Beides sind Tarnfarben! Und heißen Grau (RAL 7000 Fehgrau, RAL 7012 Basaltgrau). Die sind so gemacht, dass der Feind von unten oder oben möglichst wenig Schiff sieht.

Farben entstehen im Gehirn des Betrachters und dummerweise stets unter Zuhilfenahme der Umgebung. Wenn ein Flieger ein Schiff der Bundesmarine auf dem roten Teppich sieht, sieht es schlecht aus mit der Tarnfarbe. Wie sieht aber dennoch ein Mensch sein eigenes Auto immer in der gleichen Farbe, auch in der Nacht, wo bekanntlich alle Katzen grau sind? Das nennt sich Konstanz. Das Auge als Kamera sieht zwar fast grau, das Gehirn des stolzen Besitzers erinnert sich aber, was er gekauft hatte.

Als wenn das nicht schlimm genug wäre, gibt es auch noch das Problem mit der Helligkeit. Die ist - anders als häufig Glauben gemacht - keine physikalische Erscheinung, sie existiert vielmehr auch im Gehirn und wird ebenso von der Umgebung mitbestimmt.

Wenn man sich ein Bild von einem Objekt machen will, genügen Farbe und Helligkeit nicht. Als visuelle Größe kommt noch der Glanz dazu (s. oben: seidenmatt). Wenn sich einer gar ein Bild von einem Auto machen will, mischt auch die Form mit. Kurz zum Mitschreiben: Will ich einen Gegenstand richtig erkennen, wird mein Seheindruck von vier Eigenschaften bestimmt. Leider, leider, ist damit mein Seheindruck noch nicht komplett vorbestimmt, es kommt noch die Kultur und meine Erinnerung dazu.

Entsprechend komplex - für viele Leute eher kompliziert - hören allein die Begriffe für Größen an, mit denen man die Farbbeschaffenheit beschreibt oder beschreiben will.

Noch ein Wort zur Qualität, einfach und missverständlich für alle! Sie ist eine der wichtigsten Grundbegriffe für unser Dasein und existiert als philosophischer Begriff schon mindestens 2500 Jahre. Schon bei ihrer Geburt stand die Missverständlichkeit Pate: es gibt zwei Qualitäten. Im allgemeinen Sprachgebrauch heißt Qualität eine "hohe" Qualität, besondere Güte oder hochwertige Beschaffenheit. Kauft man sich einen tollen Sportwagen, erwartet man für sein Geld sowas. Man wird allerdings kurz nach Abholen des Nobelhobels beim Händler feststellen, dass man keinen Bierkasten hinein bekommt. Man kann mit dem Ding auch bei Frauen mächtig Eindruck schinden. Hat man aber damit Erfolg und noch etwas mehr, passt der Kinderwagen genausowenig in die Nobelkarosse wie der Bierkasten. Wo bleibt die Qualität?

Das ist die zweite - und genormte - Bedeutung von Qualität. Qualität ist Eignung für den vorgesehenen Zweck. Oder anders gesagt: Ohne Zweck gibt es keine Qualität. In der Lichttechnik ist dies übrigens nicht neu, sondern Norm seit 1935. Damals wurde in DIN 5035 das Ziel der Beleuchtung festgelegt und sog. "Gütekriterien" wie "D. Ruhe der Beleuchtung" (nach 85 jahren wieder interessant, LED flimmern jetzt ungefragt) definiert. Der Planer sollte diese dem Ziel des beleuchteten Raums entsprechend auslegen. Ein entsprechender Passus fand sich in allen Ausgaben von DIN 5035 bis zuletzt DIN 5035-1, die bis September 2002 galt.

Was jetzt veröffentlicht wurde, ist recht heißes Eisen. Die Ingredenzien der Disziplinen, die man verstehen muss, um das Ganze zu verstehen, waren und sind allein auf dem Gebiet des Sehens, über Sachgebiete verteilt, die von verschiedenen Fachleuten wahrgenommen werden. Die Qualitätslehre kommt dazu. Von der Designlehre ganz zu schweigen.

Licht auf krummen Wegen - Wenn das Einstein wüsste!

 

Genau von einem Jahrhundert heute: Eine britische Expedition weist nach, dass Einstein recht hatte, Masse krümmt den Raum und das Licht des Universums gerät auf die schiefe Bahn, Pardon, krumme Bahn. Das Foto aus Wikimedia weist das nach.

Nur Stunden, bevor ich die Meldung las, hatte ich einen anderen Beweis dafür, dass Masse Licht auf die krumme Bahn bringt. Eine Masse Geld, die man verdienen könnte, verursacht heftigsten - und unwürdigen - Streit zwischen honorigen Berufsvereinigungen wie IES, der Welt größten Ansammlung von Lichttechnikern, "The Lighting Authority" nach eigener Auffassung, und UL wie Underwriters Laboratories, also eine Prüfgesellschaft für Sicherheit. Sie nennt sich "a global safety certification company". Bischen älter als IES is UL auch (1894 gegen 1906). Der dritte im - unwürdigen - Bunde ist WELL. Und was ist das bitte? Dazu kommen wir noch. Erst aber zum Streit, die sich in der Tagespresse so meldet:

Nun möchte UL sog. RP (recommended principles) ausarbeiten - für sich. Wie soll ich mein Baby unter die Laterne halten, damit sein Körperrhythmus gesund wird? So dumm werden sie und IES nicht argumentieren. Es geht eher um Erwachsene, die in dunklen Höhlen ihrer Arbeit nachgehen. Wer täglich sich die Augen reiben muss, weil es im Büro zu hell ist, wird sich wundern. Es ist nämlich häufig biologisch Nacht. IES will auch eigene RP ausarbeiten und beanstandet Nu, dass sich UL nicht an die Usancen hält.

Es geht darum, wer bitte schön die Normen setzen darf, wonach das Licht meine circadiane Rhythmik steuern hilft. Da die beteiligten Auguren meinen, Licht wirke so etwas wie Medizin oder Droge -- was dasselbe ist -- hat das Ganze schon die Ausmaße eines Handelkriegs in der Pharmaindustrie. Die selbst wird natürlich nie so öffentlich betreiben wie die Lichttechniker. Die Pharmaindustrie betreibt ja das Geschäft mit der Gesundheit schon Jahrhunderte. IES - Illuminating Engineering Society of North America - ist da Neuling. Sie sagt von sich ihre Mission sei "to improve the lighted environment by bringing together those with lighting knowledge and by translating that knowledge into actions that benefit the public." Glauben täte ich's schon, wäre da nicht die Tatsache, dass dieser Spruch sehr sehr alt ist, aber der Begriff Beleuchtung ohne Information von "public" heimlich geändert worden ist. Die Missionare schummeln, denn sie sind ein industrienaher Verein und der Gründer dieser Industrie hatte eine sonderbare Vorstellung von dem, was der Allgemeinheit nützt. Er, Thomas A. Edison, wollte nicht Licht verkaufen, sondern Strom. Und der musste Gleichstrom sein. Als sein Konkurrent George Westinghouse mit Wechselstrom daher kam, zog er sich den Auftrag an Land, den elektrischen Stuhl zu erfinden. Anders als alle von ihm belieferten Kunden, hat der Henker von Sing Sing einen Wechselstromverbraucher benutzt. So viel zum Profitieren des Verbrauchers vom Tun und Handeln in der Branche. Die Ära hieß War of Currents. Bei dem Stromkrieg handelte es sich um den ersten Formatkrieg der Industriegeschichte – eine wirtschaftliche Auseinandersetzung um einen technischen Standard. Da fällt mir was ein …

UL macht in Sicherheit. Manche Aktivitäten entsprechen denen der VDE-Prüfstellen. Wie auch der VDE, „genehmigt“ UL keine Produkte. Vielmehr prüft die Organisation Produkte, Komponenten, Materialien und Systeme, ob sie spezifischen Ansprüchen genügen. Wenn dies der Fall ist, dürfen diese Erzeugnisse das kostenpflichtige UL-Prüfzeichen tragen, solange sie die vorgegebenen Standards einhalten. UL entwickelt Normen und Verfahren, um Produkte, Materialien, Komponenten, Bauteile, Geräte, Systeme und Ausrüstungsgegenstände sicherheitstechnisch zu prüfen. Dabei sind die wohl auf den Geschmack gekommen. denn sie prüfen u.a. Systeme zur Gemüseanzucht. Etwas untertrieben - es sind lebenswichtige Nahrungserzeugungssysteme, deren Ausmaße keiner kennt. Wenn man das Wachstum von Gemüse prüfen und zertifizieren kann, warum nicht die biologischen Wirkungen auf den Menschen? Das machen die Klimatechniker und Lichtechniker doch schon Jahrzehnte (z.B. hier). Den meisten fällt nicht mal auf, dass sie zur Gestaltung von Büros und von Mastanlagen für Hühner nach denselben Kriterien vorgehen. Eine nette Zusammenfassung der Vorstellungen über den Lichtbedarf einer Sau und deutschen Kindern kann man hier lesen.

Worum geht es bei dem Streit? Wir werden die "RP", also empfohlene Praxis, vulgo Norm, sehen. Bereits sehr deutlich zu sehen ist, was sich WELL darunter vorstellt. WELL ist eine amerikanische Organisation abgekürzt von International WELL Building Institute. Sie veröffentlicht "Standards" wie manch anderer auch. Das Problem mit Standards ist nicht das Schreiben derselben, sondern die Anerkennung. In Deutschland gibt es ca. 150 Organisationen, die "Standards" ausgeben dürfen. Von denen kennt kaum jemand mehr als DIN, VDE oder VDI. Auch die letzteren müssen, soll ihr "Standard" in ganz Deutschland für alle gelten, DIN um HIlfe bitten. Denn DIN ist die Normungsorganisation für Deutschland, vom Staat anerkannt. Während es hier eine klare Ordnung gibt, machen sich in den USA vielerlei Organisationen munter Konkurrenz. So hat eben auch WELL Beleuchtungsnormen. Aber nicht nur. Sie vergibt Zertifikate für Gebäude. Wie die vergeben werden, kann man hier lesen.

Es wird immer bildhaft dargestellt, welche Körperfunktionen von einem Thema, z.B. Luftqualität betroffen sind, und wie die entsprechenden Normen aussehen. Bei der Luftqualität heißt es z.B. Formaldehyde weniger als 27 ppb, Kohlemonoxyd weniger als 9 ppm und so weiter. Es werden also nichts weniger als Grenzwerte gesetzt, die für die Gesundheit und "well being" wichtig sind. Bei uns dürfen solche nur vom Staat gesetzt werden, es sei denn, jemand geht unter die staatlich festgesetzten Grenzwerte und empfiehlt diese. Der muss allerdings irgend ein Interesse daran haben. Worin das Interesse von WELL besteht, kenne ich nicht. Ich kannte allerdings die Firma Healthy Buildings, deren Chef weltweit Tamtam wg. Sick Building Syndrome machte und Microfilter als Lösung verkaufte. Die bietet WELL Managementhilfe, steht auf ihrer Website.

WELL scheint aber anders gestrickt zu sein. Sie hat sogar selbständige Empfehlungen für öffenbare Fenster, die gesund sein sollen. In deutschen Norman habe ich so etwas bislang nicht gesehen. Auch nicht was sie für Beleuchtung tun. Von "visual lighting design" bis "daylighting fenestration" haben sie 11 Standards, davon eins zu unserem Thema, circadian lighting design. Damit man alle Teile zu Licht gemeinsam sehen kann, habe ich diese kopiert (WELL Lighting) Das Gesamtwerk gibt es hier. Wie man sieht, geht die circadiane Beleuchtung den ganzen Körper an. Ich denke, daran äußert kaum jemand Zweifel. Die Frage ist, wie man die Sache angeht. Denn niemand hat Zweifel daran, dass ein starkes Medikament den ganzen Körper beeinflussen kann. Dennoch ist starker Tobak rezeptpflichtig. Die stärksten davon werden unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus verabreicht.

Was für eine Medizin wird unter "Circadian Lighting" nu verschrieben?

Also, es muss 150 EML oder mehr sein. Dann bekommt das Gebäude die Auszeichnung. Was EML sind? Das steht dahinter: 136 melanopic equivalent daylight D65. Und was ist das? Wer das nicht versteht, kann ja die Option nehmen. Das Projekt möge 120 EML mit Kunstlicht erreichen und 2 Punkte für einen verbesserten Zugang zum Tageslicht erhalten. Und was ist das? Egal, man kriegt sowieso nur einen Punkt. Da gucken wir lieber zu der Auszeichnung mit 3 Punkten. Dafür muss es 240 EML geben.

Schon müde? Warten Sie ab, was IES auf den Markt bringt.

Licht auf krummen Wegen - oder Kann man Hexenkräuter zertifizieren?

 

Hexenkräuter kann man selbstverständlich zertifizieren. Die müssen erst einmal eine Zulassungsprüfung absolvieren, die statistisch gesehen, ich meine aus der Sicht der Kunst der Anwendung der Statistik betrachtet, fast zu einem Nobelpreis berechtigen kann. Dann werden sie auch staatlich zugelassen. Heißen aber nicht mehr Hexenkraut sondern Sotalol, Urapidil oder Citalopram.

Gestern hatte ich dargestellt, wie eine neue Art Medizin, die circadiane Beleuchtung, zertifiziert wird (hier). Die Zulassungsstelle läuft eher unter der Bezeichnung NGO wie Non-Governmental Organisation. So etwas wie Greenpeace. Während die abgetaucht sind, um die letzten Wale in ihrem Habitat zu streicheln, tauchten neue Namen auf wie WELL, aber auch uralte wie UL (1894) und IES (1906). Drei Seelen, ein Herz für den gesundheitsbewussten Menschen: alle wollen EMEL wie melanopische Lux. Haben es selbst ausgemachte Experten der Lichttechnik schwer zu verstehen, was Lux ist (hier), muss sich jetzt auch noch das gemeine Volk mit dessen melanopischer Cousine herumschlagen.

Also, langsam zum Mitschreiben: Wenn man einen Gegenstand erhitzt, wird er rot. Er gibt also Licht ab. Welche Wellenlängen der aussendet, hängt davon ab, wie warm der wird. Ein physikalisches Messgerät in dessen Nähe, das Strahlung messen kann, sagt, es empfange Energie. Diese kann man z.B. auf ein Quadratmillimeter beziehen und sagt, es käme ein Watt pro mm2 an. Wenn man mit der empfangenen Energie Milch kochen will, ist die Angabe bedeutsam. Das Auge kann aber nicht viel damit anfangen. Bei Infrarot - womit manche Öfen arbeiten - ist das Auge blind, ebenso bei UV. Das Auge merkt nur, dass wir davon zu viel abgekriegt haben, weil die Haut rot ausschaut. Also musste eine Funktion her, mit der man die eintreffende Strahlung den Bedürfnissen des Auges entsprechend bewertet. Die wurde 1923 weltweit festgelegt. Seitdem lernen alle Lichtfreunde, was ein Lux oder Lumen ist. Lux bezeichnet die Stärke der einfallenden Strahlung, der Anschaulichkeit halber in Quadratmetern gemessen. Denn beleuchten tut man Stadien under Säle und nicht Nadelspitzen.

Während Lux und Lumen dem Welthandel mit Lichtprodukten dienten, um die Helligkeitswirkung des Lichts zu beschreiben, haben findige Medizinier entdeckt, dass man mit Licht den Leuten den Schlaf austreiben kann. Licht am Abend verhindert die Produktion des Hormon Melatonin, womit sich der Körper auf den Schlaf vorbereitet. Also machen wir viel Licht, damit die Kerle nachts ordentlich arbeiten. Das hat tatsächlich vor etwa 20 Jahren der weltgrößte Autobauer versucht. Schlimm nur, dass vor noch mehr als 20 Jahren, andere Mediziner glaubten, genau das, das Licht in der Nacht, produziere Krebs. Also machen wir es tagsüber. Licht verabreichen, damit die circadiane Rhythmik des Körpers intakt wird, zu einem Zeitpunkt, wenn im Blut kein Melatonin feststellbar ist. Und die Wirkung messen wir an der Wirksamkeit für die Melatoninunterdückung. Dass zu dem Zeitpunkt kein Melatonin existiert - nach einigen geistigen Volten lässt sich auch das erklären.

Die neue Lux ist also melanopische Lux, wie gesagt EMEL. Man misst, wie die Zellen, die Melatonin unterdrücken, Licht wahrnehmen und stellt eben eine neue Bewertung auf. Es gibt sogar melanopische Lumen. Soweit, so gut. Wäre da nicht ein neues, sehr altes Problem. Da in Arbeitsstätten Wände entweder nicht existieren oder mit anderen Sachen belegt sind (Schränke, Regale, Plakate), werden fast alle Arbeitsstätten von oben beleuchtet. Nennt sich Deckenbeleuchtung. Das Unterdrücken von Melatonin bewerkstelligt aber nur das Licht, das auf das Auge trifft. Ein solches Licht produzieren war nie das Ziel der Beleuchtung. Beleuchtung hieß, man produziert Licht, wirft es gegen die Wand, und sieht dann die Wand. Oder eben das Arbeitsgut. Beleuchtung ist die Anwendung von Licht, um Dinge sichtbar zu machen. So hieße es offiziell bis etwa 2016.

Was macht man, wenn es das Licht, das das Auge trifft, nicht gibt? Man definiert es. Also, das Licht kommt aus der Decke. Da es nicht nur nach unten gerichtet ist, muss es auch mal waagrecht fliegen. Da kommen wir zurück zum Einstein. Er hatte postuliert, Masse biegt das Licht. Hier auch. Man stellt das Messgerät 90º um und findet, dass der Luxmeter immer noch was anzeigt. Das nennt man die Vertikalbeleuchtungsstärke Ev. Diese gibt es zwar nirgendwo direkt aus der Leuchte geliefert. Aber so pingelig darf man auch nicht sein. Und genau diese Ev, melanopisch betrachtet, ist die Medizin. Wir haben zwar noch das Problem zu lösen, dass E von EMEL unterschieden werden muss, was man am besten dadurch deutlich macht, dass es sich um Ev wie visuell handelt. Unser altbekanntes EV wie vertikal muss sich halt einen neuen Index suchen. Keine Sorge, das kriegen wir auch hin.

WELL zertifiziert Gebäude nach 150 EMEL. Die bieten tatsächlich an, vor Ort solche Daten zu messen. Dumm nur, dass das Licht, das deren Luxmeter einfängt, eine andere Farbe hat als das, was aus der Decke sprudelt. Das ist eigentlich ziemlich egal, weil das Gerät ohnehin nicht weiß, wo es hingucken soll, es gibt nämlich unendllich viele vertikale Ebenen. Na, ja! Man sollte nicht zu genau hinsehen. Immerhin hat das Licht keine Nebenwirkungen, was die Hexenkräuter auch nach tollster Raffinierung nicht schaffen.

Morgen erkläre ich, was circadiane Beleuchtung mit der Homöopathie zu tun hat.

 

 

HCL - Eine Zwischenbilanz: Beinah so ätzend wie der Name

 

HCL - Ein Marketingprodukt, das seinen Weg in die Realität sucht. Irgendwie hatte ich so etwas für Licht bezweckt, als ich den Namen "Licht und Gesundheit" für einen Forschungsbericht von 1990 aussuchte. Licht, für das Leben des Menschen wichtiger als Luft und Wasser (gem. Arnold Rikli), ohne die man bekanntlich bereits nach Minuten tot ist, braucht es Marketing? Ich sagte ja, weil Menschen dachten - bzw. denken "Da musst Du nur den Schalter drücken, und schon ist Licht." Licht wurde weit unter Preis verkauft.

Ein Ausfluss dessen ist, dass kaum ein Bauprojekt mit einem echten Lichtplaner aufwarten kann. Ich ärgerte mich immer, wenn eine Tafel an einer Baustelle den Akustikplaner aufführte und unsereins nicht mal erwähnt wurde. Das liegt zwar an den Vertriebskanälen der Industrie, die Licht als Bauprodukt verkauft, aber es versäumt hat, Lichtplanung teuer zu verkaufen. (mehr hier) Ob sie es geschafft hätte, steht auf einem anderen Blatt. Den Büromöblern gelingt es auch nicht, die Planung teurer zu verkaufen als die Möbel. Für beide, Büroplanung wie Lichtplanung, gibt es zwar spezialisierte Berater, die nicht einmal schlecht leben. Zum Standard gehört aber eine detaillierte Planung in beiden Fällen nicht. Symptomatisch ist wohl die Antwort meines Bruders auf die Frage, was sein Bruder an der Uni machte. Er sagte, mein Bruder macht die Lichter an und aus.

In Licht 4/2019 fand ich einen Artikel von Markus Canazei und Kollegen, in dem eine Bilanz über das bisherige gezogen wird. Fazit: Forschung und Technologieentwicklung bedarf einer Neuorientierung. Will sagen: … Ich trau mich nicht zu sagen was. Denn die Autoren gehen weiter als die KAN, die mehr Forschung, und sogar Grundleganforschung, verlangt (hier).

Den Artikel will ich nicht komplett kommentieren, denn dazu müsste ich mehr kopieren als zulässig. Aber etwas kopieren darf ich bestimmt, die Liste ihrer "peer-reviewed" Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften. Solche Artikel haben die üblichen Mühlen der Begutachtung durchlaufen, die für die Qualitätssicherung der Wissenschaft unerlässlich sind. Das will zwar nicht sagen, die Artikel verkündeten die Wahrheit. Mehr kann sie aber nicht. Und auch so ist die Wissenschaft der Technik unterlegen, die forsch bestimmte Dinge behauptet, während sich der Forscher um Anerkennung von Gutachtern müht. Dafür macht es der Technik nichts aus, dass auch ihre größten Gebilde (siehe AEG, DEC, Nixdorf) morgen Schrott wert sein können. Selbst der Weltmarkführer von Computern in fast allen 200 Ländern, dessen Gewinn höher lag als der Umsatz des Zweiten, war Mitte der 1990er nur 48 Stunden von der Pleite entfernt.

Warum ich diese Artikel herausstelle? Zum Nachahmen. Denn die Autoren beanstanden, dass es einen "Veröffentlichungsbias" gäbe. Das ist fein gesagt, was ich jüngst kommentiert hatte (Licht und Science Faction). Man "forscht", um positive Ergebnisse zu finden. Alle anderen bleiben unerwähnt. In der Wissenschaft haben aber Pleiten genau denselben Stellenwert wie Triumphe. Vielleicht einen höheren, denn von einem Triumph kann man blind werden, während Fehler eine unschätzbare Erkenntnisquelle sein können. Beim Thema HCL wissen die Beteiligten, wie schwer es ist, eine Wirkung von Licht schlüssig zu belegen. Eigentlich zum Verzweifeln: Man hat in den letzten 100 Jahren nicht einmal das belegen können, was offensichtlich scheint, höhere Beleuchtungsstärke gibt bessere Sehleistung. Das einzige, was sicher ist: Mit Licht sieht man mehr als ohne. Beim Bemühen, die Wirkung der Beleuchtung auf die Leistung nachzuweisen, entstand die größte Katastrophe der Wissenschaft, der Hawthorne Effekt (mehr hier  Warum kann man nicht nachweisen, dass besseres Licht gleich bessere Leistung bedeutet?). Ursache war nicht die Unwirksamkeit von Licht, sondern die Unzulänglichkeit wissenschaftlicher Methoden.

Wenn es nicht traurig wäre, könnte man sich kaputt lachen über eine Überschrift in dem Artikel: "Das vergessene Element: Der Endnutzer und seine aktuellen Bedürfnisse". Was ist da so lustig? Der Name des Projekts. HCL heißt nämlich Human Centric Lighting. Wenn die Analyse des Ist-Zustandes ergibt, die Be-Nutzer des Lichts seien vergessen worden, ist die Sache allzu lustig nicht. Und weniger lustig, was die Autoren weiterhin auch noch festgestellt haben: "Wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise sind unzureichend für eine Verallgemeinerung und damit derzeit nicht übersetzbar in Planungsvorgaben für wirkungsvolle HCL-Lichtkonzepte. Technologische Umsetzungen beschränen sich auf Kunstlichtinterventionen mit starren Farbtemperatur- und Intensitätswechseln und vergessen den Einsatz von Tageslicht." Als Marketingsidee geboren, zur Marketingsmasche verkommen.

Das Fazit der Autoren fürs Erste lautet:

  • benutze während des Tages möglichst viel Tageslicht für die Innenraumbeleuchtung
  • ergänze bei zu geringem Tageslicht während des Tages mit kaltweißem Kunstlicht und hohen Vertikalanteilen und
  • reduziere für die Beleuchtung am Abend und in der Nacht die Vertikalbeleuchtungsstärken (d.h. beleuchte konzentriert die Sehaufgabe …) und die kurzwelligen Strahlungsanteile.

So ähnlich machte es ein Freund, der Assistent am Nachbarinstitut war. Er hatte eine gemütliche Tischlampe und machte sich nachts an seinem Arbeitsplatz gemütlich. Er hasste unsere Allgemeinbeleuchtung, auf die unser Professor schwor. Das ist 50 Jahre her. Mein Doktorvater und ein Kollege bastelten damals an einem Konzept, das Tageslichtergänzungsbeleuchtung hieß. Während der Freund nach Punkt 3 der Liste arbeitete, haben die beiden anderen Punkt 1 und 2 herausgearbeitet.

Preisfrage: Was wäre wenn Licht eine begutachtete Zeitschrift wäre, und alle drei ihre Vorstellungen dort als Artikel eingereicht hätten? Kann ich leicht ausmalen: ein Artikel von mir zum Thema Arbeitsplatzleuchte wurde damals abgelehnt. Grund: Ich hätte nur Produkte einer Firma bewerrtet. Was tun, wenn andere Firmen keine anbieten? Das Projekt, an dem der Professor und der Kollege arbeiteten, wurde auf Geheiß der Industrie eingestellt. Und die LiTG (Licht ist Organ der LiTG) veranstaltete eine Sondertagung Auge-Licht-Arbeit (1971), bei der es um fensterlose Arbeitsräume ging. Die waren von Arbeitsmedizinern zuvor als gesund abgesegnet worden (Kongress der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin im Jahre 1965 zum Thema “Der fensterlose Arbeitsraum”). Und der spätere Vorsitzende des Fachnormenausschusses Lichttechnik behauptete, die Beleuchtung durch seitliche Fenster könnten höheren Anforderungen an die Lichtqualität nicht genügen.

Die Wahrheit findet den Weg ans Licht, auch wenn man sie in fensterlose Räume steckt.

Eine Planungsnorm, nach der man nicht planen kann

 

Lang, lang ist es her. In 2011 hatte ich die neu ankommende ASR A3.4 Beleuchtung, die im Auftrag des Staates erstellt worden war, kommentiert und darauf hingewiesen, dass die zuständige Beleuchtungsnorm EN 12464-1 von damals leider leider nicht anwendbar war. Die Normer mussten daher in ihr Dokument den folgenden Passus aufnehmen:

Wird die Planung und/oder der Betrieb von Beleuchtungsanlagen ausschließlich nach dieser Norm vorgenommen, kann das dazu führen, dass die staatlichen Mindestanforderungen oder die Anforderungen der Unfallversicherungsträger an die Beleuchtung nicht eingehalten sind. Konkretisierende, zusätzliche oder abweichende Anforderungen zu dieser Norm betreffen insbesondere:

  • die Zusammenfassung der Bereiche der Sehaufgaben zu einem Arbeitsbereich;
  • die Ausdehnung des unmittelbaren Umgebungsbereichs auf den restlichen Raum;
  • die Höhe der horizontalen Beleuchtungsstärke für einige Arbeitsplätze;
  • die Mindestwerte der vertikalen und zylindrischen Beleuchtungsstärken;
  • die Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärken.“

Jetzt haben wir 2019! Und CEN schickt sich an die Norm erheblich zu revidieren. Und was wird dort stehen?  "Werden die Planung und/oder der Betrieb …" Ansonsten, nichts Neues im Westen. Oder doch? Mittlerweile sagt der Ausschuss, der hinter ASR A3.4. steht offiziell das aus: "Hingegen besteht bei Nachtarbeit nach gegenwärtigem Wissensstand bereits im Rahmen bestehender Beleuchtungskonzepte die Möglichkeit des Eintretens unerwünschter biologischer Wirkungen, wobei langfristige negative Folgen für die Gesundheit nicht ausgeschlossen werden können. Kritisch sind hohe Beleuchtungsstärken am Auge …" (hier) Und die neue Norm will die Empfehlungen für Beleuchtungsstärken erhöhen. So z.B. bei CAD von 500 lx auf 1000 lx.

Dass man bei Schreiben, Tippen und Datenverarbeitung - echt innovative Arbeitsplätze - 1000 statt 500 lx empfiehlt, wird man schon überleben. Da gibt es Licht-Aus-Schalter. Was aber an CAD-Arbeitsplätzen eine Verdoppelung der Beleuchtungsstärke bringen würde? Das Licht bleibt gleich aus. Solche Arbeitsplätze waren bislang bekannt dafür, dass die Leute sich lieber ein Zelt über den Bildschirm bauten, wenn sie das Licht nicht haben ausschalten dürfen bzw. können (hier zwei Beispiele, BER1 BER2)

Wie würde wohl die Gefährdungsanalyse eines Lichtplaners aussehen, wenn er solche Empfehlungen umsetzen will? Ich kann mir eher die Diagnose des Psychiaters einer Unternehmers vorstellen, der solche Dinge bezahlt. Ob da ein Leinenzwang hilft (hier)? Oder müssen wir ein neues Gremium erfinden, das die Arbeit vor Licht schützt?