12.02.2022
Zum wievielten Mal eigentlich? Ich meine die Wiederholungen der Kolumnen zur Lichtqualität. Vorhin habe ich diesen Beitrag dazu gefunden aus dem Jahre 2014 mit drei Verweisen auf noch ältere. In Februar 2022 ist das Thema aber erstaunlich aktuell, weil der Begriff Lichtqualität pünktlich zum 1.1.2021 offiziell definiert wurde. Zwar etwa mit 100 Jahren Verspätung, aber immerhin. Man konnte vor einem Jahrhundert doch nicht wissen …?
Die Entschuldigung gilt nicht. Man wusste sogar vor 200 Jahren, dass Lichtqualität wichtig war. Oder auch vor 500. Künstliches Licht war eine der ersten Technologien der Menschheit beim Erwachen aus dem Koma der Eiszeit. Die erste bekannte Öllampe ist etwa 17.000 Jahre alt. Im Vergleich dazu: Das größte "lebende Ding", Great Barrier Reef, hat seine letzte Form vor 6.000 Jahren gefunden. Der Nil ist etwa vor 12.000 Jahren entstanden. Das größte lebende Wesen, das etwa 30% der Waldfläche des Planeten umfasst, der Boreale Wald, fast gleichzeitig mit dem Nil. Und die Jahreszahl der Sintflut unterscheidet sich kaum davon. Denn alle drei Ereignisse hängen miteinander zusammen.
Die Erfinder der Energieeffizienz waren nicht etwa Ökologen oder Naturliebhaber. Es waren die Lichtmacher. Der Fachbegriff heißt Lichtausbeute, und er war allen Lichtmachern ein Begriff, lange bevor er zum Begriff wurde. Die Lichtausbeute ist das Maß für die Effizienz der Lichterzeugung. Diese als Fachbegriff haben Lichttechniker festgelegt, aber er ist viel älter als die (elektrische) Lichttechnik. Und die Lichtqualität? Diese haben deutsche Lichttechniker präzise im Jahr 1935 als Norm veröffentlicht. Sie haben es vorgezogen, von Gütekriterien zu sprechen. Eigentlich Jacke wie Hose, weil Güte Qualität bedeutet. Aber man war besser als die späteren Qualitätswissenschaftler. Denn das Wort Qualität enthält zwei Begriffe, die Gütekriterien hingegen haben genau das festgelegt, was gemeint war.
So gesehen müsste alles in Butter sein - oder in Lichtqualität glänzen. Leider ist dem nicht so. Und das hat seine Ursachen.
Gemeint ist das Thema des abgebildeten Artikels, Flimmern - neuhochdeutsch auch flicker genannt. Es war Thema für die erste lichttechnische Norm von 1935. Kein Problem für die Glühlampe, und keins für die Leuchtstofflampe mit elektronischem Vorschaltgerät. Aber … beide pasee'! Die EU hat beide in Raten verboten.
Der Fortschritt kam mit der Energiesparlampe. Was das ist? Kennt doch jeder, dessen Gedächtnis älter ist als 10 Jahre. Das war die Kompaktleuchtstofflampe, 1973 einem Ingenieur von General Electric erfunden. Nicht zufällig und nicht für irgend einen undefinierten Zweck: Es war 1973, als die Welt noch in Schockstarre war wegen der ersten (offiziellen) Energiekrise, besser gesagt, Ölkrise. So musste eine Lampe her, die weniger Energie brauchte als Edisons Birne. Für Freunde heißt die Lampe FCL. Und ihre Fassung trug die Bezeichnung E 27, E wie Edison.
Es dauerte etwa 12 Jahre, bevor das Ding mit dem Energiesparen ernst machen konnte. Bis dahin, im Jahre 1985, konnte sie nämlich eine der Gütekriterien für Beleuchtung, niedergeschrieben 1935, nicht erfüllen. Die zeitliche Gleichmäßigkeit, sprich Flimmerfreiheit, war nicht gegeben. Um ihr Licht zu messen, mussten wir sie 24 Stunden betreiben, weil sie halt instabil war. Wenn das das einzige Problem wär. Sie spuckte das Netz voll Blindstrom (hier weiter lesen), so dass man nicht weiß, ob sie wirklich Energie gespart hat. Und die Lampe dachte nicht daran, hell aufzuleuchten, wenn einer „Fiat Lux“ ruft oder den Schalter drückt. Je nach Preis musste man mehr oder länger warten, bis Licht wird. Egal, bevor die Energiesparlampe hat Energie sparen können, kam die Ablösung. LED. Zuvor durfte man über die Energiesparlampe als Umweltverschmutzung reden (hier). Dann zog die EU den Stecker und verbot am 1. September 2021 ihren Hoffnungsträger für die energieeffiziente Beleuchtung wegen mangelnder Energieeffizienz (hier). Wer in diesem Blog etwas herumsucht, findet schnell heraus, dass ich die Lampe von vornherein verboten fand.
Eigentlich eine geniale Idee, LED ein technisches Element, das völlig ungeeignet ist zum Beleuchten, zum Beleuchten zu benutzen. Im Laufe der letzten 25 Jahre hat man ihm diverse Eigensinnigkeit ausgetrieben. Aber gegen seine Funktionsweise kann man nicht angehen. Denn ein LED-Element ist eine Diode, und eine Diode lässt Strom in einer Richtung durch. Also müsste man die LED mit Gleichspannung betreiben, wie übrigens Edison für alle Beleuchtung hat vorschreiben wollen. Um seinem Konzept Nachdruck zu verleihen, hat er sogar den elektrischen Stuhl erfunden und einen Elefanten hinrichten lassen - mit Wechselstrom (hier). Es hat nicht sollen sein. Edison verlor den Stromkrieg, und die Welt bekam Wechselstromnetze. Brauchen tun wir aber eher Gleichstromnetze für Computer, Server, Router und eben für LED.
Da wir fast nie die geeigneten Netze haben, flimmern die LED. Denn sie sind ultraschnelle Schalter und gehen ständig ein und aus. Technisch gesehen ist es kein Problem, LED so zu betreiben, dass sie nicht flimmert. Es handelt sich weitgehend um eine Preisfrage. Eigentlich sollte dies kein Kriterium sein, denn Flimmern ist eine Gesundheitsgefahr für alle Menschen, sogar unerträglich für manche. Zudem kann es in bestimmten Arbeitsumgebungen eine tödliche Unfallgefahr darstellen (Stroboskopeffekt). Wer aber annimmt, dass die EU in solchen Fällen konsequent handelt, liegt - sagen wir mal nett - daneben. So hat sie beim Falle der Energiesparlampe eine Technik bevorzugt, die ein seit Jahrzehnten verbotenes Umweltgift benutzt, obwohl die verbotene Technik, die Glühlampe, ohne sie auskam. Das Problem Quecksilber will sie aber langsam angehen, so nach einer Mitteilung des Umweltbundesamtes vom 11. Januar 2022 (hier umfangreiche Infos zu Licht & EU-Politik zur Energieeffizienz). Wer sich dafür interessiert, seit wann und wie oft in diesem Blog das Thema Quecksilber behandelt wird, muss nur die Kategorie "Quecksilber" wählen. Der erste Beitrag ist am 23.02.2009 erschienen, also genau vor 13 Jahren (hier). Beim Thema Flimmern war ich weniger zimperlich, es findet sich über die Jahre in vielen Beiträgen, so z.B. hier, da und dort. Etwas drastischer hier, zumindest der Titel "Probleme, die wir ohne LED nicht hatten - SVM muss besser werden, aber langsam".
08.02.2022
Es gibt garantiert keine technische oder wissenschaftliche Disziplin, die sich Mühe gibt, damit die letzte Sau sie versteht. Eine macht da eine Ausnahme. Vermutlich geht sie davon aus, dass sie keine Sau versteht und bebildert ihre Konzepte. Zunächst für Menschen. Das war früher allgemein üblich. So wurde z.B. die Größe eines Schiffes in Vergleich zu einem Elefanten dargestellt, damit jeder versteht, wie groß so ein Schiff ist. Gewiss, die meisten von uns haben keine Ahnung davon, wie groß ein Elefant ist. Deswegen gab es auch Abbildungen die helfen, Elefanten zu verstehen. Meistens stand ein Schaf oder ein Pferd daneben. Hätte man hingegen einen Floh als Vergleich abgebildet, hätte keine Sau verstanden, was gemeint war. Lustig waren die Abbildungen, die erreichte Höhen zeigten. Pferd 2m (hüpfend), Schwalbe einige Kilometer, Granate der Dicken Berta 38 km usw. Vorbei … Voyager 1 wird im Jahr 2026 die Distanz von einem Lichttag zur Sonne überschreiten. In Höhen gemessen wären das 25.955.532.111.000 m. Wer das nicht versteht, kann vielleicht das begreifen: 2,59 e+16 Millimeter. Von Höhe reden wir nicht mehr.
Wie dem auch sei, es ist wichtig, dass alle verstehen, dass es lichttechnische Grundgrößen gibt. Und davon 4. Und deren Erklärung sieht für einen Menschen abgebildet so aus.
Eigentlich stimmt das Bild nicht. Es stammt aus einer Sicherheitsregel einer BG, die für Metallarbeiter tätig ist. Die Szene enthielt früher eine Drehbank und eine Maschinenleuchte. Die hier gezeigte elegante Leuchte war seinerzeit noch nicht erfunden worden. Und der Mann trug … einen Blaumann. Ich habe vorsichtshalber alle Teile des Bilds entfernt, aus dem Licht auf das Blatt Papier fällt. Nur den Mann konnte ich nicht entfernen. Das einigermaßen korrekte Bild sieht so aus:
Wenn man gaaanz genau nimmt, müsste man es so zeichnen:
Was muss man tun, damit jede Sau die globale Bedeutung dieses Bildes erkennt?Etwa so?
Eigentlich sollte hier eine Sau abgebildet werden. Hat man die etwa vergessen? Ganz bestimmt nicht:
Schon perfekt? Ganz sicher nicht! Denn das schweinische Auge ist ein Dichromat, hat also nur zwei Arten von Farbempfängern. Der Mensch ist ein Trichromat - meistens jedenfalls. Bei einer saumäßigen Betrachtung muss der Lichtstrom anders berechnet werden, damit auch die Beleuchtungsstärke und auch die Leuchtdichte.
Ist solch ein Unterschied relevant? I,wo, keine Sau interessiert sich dafür. Morgen schreibe ich, wie die Sau die Pflanzen sieht, wenn die Beleuchtung für diese optimiert ist. Bis dahin kann man hier lesen, wie man im Winter seine Beamtenpalme oder Zimmerlinde mit schlechtem Licht ruiniert, bzw. was man mit gutem Licht erreichen kann. Ansonsten bleibt es bei der Weisheit, die man etwa im ersten Schuljahr vermittelt bekommt: Man sieht die Welt im reflektierten Licht.
Man stelle es vor, es gibt Fortschritt. Und dann will es keiner gewesen sein… Heute erlebte ich den Schlussstrich unter eine Geschichte, die 1977, also genau vor 45 Jahren, begonnen hatte. Es ging um Licht und zwar darum, wie man die Beleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen regeln sollte. Ich war damals der Verfasser des Normenentwurfs. Gestern weigerte sich ein Unternehmer, eine Genehmigung zur Wiedergabe eines Fotos zu erteilen, das eine Beleuchtung zeigt von ihm Ende der 1980er Jahre geplant und stolz veröffentlicht in einem edlen Buch. Dabei hatte er just die Norm, die ich begonnen hatte zu schreiben, nach ihrer Perfektionierung perfekt umgesetzt. War da was?
Üblicherweise wurden und werden solche Entwürfe, die Beleuchtung angehen, vom Normenausschuss Lichttechnik bearbeitet. Dieser wurde aber von einem anderen Ausschuss eingebracht und bearbeitet. Wir merkten sofort intuitiv, dass irgendwas nicht stimmte. Später sollte ich noch lernen, was dieses irgendwas war. Meine Entwürfe, die ich abgeschickt hatte, wurden wie von Geisterhand verändert, und zur nächsten Besprechung lag öfter ein mir ziemlich fremder Text vor. Eines schönen Tages erschien dann ein bekannter Professor für Lichttechnik und meinte, den Text würde er gerne redigieren. Ich gab den Job gerne ab, weil mir die Irregularitäten auf den Wecker gefallen waren. Ich hatte sechs weitere Normen zu bearbeiten. Die übrigens ungewöhnlich erfolgreich waren und bis heute ihre Wirkung sogar in der Arbeitsstättenverordnung spürbar zeigen. Nur mit dem Entwurf zur Beleuchtung hatte ich unerklärliche Schwierigkeiten. Warum sich der Professor gerade um die Bearbeitung dieser Norm riss, habe ich später gelernt.
Es dauerte nicht lange - jedenfalls gemessen an der Genesis des Lichts "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde" - und schon war sie da, die Norm DIN 66234-7, anno domini 1984. Wie der Name sagt, regelte sie aber nicht die Beleuchtung allein, sondern hieß "Bildschirmarbeitsplätze - Ergonomische Gestaltung des Arbeitsraums - Beleuchtung und Anordnung". Und sie enthielt ein Leckerbissen: das erste neue Gütemerkmal seit 1935! Sie hieß "Vermeidung störender Spiegelungen" und ist bis heute nicht tot zu kriegen.
Der eigentliche Zweck dieser Normen war gewesen, dass man alle negativen Wirkungen des Arbeitsplatzes mit Bildschirm erfasst und, soweit möglich, deren Ursache beseitigt. So wurde z.B. festgestellt, dass die Leute schlecht saßen, weil ihre Tastaturen zu hoch waren und der Beinraum der Tische dem Glück überlassen. Die damalige Norm für Tische kannte nicht einmal Maße für den Beinraum. So hatte z.B. für die damalige Bundesbahn ein Computerhersteller einen Arbeitsplatz ohne Beinraum gebaut. Dort wo Beinräume geregelt waren, z.B. Schreibmaschinentische, konnten nur Gartenzwerge mit dünnen Oberschenkeln drunter sitzen. Denn Schreibmaschinen hatten bedingt durch ihre Funktion hohe Tastaturen. Ergo: Wir sagten der Computerindustrie, sie möge die Tastaturen flach halten. Und der Büromöbelindustrie, es wäre doch sinnvoll, wenn für Beine ein definierter Raum reserviert würde, der jetzt deswegen Beinraum heißt. Kein Problem. Wurde gemacht, bevor die entsprechenden Normen den Entwurfsstadium verließen. Es war ja nicht so, dass Arbeitstische nie Beinräume hätten. Das Problem war, dass dort mal eine Schublade für Bleistifte war und mal ein Drucker. Die Designgenies hatten auch mal dicke Vierkantrohre dort eingebaut, die den Tisch zusammen hielten. Da mussten die Benutzer ihre Beine spreizen.
Bei Licht müsste die Sache noch besser klappen, da ich alle relevanten Leute kannte und mein Professor in der gesamten Industrie wohlgelitten war. Heute weiß ich, warum Gott nach der Schöpfung einen Ruhetag einlegen musste. Zwar musste er nur sprechen "Gott sprach: es werde Licht, und es wurde Licht!" Danach ging es einfach nicht weiter. Die Anwender der Norm stellten fest, dass sie nur winzige Tische aufstellen durften und den größten Teil ihres Büros leer stehen lassen mussten, weil sonst die Beleuchtung nicht funktionieren sollte. Damit man das Entsetzen der Anwender versteht, habe ich aus dem Belegungsschema des Büros aus der Norm die Dinge entfernt, die man dort nicht sieht. Dafür sieht man, was sich Lichttechniker unter einem deutschen Arbeitgeber verstehen: der hat Geld wie Heu und gibt es sinnlos aus.
Zum Verständnis: Die Tastaturen im Bild sind ca 50 cm breit. Daher messen die Tische etwa 80 cm in der Breite. Solche Tische gab es damals für Schreibmaschinen. Die Bildschirmtische maßen eher 160 cm, häufig bis 2 m in der Breite. Kannten die Lichttechniker die nicht? Natürlich kannten sie die. Es passte nur nicht zusammen, das Entspiegeln von Bildschirmen über die Beleuchtung brauchte viel viel Platz. Ein Stückchen von dem Unsinn zeigt das untere Bild. Exakt dieses hatten zwei Professoren der Lichttechnik dem deutschen Computerpionier Wolfgang Giloi empfohlen, der dazu angesetzt hatte, den deutschen Supercomputer SUPRENUM zu bauen. Seine Leute konnten nicht verstehen, warum die erste Hälfte ihrer Räume leer stehen sollte und alle Arbeitsplätze hinter hohen Stellwänden stehen mussten. Hier die Erklärung:Nicht nur Prof. Giloi schüttelte seinen weises Haupt, sondern auch sein Betriebsrat. Der wollte von mir erklärt wissen, warum denn die erste Hälfte eines jeden Büroraums leer stehen sollte und hinter jedem Arbeitsplatz eine hohe Stellwand. Geht es nicht anders? Und ob das geht! War leider sehr teuer. Eine entspiegelte Bildröhre kostete damals volle 10,- DM mehr. Das sind, auf die damals übliche Abschreibungszeit von 8 Jahren bezogen, 10,41 Pf/Monat gewesen. Bei einem Mietzins von 5,-- DM (Dorflage) und 80,-- DM (Frankfurt, Bankengegend) für einen Quadratmeter Büroboden eine wahrlich ernst zu nehmende Größenordnung. Wie viel qm man zum Entspiegeln braucht, kann man sich ausrechnen aus den Maßen des Tisches (800 mm tief). (Den naheliegenden verdacht, dass die Norm aus dem Marketingetat der Immobilienwirtschaft finanziert wurde, weise ich entschieden zurück.)
Man müsste meinen, ein solcher Unfug flöge bereits bei der ersten Anwendung auf. Ist es so? Nö, man setzte mit einer zusätzlichen Norm zum gleichen Thema mit fast dem gleichen Inhalt der Sache die wahre Krone auf. Denn der eigentliche Grund für die Erstellung der ersten Norm, war etwas zu kurz gekommen. Der war damals nämlich in einer Anmerkung versteckt: "Sind hierzu - also zur Vermeidung der Reflexblendung - keine näheren Einzelheiten bekannt, so kommen beispielsweise Leuchte deren mittlere Leuchttdichte oberhalb eines Ausstrahlungswinkels von γ = 50º in den Ebenen C0, C180, C90 und C270 nicht größer als 200 cd/m2 in Betracht." Da man bei der Planung eines Gebäudes nie weiß, wann wo welcher Bildschirm steht, muss man also immer zu dem Beispiel greifen. Nun fehlte nur eine ausdrückliche Empfehlung der so umschriebenen Leuchte. Und diese wurde mit der Norm DIN 5035-7 in 1988 realisiert. Die Norm hat nichts mehr mit der Anordnung zu tun, sondern nur noch mit der Beleuchtung: "Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht; Beleuchtung von Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen und mit Arbeitsplätzen mit Bildschirmunterstützung". (Dazu gibt es einen eigene Beiträge z.B. insbesondere hier oder hier oder da). Die Anordnung wird in der Norm einfach vorgegeben. Basta! Wo kämen wir denn hin, wenn jeder mit seinem Büro machen wollte, was er will!
Was ist, wenn man die empfohlene Anordnung der Arbeitsplätze nicht einhalten kann? Pech! Dann blendet die Beleuchtung, aber die Schuld trägt der Anwender. Ein Schelm, der behauptet, dass dies das eigentliche Ziel der Geschichte war. Also: Menschen am Bildschirm spüren Augenprobleme. Der Bildschirm soll es nicht gewesen sein. Da haben die Computerhersteller was dagegen. Was kann es sonst gewesen sein? Richtig! Beleuchtung. Also verschreibt man den Leuten eine gesunde Leuchte, mit der sich der Leuchtenhersteller gesund stößt. Und gibt dazu Bedingungen vor, die niemand einhalten kann. Pech gehabt. Also bleibt einem nur die Bildschirmbrille, wenn einem die Augen weh tun. Die Brille bezahlt der Arbeitgeber. Also eine Win-Win-Win-Situation für einen Leuchtenhersteller, der auch ein Computerhersteller war, und auch noch Büros mit Bildschirmen betrieb. Dieser Multi-Hersteller hatte 1977 seinen zwei Obleuten, die die besagten Normen bearbeiteten, die Aufgabe erteilt, den bestmöglichen Gewinn für das Unternehmen zu realisieren. Einer hat sich geweigert, mitzumachen. Der zweite, der Lichttechniker, machte vor, wie man eine nicht-spiegelnde Beleuchtung mit einem riesigen Aufwand in die Praxis bringt statt einfach die Röhren zu entspiegeln. Zudem half die Maßnahme nur gegen künstliches Licht. In den Bildschirmen spiegelten sich nunmehr nur noch die Fenster.
Und die Firma, die mir die Genehmigung der Wiedergabe eines Bildes verweigerte, hatte nichts anderes getan, als eine Beleuchtung nach deren Ideen zu planen. Ich wüßte schon, wozu ich ihr raten würde. Nur ist es zu spät, Wiedergutmachung zu fordern. Ich weiß auch nicht, was deren Kunde gesagt oder gedacht hat. Wer Normen so abfasst, dass der Planer kaum abweichen kann, müsste die Suppe auslöffeln. Auch dazu ist es zu spät (s. Epilog.)
EPILOG: Win-Win-Win ist ausgeträumt. Die Firma stellt keine Computer mehr her. Aus dem Leuchtengeschäft wurde ein Geschäft mit dem Verkauf des Leuchtenherstellers, der gleich drei Mal verkauft wurde. Mitarbeiter hat die Firma noch. Die beschäftigen sich aber mit anderen Geschäften. Nur die Konzepte und manche Zahlen, die sie in die Welt gesetzt haben, findet man noch irgendwo in der europäischen Beleuchtungsnorm EN 12464-1, die gerade veröffentlicht wurde. Ach ja, die war keine Einzelidee. Die Firma setzte noch eine globale Beleuchtungsnorm in die Welt, CIE S 008/ISO 8995-1 von 2001. Jetzt arbeiten interkontinental verteilte Lichtexperten daran, die beiden Normen zusammenzuflicken. Ganz schön nachhaltig die Idee.
Falsche Rechnung wird aus
Bagdad zurückgeschickt.
Türkische Volksweisheit
Bescheidenheit ist eine Zier, kann aber auch Ausdruck menschlicher Größe sein. Leider trifft das meistens nicht zu. Vor drei Jahrzehnten dachte ich, mich laust der Affe, als ein mir sehr gut bekannter Professor in einem Interview wörtlich sagte: "Im Übrigen kann für viele Aktivitäten im Innenraum das Tageslicht nach Quantität und Qualität durch künstliches Licht besser nachgebildet werden." Der Journalist konnte seinen Ohren nicht glauben und fragte nach: "Besser?" Antwort: "Besser nachgebildet".
Denselben Herrn hatte ich schon vor fünf Jahrzehnten eine ähnliche bedeutsame Aussage treffen hören: “Bei seitlicher Befensterung können gehobene Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, nicht befriedigt werden.” Das war im Jahre 1971, und die Veranstaltung hieß “Auge-Licht-Arbeit”. Also? Man pfiff auf die seitliche Befensterung und normte eine Beleuchtung, die nicht nur ohne Tageslicht auskommen würde, sondern tatsächlich "besser" sein wollte - in Quantität und Qualität.
Wir lassen die Quantität lieber beiseite. Wenn einer im Innenraum 100.000 lux erzeugen würde, wie die Sonne an einem schönen Juni Nachmittag, würden selbst die hartnäckigsten Ungeziefer schon die erste Minute nicht überleben. In der Natur geht es viel besser, aber auch nicht gut. Wenn draußen diese Beleuchtungsstärke herrscht, machen weise Menschen Siesta und erzählen "In die Mittagssonne gehen nur Esel und Touristen". Bleiben wir also bei Qualität. Was ist die Lichtqualität? Eine Antwort auf die Frage wurde nach langem Grübeln - etwa 100 Jahre - zum 1.Januar 2021 veröffentlicht: "degree of excellence to which the totality of lighting characteristics fulfils user needs and expectations or other applicable requirements" Übersetzt heißt das: "Grad der Vorzüglichkeit zu welchem die Gesamtheit der Beleuchtungseigenschaften die Bedürfnisse und Erwartungen der Benutzer erfüllt oder andere anwendbare Anforderungen".
Bevor einer Hurra schreit und damit die "Heureka"-Rufe der Lichttechnik zu übertönen sucht, etwas Ernüchterndes. Diese Definition gibt es als Definition der Qualität seit über 40 Jahren - und zwar ohne Wenn und Aber. Aber andere anwendbare Anforderungen kennt die Qualitätswissenschaft nicht. Schlicht gesagt, Qualität ist Eignung für den vorgesehenen Zweck. Man kann z.B. Hämmer für die Reparatur von Schweizer Taschenuhren erstellen oder zum Kloppen von Felsen. Ein vorgegebener Qualitäts-Hammer für den einen Zweck ist völlig ungeeignet für den anderen Zweck. D.h., Qualität ist keine einem Produkt innewohnende Eigenschaft, sondern nur die Erfüllung von Anforderungen. Die lichttechnische Definition besagt, dass die Anforderungen von Bedürfnissen von Benutzern und deren Erwartungen herrühren. Und damit sind wir wieder am Anfang. Welche Bedürfnisse hätten Sie denn?
Eine Antwort auf diese Frage wurde vor fast genau 100 Jahren gesucht und gefunden: Menschen brauchen zum gesunden Leben Licht. Sie leben und arbeiten aber in Innenräumen, und draußen nimmt der Dunst und Smog der Städte ihnen die wichtigsten Strahlen des Sonnenlichts weg. Ergo? Mit Lampen kann man ein Licht erzeugen, dass natürlicher ist als das Licht der Natur. So können Lampen Licht wie "klarstes Wetter", "Mittag", "Hochsommer", "mittlerer Breitengrad" oder "Meereshöhe" für den gesamten Planeten erzeugen. So dachte man anno 1921. (Anm.: Das Bild zur Rechten zeigt nicht etwa ein Schlafcamp für Erdbebengeschädigte, sondern einen Schulraum mit Licht und Luft.)
Gar nicht schlecht die Idee! Das erinnert mich an das Norm-Tageslicht. So stellt die Normlichtart D65 das Tageslicht etwa zur Mittagszeit in Wien dar. Normlichtart D50 hingegen heißt "Horizontlicht" und will den Sonnenuntergang simulieren. Was D75 will habe ich nicht herausfinden können. Ich schätze mal, das ist die Sonne, die einem auf den Schädel knallt. MIttlerweile gibt es darüber hinaus so viele Normlichtarten, dass man nicht mehr weiß wohin damit: Normlichtart A, B, C, D50, D55, D65, D75, D93, E, F1 bis F12, LED-B1, LED-B2, LED-B3, LED-B4, LED-B5, LED-BH1, LED-RGB1, LED-V1, LED-V2.
Wie man sieht, wurden alte Träume wahr. Aber nicht nur die … Denn vor 100 Jahren ging es um die "Licht und Gesundheit". Man wollte die Sonne Sonne sein lassen und aus ihren Strahlen die gesunden herausfiltern und halt nur diese replizieren. Also Licht für Gesundheit. Da Menschen auch noch Licht für andere, teils extravagante, Zwecke erzeugten, zum Beispiel zum Sehen, kam man auf die Idee, Licht für beides zu machen. So wurde z.B. die S1-Lampe erfunden, deren Glühfaden das Licht für das Sehen erzeugte, während ein Quecksilberkolben das Licht für die Gesundheit produzierte. Dass das gesunde "Licht" aus dem Quecksilberkolben im wesentlichen aus UV bestand, war nicht etwa das Problem, sondern die ersehnte Lösung.
Alles Geschichte. Heute gibt es integratives Licht, das sowohl das Sehen unterstützen will als auch die Gesundheit. Da es sich als äußerst unpraktisch erwiesen hat, Doppellampen zu produzieren und zu installieren, machen wir es nun mit der Umlenkung des Lichts. Hat man 40 Jahre lang tief strahlende Leuchten gepredigt, damit sich das Licht nicht in den Bildschirmen spiegelt, ist der neue Knaller eine hohe Lichtabstrahlung in horizontaler Richtung. Nennt sich Vertikalbeleuchtungsstärke. Da sich die Lichtqualität zum Sehen nicht ändern soll, muss man einen Weg finden, dass Licht zur Richtungsumkehr zu überreden. Dann fällt es umso stärker auf die Bildschirme. Aber auch das ist kein Problem. Es geht das Gerücht rum, dass Blendung etwas Schönes ist. Wir müssen nur die Bücher korrigieren, die Blendung für ein Problem halten. Ich bin mir sicher, dass wir auch das schaffen. Das zweite Jahrhundert fürs gesunde Licht hat ja gerade begonnen.
Übrigens, die Sache mit der Nachbildung des natürlichen Lichts im Innern der Gebäude war nicht sehr erfolgreich. Jemand ist dahinter gekommen, dass UV nicht nur lebenswichtig ist, sondern auch ganz schön lebensgefährlich. Deswegen gibt es die Lampen mit dualer Funktion nicht mehr. Aber Schutzvorschriften gegen die UV-Strahlung (z.B. diese), weil manche Lampen auch ohne zugeordnete Funktion strahlen.
Als ich vor Tagen die Rolle von Licht bei der Überwinterung der Topfpflanzen kommentierte (hier), waren mir einige Ungereimtheiten in der verfügbaren Weisheit aufgefallen. So z.B. die Wahl des Spektrums. Wenn man nach der Kurve für die Photosynthese optimiert beleuchtet, entsteht eine Umgebung, in der man nicht unbedingt seine Zeitung lesen möchte. Der schöne Wintergarten in lila Licht gehüllt? Bei meinen Aquarien hatte ich das seltsame Licht den Pflanzen zuliebe halt akzeptiert. Aber den ganzen Tag in einem solchen Licht leben möchte ich nicht, damit sich meine Zimmerpalme in ihrer biologischen Heimat fühlt - sie stammt wie alle eleganten Zimmerpalmen Marke Kentia alias Howea Forsteriana allesamt von einer einzigen Insel, Lord Howe Island. Die Entfremdung zwischen meiner Palme und mir wird noch größer werden, wenn ich mir eine melanopische wirksame Beleuchtung zulege, denn deren Spektrum berücksichtigt nur den Menschen.
Die Fragestellung ist übrigens wenig geeignet, um damit Spaß zu betreiben, denn die Zukunft der Menschheit könnte davon abhängen, wie man Vertikalfarming betreibt, um noch mehr Milliarden an Menschen zu ernähren. Diese Technik ist nicht nur eine konsequente Fortsetzung der Zucht von Pflanzen unter Glas - aka Gewächshaus. Sie verlangt einen intelligenten Umgang mit den Ressourcen. Man kann die Pflanze zu Licht bringen, z.B. in die Sahara, hätte aber ein Problem mit dem Wasser. Außerdem sitzen die Konsumenten nicht gerade in der Sahara. Die fertige Ware muss zu denen geführt werden. Viele Völker haben tiefe Tunnel unter den Wüsten gegraben, um das Wasser dorthin zu bringen, wo es gebraucht wurde. Die längsten haben wohl die Uiguren in Xinjiang gebaut (hier), die ältesten die Menschen des Königreichs Urartu, eines historischen Staat um den Van-See in Anatolien. Beides ist turko-persischen Urspungs. Auch in der Sahara gibt es das System und heißt foggara. Foggara, Rhettara, Khettara, Mkoula, Karez, Qanat, Faladsch - egal wie man sie nennt, in bis 100 m Tiefe einen bis zu 60 km langen Tunnel mit Hammer und Meißel bohren, ist nicht ganz zeitgemäß.
So scheint es sich einfacher zu gestalten, die Pflanze dort zu züchten, wo die Konsumenten sitzen und reichlich Wasser fließt. Tatsächlich gibt es eine Firma, die Pflanzen im Supermarkt zieht. Ein Startup namens infarm warb schon 2016 damit, Kräuter direkt im Supermarkt zu ziehen: "„Von hier für hier“ steht draußen am Supermarkt geschrieben. Ein Berliner Groß-Supermarkt baut selbst Gemüse an und gibt damit dem Begriff „regionales Essen“ eine neue Dimension." stand da zu lesen. Bei der Berliner Filiale von Metro wachsen 365 Tage im Jahr Basilikum, Kopfsalat und andere Grünpflanzen im Verkaufsregal. Wer mehr über infarm wissen will, bitte hier klicken.
Dumm nur, dass das Ganze von der Energie abhängt. Zwar macht es bei einer einzigen Zimmerlinde nicht viel aus, welche Lampe man darüber hängt. Wenn man große Teile der Menschheit damit ernähren will, sieht die Sache anders aus. Man muss den Energieaufwand mit allen Mitteln reduzieren, die einem einfallen können. Gemeinsam für alle Pflanzen ist die Ermittlung der "photosynthetisch aktiven Strahlung" (engl.: photosynthetically active radiation, kurz PAR oder PhAR). Das ist jene elektromagnetische Strahlung im Bereich des Lichtspektrums, den phototrophe Organismen hauptsächlich bei der Photosynthese nutzen. Dummerweise reagiert jede Pflanze etwas anders dabei. Ein Artikel in Licht 7/2021 beschreibt, wie man dazu wissenschaftlich vorgehen kann: "Lichtsimulation mit digitalen Pflanzenzwillingen - Theorie und Studien zu Möglichkeiten einer optimierten Pflanzenbelichtung". Den Artikel kann ich leider nicht in Kurzfassung zitieren. Man muss ihn selber lesen.
Mehr gibt es hier zu lesen. Die umfangreichste Arbeit stammt von Keith J. McCree (hier, in Englisch). Seine PAR-Kurve wird als Grundform für die Wirkspektren hearngezogen, sog. McCree-Kurve. Auf der senkrechten Achse wird die relativen Quantenausbeute dargestellt. Für jede Pflanzenart gibt es eine eigene McCree-Kurve, leider. Rechts sind zwei PAR-Kurven abgebildet, die von anderen Forschern stammen (Hoover, 1937 und Inada, 1976).
Problem dieser Kurven ist, dass McCree die Absorption eines einzelnen Blattes gemessen hatte. Eine Pflanze lebt zwar von der Photosynthese in seinen Blättern, sie ist aber mehr als eine Ansammlung von Blättern. Die restlichen Teile haben andere Aufgaben und reagieren anders. Zudem hat McCree nur mit monochromatischem Licht gemessen. Die Wirkung einer Wellenlänge aus einem breiten Spektrum fällt sicherlich anders aus als wenn die anderen Wellenlängen nicht vorhanden wären.
Die Verfügbarkeit von LED-Leuchtmitteln führt zu einer neuen Situation insofern, dass herkömmliche Leuchtmittel mit ihrem Spektrum nicht beliebig beeinflusst werden konnten. Man kann jetzt besser experimentieren und tut es häufig mit "digitalen" Pflanzen. In dem besagten Artikel wird auch ein Versuch mit der Belichtung von Tomaten angeführt. Als ich das las, fiel mir ein, dass wir kaum noch Tomaten einkaufen, weil es kaum mehr Tomaten gibt, die wie eine Tomate schmecken. Daraufhin habe ich den Artikel nach Hinweisen durchsucht, die auf Experimente mit dem Geschmack hinweisen. Leider keine gefunden. Es geht immer um die Biomasse, die man durch Belichtung gewinnt oder auch nicht. Daher der Tipp an die Forscher: Mal den Zusammenhang von Geschmack und Belichtung untersuchen. Bis dahin esse ich weiterhin nur im Sommer Tomaten, wenn sie auf dem Balkon in der Sonne reifen.