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Von Beleuchtungsstärken und anderen Irrtümern

26.03.2024
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In den letzten Tagen habe ich einige Zeilen verfasst zu DIN EN 12464-1, die ihre Bestimmungen betreffen. Darunter finden sich zwei wichtige Aspekte: Beleuchtungsstärken an Decken und das Helligkeit-Konzept. In Wirklichkeit betreffen beide dieselbe Misere. Unsere Regelwerke zur Beleuchtung werden seit einigen Jahrzehnten praktisch nur von Leuchtenfirmen gemacht und diese interessieren sich meistens nur für das Beleuchten, aber nicht für die Ziele der Beleuchtung. Eine Beleuchtung ist kein Selbstzweck, sie ist Teil des Raumkonzepts. Und Aufgabe des Raumkonzepts ist es, die Arbeit darin zu unterstützen, zu fördern und erträglich zu machen.

Was trägt die Beleuchtungsstärke an der Decke einer Abflughalle zu der Arbeit in dieser bei? Was hat die Seh-Aufgabe der dortigen Arbeitenden mit der Gestaltung dieser Halle gemein?

Die zweite Frage wär: Warum beschreibt eine Norm, wie man mit Beleuchtungsstärken an den Wänden Helligkeit erzeugt? Wenn ich beide Fragen verbinde, wird die Sache noch wirrer: Warum gibt eine Norm Beleuchtungsstärken an der Decke einer Abflughalle vor, wenn die Helligkeit in dieser kaum etwas mit dem Licht an deren vier Wänden zu tun haben kann, weil diese paar Dutzend Meter entfernt sind?
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Zunächst zum Grund der Misere: Es ist grundsätzlich falsch, Helligkeit mit Beleuchtungsstärken erklären zu wollen. Licht bleibt unsichtbar, bis es auf Materie trifft. Wenn es das tut, erzeugt es eine Leuchtdichte. Allerdings hängt diese von den Reflexionseigenschaften der Materie ab. DIe Leuchtdichte einer dunkel gefärbten Decke bleibt gering, egal wie viel LIcht darauf geschickt wird. Wenn diese Decke aber selber (teilweise) leuchtet, muss sie nicht beleuchtet werden. Warum sagt uns die Norm das nicht, obwohl es jeder weiß?

Die Antwort einfacher Art wäre, die Industrie will das nicht. Die komplette Antwort ist, es ist zudem verdammt schwierig, mit Leuchtdichten umzugehen. Nur langweilige graue Flächen haben eine Leuchtdichte, die in allen Richtungen gesehen gleich bleibt. Alle realen Objekte weichen mehr oder weniger stark davon ab. Trotz aller Schwierigkeiten wird aber in der Straßenbeleuchtung seit über 50 Jahren mit Leuchtdichten gearbeitet (Bild aus Hentschel, 1972). Man kann ja einer Stadtverwaltung schlecht erzählen, die sollten den Asphalt aufhellen, damit die Beleuchtung funktioniert. Büroorganisatoren lassen sich aber gefallen, dass sie ihre Decken weiß streichen müssen. Warum sich Mühe geben, wenn keiner meckert?

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Warum muss man sich Gedanken über eine Beleuchtungsstärke an der Decke machen? EIne solche Frage war einst überflüssig, weil man wusste, dass eine dunkle Decke erstens die Blendung durch die Lichtquellen verstärkt. Und zweitens weil schon eine Ewigkeit gelehrt wird, dass eine angenehme und stabile Wahrnehmung einer gebauten Umwelt ausgeglichene Leuchtdichten im Gesichtsfeld erfordert. Dennoch fragte niemand danach, weil viele Leuchten so gebaut wurden, dass ihr Licht den gesamten Raum aufhellte. Das erste der Bilder rechts ist etwa 10 Jahre alt, das darunter 93 Jahre!
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Und dieses Bild zeigt ein heute übliches Büro mit modernster LED-Beleuchtung. Man wusste schon 1970, dass man eine solche Beleuchtung nicht betreiben sollte. Wer sie dennoch haben will, müsste extra Leuchten installieren, um die Decke zu beleuchten. Die neue Version von DIN EN 12464-1 erklärt warum und verlangt danach. Man wird sie aber so gut wie nirgendwo vorfinden. Aber fast überall die rechts gezeigte Lichtverteilung, wenn der Akustikberater sich in einem Haus ausgetobt hat! Egal wie viel Licht man hier erzeugt, Helligkeit bewirkt man damit nie.
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Eigentlich muss ich nicht mehr erklären, warum die Norm Beleuchtungsstärken auf den Wänden fordert. Wenn die Wände bloß da wären. In der ganz oben gezeigten Abflughalle kann man sich die Beleuchtungsstärken auf den Wänden schenken. In dem kleinen Kabuff, der eher einem modernen Büro entspricht, wären sie wirksam, so man sie installieren könnte. Da bei der Beleuchtung einer Arbeitsstätte alles von oben kommt wie in der Bibel, werden Leuchten, wenn überhaupt, oben an dem Deckenrand befestigt und heißen Wallwasher. Und sie könnten etwas Helligkeit spenden, wenn nicht der Innenraumgestalter auf edle Farben schwört wie hier gezeigt. Was nützt mir Beleuchtungsstärke, wenn das Licht auf Dunkel trifft?

Wenn einer wirklich hell will, muss er …

  • erstens die Leuchtdichten vorgeben und
  • zweitens deren Verhältnis zueinander,

denn Helligkeit ist keine physikalische Größe, sondern eine Empfindung, die sowohl von der Leuchtdichte als auch von deren Verhältnis abhängt. Wer nur Beleuchtungsstärken vorschreibt, erntet womöglich das, was rechts zu sehen ist. EIne normative Tabelle zu Beleuchtungsstärken bestand 1931 aus 12 Zeilen mit einer Spalte. Die Norm 12464-1 von 2021 ist 128 Seiten lang mit Tabellen, die 60 Seiten füllen und jeweils 9 Spalten haben, die 9 Anforderungen stellen. Wer die Tabellen liest, muss dazu nachgucken, ob da Bildschirme eingesetzt werden. Was er dann machen soll, steht nicht etwa in den 128 Seiten.

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Was wäre, wenn man eine KI das Büro beleuchten ließe?

25.03.2024
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Träumen darf jeder, wenn der Tag lang war. Nach neuesten Erkenntnissen der Lichtwissenschaft muss der Mensch aber während dieses Tages angemessen belichtet werden, damit der Schlaf gesund ist. Die Chronobiologen haben die Voraussetzungen für eine gesunde Belichtung sogar formalisiert: ≥ 250 lx mel-EDI zwischen 6:00 morgens und 19:00 Uhr (mehr hier). Ich habe mir einige Bilder aus vergangenen Jahren besorgt, die Umgebungen zeigen, die diese Bedingung etwa erfüllen könnten. (Dass man diese Arbeitsstätten nach 19:00 Uhr nicht mehr ohne Sonnenbrille betreten darf, sei nur nebenbei erwähnt.) Man kann die abgebildeten Büros mit Recht hell nennen, auch wenn sie der DIN EN 12464-1 nicht genügen, weil die Decken keine Beleuchtungsstärke aufweisen. Entweder haben die Designer die Beleuchtung Richtung Decke vergessen oder in der Norm steht Unfug. Das ist aber nicht das Thema.

Um die Tempel der künstlichen Helligkeit mit der gängigen Vorstellung von einem hellen Büro vergleichen zu können, habe ich jemanden gefragt, der es wissen muss. Seit einigen Monaten, also seit chatGPT in aller Munde ist, hört dieser jemand auf den Namen KI. Fragt man diese z.B. nach einer schönen Frau, malt die KI eine Collage aus Hollywood-Schönheiten zusammen. Sieht echt schöön aus. Also lasse ich sie für mich arbeiten. Sie soll mir ein helles Büro malen.
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Büroschlaf ist gesund

Das erste Büro, das ich zeige, war einst das Vorbild eines Großraumbüros. So stellte man sich die Simulation des Sonnentages in einem Gebäude vor.

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Modernere Nachfahren dieses Büros zieren manches Hochglanzmagazin für Lighting Design. Mein Herz habe ich an dieses verloren. Es nennt sich auf amerikanisch Cubicle Farm. Darin werden nicht etwa Eier gebrütet, sondern Ideen. Rechts und links geht es zu den Cubicles, in deren Zellen Denker sitzen.

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Was denkt sich die KI aus, wenn ich sie bitte, sie möge mir ein helles Büro zeichnen? 

-Ich denke, KI spinnt. Der Arbeitsschutz müsste ein solches Büro wegen Gefahr in Verzug sofort schließen. Nicht nur dass die Beleuchtungsstärken an Decken fehlen. Wo bleibt die Gleichmäßigkeit? Hell heißt doch, dass in Richtung jeder Wand eine Beleuchtungsstärke sein muss. Und nun das!

Wer dieser Tage in der Zeitung seltsame Nachrichten liest, die davon berichten, dass Unternehmen wie die Deutsche Bank dafür kämpfen, dass ihre Angestellten bitte, bitte zurück ins Büro kommen, könnte sich mit meinen Bildern einen Reim darauf machen. Heute stand im Berliner Tagesspiegel, dass die Firma Allianz es bei 4 Tagen Präsenz gut sein lässt. Im Monat.

KI-Träume und lichttechnische Normen

21.03.2024
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Anders als sich der freie Bürger vorstellt, auch mal ohne Normen leben zu können, wird unser Dasein von Normen bestimmt. Beispiel dieser Blog. Dass jemand diese Zeilen lesen kann, verdanken wir …? Wenn die Geschichte nicht in der Steinzeit anfangen soll, wo der Hammer erfunden wurde, fangen wir bescheidener bei Siemens an. Ohne seine Dynamomaschine hätten wir keinen Strom. Aber auch mit dieser Maschine hätten wir keinen, wenn es keine Normen der Elektrotechnik gegeben hätte. In 1896 veröffentlichte die Elektrotechnische Zeitschrift (ETZ) den Vorläufer der heutigen DIN VDE 0100 „Errichten von Niederspannungsanlagen“. Die Quelle, an der ich diese Weisheit getankt habe, erzählt, die Normung sei viele tausend Jahre alt. In jüngster Zeit , etwa 1000 v.Chr. habe die Bibel, also Gott, ein Wörtchen für die Normung eingelegt: „Ihr sollt nicht unrecht handeln im Gericht, mit der Elle, mit Gewicht, mit Maß. Rechte Waage, rechte Pfunde, rechte Scheffel, rechte Kannen sollen bei euch sein […]“ (3. Buch Mose, Kapitel 19, Vers 35-36).

Lange nach Gott hat ein Tim-Berners Lee das WWW erfunden und postuliert, dass jeder möge in den Stand gesetzt werden, im Internet zu kommunizieren, d.h. zu lesen und zu "posten". Viele tausend Normen später, sind wir recht nahe bei dem Ziel angelangt. Nicht nur Deutsche können ihre komischen Schriftzeichen mit Ober- und Unterlängen - fast komplett - abbilden. Ich sage fast, denn wenn sie ihr häufigstes Schriftzeichen " " (so gut wie nichts) im Namen einer Datei benutzen, wird es entweder gekürzt und aus "Mein Allerliebster" wird "MeinAllerliebster". Was zu verschmerzen wäre, weil man im Mittelter das Leerzeichen auch nicht kannte. Aber gewöhnlich wird die Leerstelle durch   ersetzt. So las sich der Titel eines Dokumentes, das ich gestern bekam
NA023BR N1054 Vorschlag  Name, Arbeitsgebiet und Arbeitsweise des NA 023 BR-02 SO (NA 023 BR-02 SO N 4)

Ungewollt habe ich gerade demonstriert, was eine fehlerhafte Normung produziert*). Die korrekte Normung (hier gemeint UNICODE) hat 1.114.112 Codepunkte, wobei derzeit über 96.000 Codepunkten ein Zeichen zugeordnet ist. So können Sie gerne Nagari oder Hmong schreiben oder gar in Altanatolischen Hieroglyphen. Ihren letzteren Text können sie Cypro-Minoan übersetzen, um festzustellen, ob die Minoer (Kreta) über Zypern die Hieroglyphen der Anatolier beeinflusst haben können. Aber ein simples Leerzeichen in einen Dateinamen in Englisch können Sie nicht einfügen.
*) Die Zerstörung des Layouts oben ist entstanden, weil meine Anwendung auch in der gleichen Sprache geschrieben ist.
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Die so unwahrscheinlich erfolgreich erfolglose Normung setzt auf AI, das ist der Ursprung von KI wie künstliche Intelligenz. Bislang wurden Normen von natürlichen Intelligenzen geschrieben, die sich zu einer mehr oder weniger intelligenten Gruppe namens Ausschuss zusammensetzten, um eben eine Norm zu verfassen. Keine Sorge, ich wiederhole nicht den genormten Witz, dass der Name des Gremiums Programm sei.

Wo KI unbestritten erfolgreich ist, beim Übersetzen, habe ich die Begriffe aus dem Quiz vom 17.03.2024 mir übersetzen lassen. Bingo. So wurde "Mindestwert der mittleren Beleuchtungsstärke an Decken" übersetzt als "Minimum value of average illuminance on ceilings". Die Übersetzung ist sogar korrekter als das Original. Selbst mein Kandidat fürs Scheitern "Sichtbarkeit der Sehaufgabe" wurde perfekt übersetzt. Diesen Kandidaten hatte ich ausgewählt, weil der Ausschuss, der diese Begriffe benutzt hat, die Sehleistung auf eine lustige Art definiert hatte: Sehleistung = "Leistung des visuellen Systems, wie sie beispielsweise durch die Geschwindigkeit und die Genauigkeit gemessen wird, mit welcher eine Sehaufgabe gelöst wird." Wie man Mathe-Aufgaben löst, wusste ich als Schüler, aber wie man Sehaufgaben löst? Die muss man erst einmal sichtbar machen. Muss man deswegen die Beleuchtungsstärke an Decken festlegen und die mitteln?
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Da ich die Frage nicht selber beantworten konnte, rief ich einen Kollegen an, der so Einiges an tollen Beleuchtungsprojekten erfolgreich hinter sich gebracht hat. Doch diesem war noch nicht aufgefallen, dass man Beleuchtungsstärken an Decken planen muss. Zwar wusste jeder Lichtplaner auch ohne Norm, dass die Decke - wovon auch immer - nicht dunkel sein darf. Aber seit der Erfindung der Deckeneinbauleuchte kam keiner auf die Idee so etwas zu verlangen.

Zu Beginn musste auch keiner eine Beleuchtungsstärke an der Decke vorgeben. Denn die Decken waren recht großflächig mit Leuchten belegt. Da musste niemand sie extra beleuchten. Deren Leuchtdichten waren gering, und sie blendeten deswegen nicht. Die Malaise begann, als die Lampen "effizienter" wurden. Sie wurden immer kleiner im Durchmesser. Es half nicht, dass man davor warnte, weil der Blendindex mit dem Quadrat der Leuchtdichte ansteigt. Das Bild rechts zeigt, in welchem Verhältnis die Lampen geschrumpft sind. Man muss dieses nur quadrieren, um die Zunahme an Blendung zu berechnen. So etwa 400 Mal. Glatte Decken, in die die Leuchten eingebettet wurden, damit die Klimatisierung gut funktioniert, wurden Anfang der 1970er Jahre Standard. Die gesamte Technik des Bürohauses sollte in der Decke installiert sein. Die Decken gibt es übrigens immer noch. Schlechtes Licht, um gute Luft zu bekommen, das ist doch ein Deal?

Dann kam die Computertechnik… Koaxkabel, die an den Decken herunter baumeln, sind zwar in Labors kein Problem, aber Büromenschen mögen sowas nicht. Zudem musste man eine Lösung für die Spiegelungen finden. Denn die ersten Bildschirme soiegelten selbst im Lichtlabor. Da kam die Industrie auf die famose Idee, statt einer Entspiegelung der Bildschirme eine entspiegelte Beleuchtung zu erfinden und zu normen. Dazu findet man in diesem Blog einiges (hier und da und dort), aber keine Loblieder. Was ich vermieden habe zu behaupten, ist dass solche Beleuchtungen verboten gehören. Nicht weil ich es will, sondern weil die gültige Beleuchtungsnorm DIN EN 12464-1 für fast alle Arbeitsräume Beleuchtungsstärken an der Decke verlangt. Das ist doch Stand der Technik! Oder?
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Wenn das alles wäre! Nicht nur alle Beleuchtungen mit Einbauleuchten gehören verboten, sondern noch viel mehr. Denn DIN EN 12464-1 beschreibt zwei alternative Verfahren, mit denen die Beleuchtung optimal wird. Der Einfachheit halber führe ich das von Govén an. Der hat auf der 28. Session der CIE in Manchester (Datum nur Eingeweihten bekannt) erzählt, dass die Beleuchtung der Umgebung wichtig sei. weil die die Helligkeit bestimmt. Und die Helligkeit sowieso wichtig ist. Um diese zu berechnen, muss man die Beleuchtungsstärke auf allen vier Raumwänden und an der Decke messen und natürlich erst jede für sich mitteln, um sie dann noch einmal zu mitteln und danach durch fünf teilen. Dann hat man die "mean ambient illuminance", auf Deutsch "mittlere Beleuchtungsstärke der Umgebung". Dumm nur, dass in Deutschland eine der vier Wände mit Fenstern bestückt ist. Da fliegt das Licht zum Fenster hinaus. Die fünfte Fläche, der Fußboden trägt zur Helligkeit wenig bei, weil man ihn aus praktischen Gründen dunkel macht. Zudem:  Wer sieht den Fussboden eines Büros, wenn er an einem Tisch mit einem oder mehreren Bildschirmen sitzt?

Aber lassen wir die Theorie Theorie sein und gucken uns die Physik eines Arbeitsraums an. Die Beleuchtungsstärken auf den Wänden sind Vertikalbeleuchtungsstärken, also fiktive Werte, weil die Erzeuger, die Leuchten fast nur an der Decke angebracht werden. Wo die Leuchten sitzen müssten, um eine Beleuchtungsstärke Richtung Decke zu erzeugen, muss man nicht lange suchen. Etwa auf dem Fussboden oder zwischen diesem und der Decke. D.h. das sind abgehängte Leuchten. Wenn die Räume aber nur 2,50 m hoch sind und die Decken glatt, wird es schwer damit. Der Büroraum rechts im Bild ist etwa der "Stand der Bürogestaltung". Zudem gilt die Überlegung wohl nur für Räume. die dem Kasten ähnlich groß sind, den ich gezeichnet habe. Wenn die Bude nicht 20 m2 groß ist, sondern 200 m2, kann man die Beleuchtungsstärke an den vier Wänden und der Decke steigern wie man will, es wird nicht hell darin. Nicht umsonst sind Industrieleuchten fast alle Deckenleuchten. Sogar die unverdächtigen Stehleuchten für die vollkommen indirekte Beleuchtung sind Quasi-Deckenleuchten, weil sie die Decke als Reflektor benutzen.

Dem Herrn Goven wäre anzuraten, sich die Umgebung aus der Sicht eines arbeitenden Menschen anzusehen. Für den wird die Helligkeit durch die Bildschirme und Tische bestimmt, ggf. durch senkrechte Flächen wie Stellwände. Das aber war nicht mein Punkt. Ich frage mich, wie oben ausgeführt, wo die Leuchten installiert werden sollen, die Vertikalbeleuchtungsstärken auf den Wänden optimal erzeugen? In allen Büros, die ich kenne, hängen die alle an der Decke. Und wenn sie nicht dort hängen, stehen sie darunter. Das ist kein Naturgesetz, aber eine zwangsläufige Folge der Bürohausarchitektur (siehe das Konzept der "Haut-und-Knochen-Architektur von Mies van der Rohe oder das Modulsystem für Büroraumdimensionen).

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Alt ist nicht alt

15.03.2024
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Die Betrachtungen zum Alter unserer Denke bezüglich der Indirektbeleuchtung (hier) haben zwei Dinge offen gelassen. Die erste Frage wurde nicht gestellt: Ist es ein Problem, wenn man heute so denkt wie 1924 der Herr Leffingwell? Die Antwort habe ich auch nicht geschrieben. Aber viele denken, das sei ein Problem. Die zweite Frage muss ich aber behandeln: Warum wurde Prof. Hartmann geglaubt, obwohl er ziemlichen Unsinn geschrieben hatte?

Die Antwort darauf lässt sich nirgendwo finden. Sie ist aber eindeutig zu formulieren. Allerdings hat sie weder mit Hartmann direkt zu tun noch mit der Lichttechnik. Es liegt in der Natur der Sache.
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Leute, die eine Beleuchtung realisieren müssen, können nur eine erstellen. Und das unabhängig davon, was sie sind. Techniker, Elektriker, Künstler … Es gibt aber grundsätzlich drei Arten der Beleuchtung, die wir mit direkt bis indirekt bezeichnen. Wer sich nun Gedanken machen muss, welche der Möglichkeiten die bessere (oder beste) wäre, lässt sich beraten, so etwa von einem Wissenschaftler. In unserem Fall heißt dieser Hartmann und sagt folgendes:

"Es erhebt sich die Frage, welcher Art der Beleuchtung für verschiedene Tätigkeiten anzustreben ist. Das lässt sich verhältnismäßig einfach beantworten":Der Techniker kann damit noch nichts anfangen. Was er machen sollte, steht kurz dahinterWie dieser Kompromiss in einem realen Fall aussehen soll, folgt zugleich, z.B.wenn man ein Büro beleuchten sollWas tun dann Leute, die möglichst eine Beleuchtung für Alle im Sinn haben? Die lesen dies

Der Fehler liegt also nicht in der Quelle, sondern bei den Leuten, die aus einem Buch nur das lesen, was ihnen nützt und den Rest einfach ignorieren. Praktisch dasselbe war mit einer Empfehlung von mir zu Arbeitsplatzleuchten - auch Tischlampen genannt - passiert, deren Wirkung an Bildschirmarbeitsplätzen ich in vielen Betrieben untersucht hatte. Ich hatte von deren Einsatz abgeraten, weil ich mehrere Nachteile ermittelt hatte. Diese habe ich alle aufgezählt. Der Ausschuss, der darüber befinden sollte, hat daraus eine weise Empfehlung formuliert:

"Einzelplatzbeleuchtung (Verwendung von Tischleuchten) an Bildschirm-Arbeitsplätzen ist im allgemeinen zu vermeiden."

Das stand aber dort nicht alleine, sondern mit einer Erklärung, woher denn die Weisheit herrührt: "Einzelplatzbeleuchtung führt durch den damit verbundenen ständigen Wechsel zwischen Hell- und Dunkel-Adaptation, durch unausgewogene Leuchtdichteverteilung im Arbeitsbereich und gegebenenfalls größere Wärmebelastung am Arbeitsplatz zu erhöhten Belastungen der Beschäftigten." Damit weiß jeder, wann man Tischleuchten dennoch verwenden kann, obwohl man dies im allgemeinen vermeiden soll. Übrigens, Leffingwell hat zu den Tischleuchten etwa die gleichen Argumente vorgebracht. Vor etwa 100 Jahren.

Passiert ist mit allen drei Quellen - Leffingswell 1927, Hartmann 1977, und mein Argument 1980 -: Man las nur das Passende. Die lichttechnische Industrie hat den Kenntnissen von Hartmann zum Trotz eine Direktbeleuchtung als Allgemeinbeleuchtung genormt und dazu behauptet, Tischleuchten seien an Bildschirmarbeitsplätzen verboten. Von Leffingwell redet sie lieber nicht. Das liegt ja sooo weit zurück, dass er unmöglich das Richtige gesagt haben kann. Hat er aber!

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Wie alt ist unser Wissen zu Beleuchtung?

15.03.2024
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Dumme Frage. Es kann nicht so alt sein, da wir noch viel zu wissen haben, was die LED angeht. Und was dazu schon bekannt ist, ist nagelneu – meistens. So denkt man überhaupt in der Technik. Man redet und diskutiert das Neueste und vergisst, dass das Gesetz von der Hebelwirkung von Archimedes stammt. So etwa aus dem Jahr 230 v-Chr. und aus einem Land, das wir mit der Mafia in Verbindung sehen. Kulinarisch Gebildete denken eher an die Zitrone, die aus unerfindlichen Gründen nur dort so aromatisch gezüchtet wurde, auf Sizilien.

Ich bin über eine Information im Baunetz zu einer Beleuchtung gestolpert, die ich sehr gut kenne. Zu ihrer Durchsetzung in der Praxis habe ich viel beigetragen. Aber nicht durch Überreden der Benutzer, sie sei ach so schön. Ich habe lediglich das Erlebte von Menschen erfasst und verbreitet. Die Rede ist von der Indirektbeleuchtung, über die ich heute diese Information gefunden habe (illustriert mit dem Bild rechts):

"Ein möglicher Nachteil liegt in der verminderte Schattenbildung, die zu einer verunklärten Raumwahrnehmung führen kann." (sic!)

Bitte das Bild und den Text abgleichen: Verminderte Schattenbildung führt zu einer verunklärten Raumwahrnehmung! Text und Bild passen gut zusammen - wie Faust aufs Auge.

Kommt mir bekannt vor. Ich kramte in meinem Gedächtnis und im Bücherregal. Es dauerte nicht lange, bis die Quelle der Weisheit gefunden wurde:Eine Passage aus dem Buch von Prof. Erwin Hartmann "Optimale Beleuchtung am Arbeitsplatz" erklärt also, warum man nichts mit der Indirekbeleuchtung anfangen kann. Da geht das räumliche Sehen vollkommen verloren.. Das Buch war 1977 erschienen und so erfolgreich, dass die Bayrische Regierung Hartmann beauftragte, eine offizielle Studie dazu anzufertigen. Diese ist 1982 auf amtlichem Papier erschienen (Studie „Beleuchtung am Arbeitsplatz“ des Bayrischen Staatministeriums für Arbeit und Sozialordnung)
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War das wirklich die Quelle? Hat das der selige Professor Hartmann selbst ermittelt? Kann er nicht. Denn die vollkommen indirekte Beleuchtung kann in der Praxis niemand erzeugen. Der einzige Ort der Welt, wo es so etwas gibt, ist eine Ulbrichtsche Kugel. Sie ist komplett weiß angestrichen und wird für eine Messung immer geschlossen. Da das Licht auch dann nicht immer vollkommen gestreut ist,  gibt es in jeder Ulbrichtschen Kugel eine Glanzfalle.

Wie kommt aber Hartmann dazu, zu behaupten, dass das räumliche Sehen vollkommen verloren geht? Er meint, weil alles Licht auschließlich durch einfache oder mehrfache Reflexion erzeugt wird. Oh je, das Licht wird durch die Wände erzeugt. Ein Professor für Sehphysiologie erzählt, dass das Licht erstens vollkommen gestreut sei und zweitens durch die Wände erzeugt.
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Warum die Lichttechnik dem Herrn trotzdem immer glauben wollte, erzähle ich ein andermal. Es lag daran, dass man seine Weisheiten scheibchenweise zitiert oder übernommen hat. Die nicht passenden Stellen wurden gefliessentlich übersehen. Das ist aber eine andere Geschichte.

Bleiben wir dabei. Ein Professor schreibt in einem Buch zur optimalen Beleuchtung für Arbeitsplätze, dass eine Beleuchtungsart so unwirtschaftlich sei. Abgesehen davon, dass sich Wissenschaftler besser vom Thema Wirtschaftlichkeit fern halten sollten, muss Hartmann einen Grund dafür haben. Ich kannte ihn gut, und er gehörte nicht gerade zu den Dümmsten. Das Gegenteil war der Fall.
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Bei der Suche fand ich ein Dokument, das die Sache aufklärt. Es steht nicht in der Bibel, die im Kapitel Genesis mit Licht anfängt. Aber nichts geringeres als das. Es steht im CIE Wörterbuch der Lichttechnik. Da liest man, indirekte Beleuchtung mit Leuchten erzeugt wird, deren Licht zu 0% bis maximal 10% die Nutzebene erreicht.(sic!) Da dies wohl kaum jemand glauben wird, habe ich den Passus in Faximile eingefügt. Falsch ist die Definition nicht, nur missverständlich. Alle 100 % des Lichtstroms, der auf der Nutzebene ankommt, stammt aus der Leuchte. Es kommt nur auf Umwegen dort an.Es fehlen hier zwei Dinge. Das eine ist, dass die 0% bis 10% den Anteil meinen, der direkt die Nutzebene trifft. Das zweite ist, dass die Nutzebene nicht der einzige Ort in einem Raum ist, der beleuchtet werden will. Baut einer Scheinwerfer, ist die Definition vollkommen in Ordnung. Alles Licht, das nicht das Ziel trifft, ist verloren. Es kann sogar schädlich sein, weil das Verlorene – Streulicht – dem Feind verrät, wo die Flak sitzt. Also: Alles Licht, was nicht in die Nutzebene fällt, ist verloren! Und das ist unwirtschaftlich. Wenn man sich in einen Raum setzt, wo die Beleuchtung nur die Nutzebene trifft, erkennt man schon nach Minuten, was das für ein Unsinn ist. Die Denke wäre richtig, wenn man für die Sehaufgabe eine andere Beleuchtung hätte als für den Raum. So etwas gibt es, z.B. in Opernhallen oder an Arbeitspätzen mit diffizilen Sehaufgaben. Üblicherweise redet der Lichttechniker bei Arbeitsstätten von einer Sehaufgabe, weil er nur eine Beleuchtung hat.
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Seit wann diese Definition besteht, kann ich nicht mehr feststellen. Mein Exemplar ist von 1987. Mein wichtigstes Standardwerk zu “Licht und Beleuchtung – Theorie und Praxis der Beleuchtungstechnik” von H.-J- Hentschel aus dem Jahre 1972 kennt nicht einmal das Wort indirekt,  Beleuchtung schon gar nicht. Dazu muss man wissen, dass Hentschel nicht nur der Leiter des Siemens-Leuchtenwerks war, sondern auch der Obmann vom Fachnormenausschuss Licht, als dieser die Beleuchtungsnormen für Deutschland schrieb. Seine Firma war die Nummer 1 der Branche. Und kannte Indirektbeleuchtung nicht!

Und die Nummer 2? Das war damals die AEG. Sie versuchte, in der Nutzebene 4000 lx zu erreichen. Also geht das nicht mit der Indirektbeleuchtung? Aber nicht doch! In deren Labor in Hameln habe ich die Testanlage gesehen. Da war der Himmel voller Leuchten, und zwar Direktleuchten. Wenn man aber eine Decke voller direktstrahlender Leuchten erstellt, wirkt diese wie eine Indirektbeleuchtung, wenn sie gleichmäßig hell ist. Ihre Leuchtdichte ist - gleichmäßig - gering. Vielleicht deswegen hat die AEG Lichttechnik nicht viel über die Indirektbeleuchtung geschrieben oder hinterlassen. Ich kenne aber leuchtende Decken in alten Kraftwerkwarten, die die AEG erstellt hatte. Sie wirken fast wie Indirektbeleuchtung. Oder ganz. Also kann die AEG nicht die Quelle des Unsinns sein. Ich denke, diese ist schlicht die Leuchtenklassifikation nach der Schwerkraft. Nach einem ungeschriebenen Gesetz fällt alles Licht von der Decke schnurstracks auf den Tisch, bzw. den Teppich daneben. Genau 85 cm über dem Teppich befindet sich die unsichtbare Arbeitsebene. Leuchten, die oben an der Decke angeschraubt sind, schicken alles Licht in diese. Wenn man sie um 180º dreht und irgendwo weiter unten befestigt, heißen sie indirekt und werden plötzlich unwirtschaftlich. Ganz so geheuer ist mir die Erklärung nicht.
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Also weiter zurück kramen in der Geschichte der Lichttechnik, um die Quelle zu finden, wo die Weisheit über den wichtigsten Mangel herkommt. Warum die unwirtschaftlich sein soll, hatte Hartman ja schon erläutert. Wände sind beim Erzeugen von Licht nicht allzu effektiv. Scherz bei Seite, was ist denn wirtschaftlich? Vor allem an dem Faktor Wirtschaftlichkeit erkennt man, dass es sich um eine hohle Phrase handelt. Denn Wirtschaftlichkeit bedeutet im Allgemeinen „Übereinstimmung mit dem Prinzip, mit den gegebenen Mitteln den größtmöglichen Ertrag zu erwirtschaften oder für einen bestimmten Ertrag die geringstmöglichen Mittel einzusetzen”. Das bedeutet, dass man die Wirtschaftlichkeit einer Beleuchtung nur in Verbindung mit der Erfüllung der Aufgaben bestimmen kann.

Da die Pundits der Lichtwissenschaft das Wort Wirtschaftlichkeit nie im Sinne des Begriffs Wirtschaftlichkeit benutzen, kann man alle diesbezüglichen Phrasen in die Tonne treten. Keine einzige Beleuchtung ist wirtschaftlich, wenn man sie für sich betrachtet. Sie ist nicht einmal teuer oder billig. Jeder Pfennig, den man überflüssigerweise ausgibt, ist einer zu viel. Ohne eine Sehaufgabe sind das alles Aufwendungen. Für ein Unternehmen ist etwas wirtschaftlich, wenn der monetäre Nutzen die Kosten in einem angemessenen Zeitraum wieder einbringt. Egal wie teuer es auch sein mag.
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Ich musste sehr weit in der Geschichte zurückblättern, um an die vermutlich wahre, Quelle der Denke über die Indirektbeleuchtung zu gelangen. Sie könnte dies sein: Leffingwell, W.H.: Office Management Principles and Practice, A.W. Shaw Company, Chicago New York, 1927. Darin beschreibt er, dass es drei Arten Beleuchtung gibt:

• Direktbeleuchtung
• Direkt-/Indirektbeleuchtung und
• Indirektbeleuchtung

Leffingwell schreibt, dass die Direktbeleuchtung nicht nur den geringsten Stromverbrauch hätte, sondern auch die höchste Beleuchtungsstärke bei geringstem Stromverbrauch. Sie würde aber Blendung und Reflexionen verursachen. Komplett indirekte Beleuchtung zeichnet sich laut Leffingwell durch eine Blendfreiheit aus. Das Licht wird gut gestreut und entspricht in dieser Hinsicht Tageslicht. Dennoch plädiert Leffingwell für eine "semi-indirect lighting". Sie würde nicht so scharfe Schatten produzieren. Denn die "komplett indirekte" Beleuchtung würde stark an mangelnder Pflege leiden (Verschmutzung). Es wäre aber kein Problem, dies zu bewerkstelligen, weil die nur wenig koste. Dasselbe mit anderen Worten habe ich als Student in der Lichttechnik Vorlesung gehört, später bei der Diskussion des Wartungsfaktors mit Fachleuten, noch später bei der Normung von Beleuchtung …

Nicht nur bei der Indirektbeleuchtung haben wir es mit uralten Erzählungen zu tun, die auch durch seriöse Wissenschaftler am Leben erhalten wurden. Das Erbe der 1920er und der 1930er Jahre bestimmt viel von unserem wissen über Licht von heute.

"Ein möglicher Nachteil liegt in der verminderte Schattenbildung, die zu einer verunklärten Raumwahrnehmung führen kann." (sic!)

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