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Kann man Licht für sich allein bewerten?

 

Ganz sicher nicht. Die Bilder zeigen es. Man sieht Licht in Farben, und Farben sieht man im Kontrast. Das wissen alle, die sich mit Licht und Farbe beschäftigen. Warum versucht aber die oberste Etage der lichttechnischen Vereine der Welt einen Standard zu schaffen, der die vorteilhaften Wirkungen von Licht allein betrachten will?

Der Himmel weiß warum. Ich ahne es nur. Ein ThinkTank, oder sagen wir mal bescheidener, ein Beratungsunternehmen hat denen eingetrichtert, Licht sei nicht nur zum Sehen da. Es hätte viele andere Wirkungen. Das haben zwar schon die Alten Römer gewusst. Aber deren Licht war ein anderes. Wie denn das? Ist die Sonne damals im Westen aufgegangen? Sie denkt nicht daran, sich die Mühe zu machen, um Menschen zu überraschen. Die geht zwar jeden Tag etwas später auf, wenn es Winter wird, und früher, wenn es gen Sommer geht. Aber alles bleibt beim Alten und so steuert die Sonne die Lebensläufte von Tier und Pflanze. Der Wolf wie der Spinat wissen, wann es Tag wird oder Nacht. Menschen nicht mehr. Sie haben das künstliche Licht erfunden.

Und so künstlich wie das Licht ist, ist auch seine Definition. Licht ist, was eine Sehempfindung hervorruft. Und Tageslicht? Derjenige Teil der globalen Strahlung, der eine Sehempfindung hervorruft. Und diesen Teil der Sonnenstrahlung hat weder der Wolf, noch der Spinat, noch jemals ein Mensch für sich allein erlebt. Die Weisheit, was Tageslicht sein soll, steht in einem Wörterbuch der Lichttechnik, und das schon lange. Kommt aber nie ans Tageslicht, denn dummerweise guckt da niemand hinein, weil es davon nur wenige Exemplare weltweit gibt. Jetzt schreibt man einen Standard, damit es jeder lernt.

Nur dumm, dass selten jemand etwas lernen will, was ihm seine Gene anders erzählen. Jede Körperzelle besitzt mehrere innere Uhren, die sich am Lauf der Sonne orientieren. So arbeitet die Leber zwar im Tagesrhythmus, aber zeitverschoben zum Magen. Wer es wissen will, was das bedeutet, kann mal die Alkoholration, die nachts bei ihm zur Erheiterung führt, zum Frühstück einnehmen. Da Milliarden von Zellen jeweils mit inneren Uhren ein ziemliches Chaos bedeuten, gibt es einen Masterclock, der im Gehirn sitzt. Und den steuert die Sonne.

Biologen, die sich mit dem Thema beschäftigen, haben herausgefunden, dass man den Tagesrhythmus mit nächtlichen Lichtbeigaben ändern kann. Eigentlich ist die Erkenntnis so neu auch nicht. Jeder, der nachts durch ein Licht geweckt wird, braucht eine Menge Zeit, um wieder einzuschlafen. Am nächsten Tag ist sein Körper zuweilen aus dem Ruder gelaufen bzw. fühlt sich an wie gerädert. Und ob man sich gestört fühlt durch ein Licht so um 22:00 Uhr, hängt von der Jahreszeit ab. Im Sommer ist um diese Zeit Abend bei uns, später Nachmittag am Nordkapp und tiefe Nacht in den Tropen. Nicht umsonst ist der Artikel "Wie lange dauert die Nacht" (hier), den ich vor zehn Jahren mitten in der Polarnacht in Tromsø geschrieben hatte, der meistgelesene in diesem Blog. Wie sich die Jahreszeiten auf unseren Masterclock auswirken, wissen die Biologen hingegen nicht so genau. Sie heißen nämlich Chronobiologen und beschäftigen sich vornehmlich mit dem, was ein Chronometer anzeigt, mit der Tageszeit. Was der Kalender anzeigt, die Jahreszeit, bleibt hingegen unterbelichtet. Kein Wunder, ein Forschungszyklus würde ja 365-mal so lang sein wie bei der Tageszeit.

Anders als Chronobiologen, die sich mit Körperrhythmen allgemein beschäftigen, also circadian, circannual, ultradian, infradian etc., haben sich die Lichttechniker auf die circadiane eingeschossen. Das ist sicher lohnend. Ändert man die circadiane Rhythmik entgegen den biologischen Gegebenheiten, z.B. durch eine Schichtarbeit, stört man die Gesundheit. Ergo: man kann - könnte? - biologisch wirksames Licht produzieren, das das Gegenteil bewirkt, also gesund macht. Das ist keine Theorie mehr, man benutzt es seit langem in der Therapie, auch in der Psychiatrie.

Darf man etwas, was in der Therapie wirksam ist, auf gesunde Menschen anwenden? So etwa Antibiotika? Gott verhüt's. Es reicht, wenn die Hühner das Zeug fressen und mit auf die Pfanne bringen. Aber es gibt tausend andere Dinge zwischen Therapie und gesunder Prophylaxe, so etwa Vollkornbrot oder rohes Gemüse. Ob man die zum Stärken des Zahnbetts nimmt oder zur Linderung einer Erkrankung, ist egal. Es nützt. So könnte man durch Einwirken auf den circadianen Rhythmus mit Licht positive Effekte hervorrufen. Die Gretchenfrage ist, kann man das auch? Und: wenn man mit künstlichen Mitteln eine circadiane Wirkung hervorruft, was sagt der längerfristige Rhythmus, der circannuale, dazu?

Davon will die Lichttechnik nichts hören. Mir hat ein internationaler Experte offiziell geschrieben, ich müsse in einem normativen Werk das Wort circarhythm* in circadian ändern. Seitdem ist der Experte bei mir abgemeldet. Wer Licht allein ohne die Materie, die es sichtbar macht, beurteilen möchte, handelt gegen jede Erfahrung in der Physik und auch in der Psychologie. Man versucht, den lichten Tag nachzuahmen. Fragt sich aber nicht, welchen. Vor allem drückt man sich vor der wahren Gretchenfrage: was machen wir mit der Nacht, die die Menschen zum Tage gemacht haben?

*Circarhythm umfasst Körperrhythmen, die etwa - daher circa - den physikalischen entsprechen. Aber halt nur etwa. Zeitgeber synchronisieren diese auf die exakten Zeiten. So der circadiane Rhythmus auf 24-h durch die Sonne. Bei circannual fällt mir der Synchronisator nicht auf Anhieb ein. Vielleicht Weihnachten?

 

Hat das Tageslicht überhaupt einen Wert?

Bekanntlich kostet das Tageslicht nichts. Deswegen scheint es so, dass es auch nichts Wert ist. So jedenfalls wenn man die gängige Praxis beurteilt, dass bei jeder Gebäudesanierung das Tageslicht irgendwie auf der Strecke bleibt. Vor einigen Jahren hatte Jacobiak eine Studie veröffentlicht, die dies in Zahlenwerte gepackt hatte. Grund ist, dass man versucht, Gebäude energetisch zu verbessern und dabei mal Fenster verkleinert, mal noch eine Lage Fensterscheibe hinzufügt. Was kaum jemand weiß, ist dass die neuen Fassaden das Licht nicht nur dämpfen, sondern auch noch qualitativ verschlechtern. Hinter manchem Super-Glas wird die Farbwiedergabe grottenschlecht.

Das Märchen, dass himmlische Licht nichts kostet, verdanken wir natürlich einer Milchmädchenrechnung. Und da wo manches Milchmädchen zu Hause ist, und die Kühe keine gute Farbwiedergabe brauchen, weil alle blau sind, habe ich eine interessante Studie gefunden, die den Wert des Tageslichts auf eine unschlagbare Art und Weise nachweist: Mehrwert für Häuser und Wohnungen, getrennt nach Mietobjekten und Kaufobjekten. Der Auftraggeber war kein Mäzen, sondern eine Firma, die Dachfenster verkauft. Da ich mehrere davon verbaut habe, brauche ich die Studie eigentlich nicht zur eigenen Überzeugung.

Die Untersucher haben in der Schweiz Objekte evaluiert, die durch mehr als nur notdürftige Luken ein schönes Aussehen bekommen hatten. Was sind die Nutzer bereit, dafür zu zahlen? Hier zur Ansicht die Tabelle für Einfamilienhäuser, die sich sehen lassen kann. wer mehr wissen will, und genauer, kann hier weiterlesen.

Häuser in der Schweiz sind kostbar. Wenn man mehr Tageslicht hinein lässt, werden sie kostbarer. Und Mieter und Häuslebauer lassen sich das Tageslicht was kosten.

 

Mehr melLux - weniger Anstrengung? Eine neue Zeitrechnung für die Beleuchtung

Nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, dass man bei "circadianen" Beleuchtung ruhiger, aber auch sehr viel leistungsfähiger werden soll, so etwa 35% bessere Lesegeschwindigkeit durch besseres Licht, fand ich einen Artikel in Licht (Heft 9/2020), das viel nüchterner klingt: "Gleiche Leistung bei weniger Anstrengung". Ich wunderte mich allerdings über die Umstände der Untersuchung, über die berichtet wurde. Man hatte kognitive Leistungen in unterschiedlichen Lichtsituationen und zu unterschiedlichen Tageszeiten untersucht. Ich las "241 lx" "128 lx" und "54 lx" als Beleuchtungsstärke.

Nach einer Weile löste sich das Rätsel der krummen Zahlen und der geringen Werte. Es soll sich um eine Helligkeit von 500 lx handeln. So steht es im Organ der LiTG. Da der Artikel keinen Autor hat, kann man das noch durchgehen lassen. Denn neuerdings werden Artikel auch mal von Robotern geschrieben. Was die Lux-Zahlen aber angeht, habe ich keine Möglichkeit gefunden, diese mit Word zu tippen, deswegen hier ein gescanntes Bild. Für alle, die sich wundern, was Angaben mit Index und Potenz bedeuten sollen, hier die gute Nachricht: künftig werden wir bei allen lichttechnischen Angaben Ähnliches erleben. Es ist so einfach zu verstehen, dass man sich wundert, warum man bislang nicht darauf gekommen ist. E steht wie immer für Beleuchtungsstärke, allerdings bezieht sich diese auf das Tageslichtäquivalent der CIE D65 und hat daher relativ wenig mit der Beleuchtungsstärke zu tun, die für Helligkeit sorgt. V steht für vertikal, die 500 lx gelten für horizontal (aber nicht für Helligkeit) und lux ist nicht Lux, weil ein Luxmeter nicht 128 anzeigen wird, sondern 500. Die 128 lux sind nämlich melanopisch. Daher der Index mel. Wie man zu melanopisch kommt? Frage Sie Ihren Lichtplaner. Der muss es wissen. Ob er weiß, warum das Tageslichtäquivalent nichts Äquivalentes für das Sonnenlicht bedeutet, kann ich nicht garantieren.

Und diese Größen werden so berechnet:

 

Wenn Sie wissen wollen, was kmel ist, müssen Sie diese Formel auflösen

Man wird natürlich fragen dürfen, was ein Mensch von soundsoviel mel hat? Fangen wir mit den 500 lux an. Dazu steht in Licht "entspricht der gängigen EU-Norm zur künstlichen Beleuchtung von Innenräumen auf der Arbeitsoberfläche." Anscheinend werden Studien aus Deutschland von Google Translate übersetzt. Eine EU-Norm zur künstlichen Beleuchtung von Arbeitsoberflächen wird es hoffentlich nie geben. Diese 500 lx dürfen laut Norm nie unterschritten werden. Also ist die Studie grenzwertig. Oder?

Erst grenzwertig scheint die Präzision, mit der manche Forscher die Ursache der Wirkung berechnen. Die wird Circadianer Stimulus genannt und mit CS abgekürzt. Circadianer Stimulus bedeutet, dass das Licht nicht nur die Beamtenpalme im Zimmer beleuchtet, sondern auch noch den Körperrhythmen zum Aufschwung verhilft. Und dieser wird, wie im gleichen Heft an anderer Stelle beschrieben, so berechnet:

Man hat bei der beschriebenen Studie etwas getan, was noch nie der Fall war, nämlich die Leistung unter der "gängigen" Arbeitsplatzbeleuchtung ermittelt. Offenbar ändert sich diese nicht bei unterschiedlichen und auch optimalen Lichtbedingungen, aber die "Leistungsanstrengung" mächtig. Nämlich um 2%. Das scheint wenig, aber kumuliert sich über Jahrzehnte "Als Momentaufnahme ist das Ergebnis nicht kritisch zu sehen, da die Effekte etwa 2% ausmachen. Da wir statischen Lichtbedingungen aber über Jahrzehnte unseres Arbeitslebens ausgesetzt sind, kumulieren sich diese kleinen Effekte zu relevanten Faktoren. Sie sind dann eine Frage der Ergonomie." Eigentlich wollen die Lichttechniker vermeiden, dass sich die Ergonomie mit Licht auseinandersetzt. Mir liegt ein offiziell-böser Brief vor, dass ich das auch als Leiter des zuständigen internationalen Ausschusses nicht darf.

Die Sache erinnert an die Kurve der Leistung des Menschen, die mit der Beleuchtungsstärke steil zunimmt, allerdings zwischen 300 lx und 1000 lx schlappe 1.5% und die Ermüdung nimmt 0,2 % ab. Wow! Wie haben die vor 70 Jahren Ermüdung so präzise gemessen, wo sie die Beleuchtung gerade mal mit dem feuchten Finger messen konnten? Und Ermüdung auf 0,2% genau? Scherz beiseite, dieses Bild hat es sogar in die Psychologiebücher geschafft. Dort kann man lesen, dass Beleuchtungsstärken über 1000 lx zu vermeiden sind, da dann die Ermüdung steil ansteigt. (Wer des Rätsels Lösung erfahren möchte, bitte hier lesen).

Wer die Studie unverhunzt lesen möchte, kann das hier tun: Influence of common lighting conditions and time-of-day on the effort-related cardiac response, Johannes Zauner et. al. Man sollte sich dabei nicht wundern, dass die experimentell gezeigten Effekte klein sind, denn man ist bei solche Experimenten froh, irgend etwas nachzuweisen. Das liegt nicht am Experiment, sondern am Experimentieren. Und an der Komplexität der Lichteinflüsse auf den Menschen. Man muss sich eher wundern, wenn deutsche Schulkinder durch blaues Licht plötzlich intelligenter werden als die von Burkina Faso - jedenfalls nach Pisa-Maßstäben.

 

 

Was die Sterne von Tucson sehen

Das GFZ in Potsdam hat eine sehr interessante Studie durchgeführt, die zeigen soll, wie viel des Lichts, das in den Nachthimmel entfleucht von den Laternen kommt, die sich den Mast in den Bauch stehen, um einen Fußgänger zu finden, dem sie heimleuchten können. Allein in Deutschland sind es 9 Millionen! Laternen, nicht Fußgänger.

Man kennt Tucson aus den Wild West Filmen. Dessen Affinität zu Rindern ist so hoch, dass es sogar einen Tucson Cut gibt, also einen spezifischen Schnitt von Steak aus der Hüfte. Die Rinderhüter schossen einst auch aus der Hüfte. Heute scheint die Stadt nachts so hell erleuchtet, dass die Marsmännchen wohl schlecht schlafen. Warum auch immer, die Forscher wollten wissen, welchen Beitrag die Straßenbeleuchtung zur Lichtverschmutzung der Kuppel unserer Welt beiträgt.

Vermutlich musste Tucson dafür herhalten, weil sich die Stadt in Arizona befindet, und das Land heißt so, weil die Spanier einst dachten, das wäre eine Wüstenzone. Ist es auch. Daher kann man nachts immer die Sterne sehen oder eben von denen gesehen werden. Dazu hatte man auch gefunden, dass Tucson eine "Smart City" ist, also ihre Beleuchtung nachts dimmen kann. (Anm.: Wir in Berlin konnten die Beleuchtung sogar nachts einzeln abschalten. Leider werden die Gaslaternen immer weiter abgebaut, an denen man mit einem Feuerhaken das Licht abschalten konnte. Dafür ging es tagsüber an. Deswegen Doof City.)

Satellitenbilder von nächtlich erleuchteten Orten und Straßen zeigen das Ausmaß der „Lichtverschmutzung“ auf der Welt. Nur: Wie viel des Lichts, das die Satelliten auffangen, stammt wirklich von Straßenlaternen und nicht aus anderen Quellen? Ein Team von Forschenden aus Deutschland, den USA und Irland hat diese Frage am Beispiel der US-amerikanischen Stadt Tucson zum ersten Mal beantwortet. Die waren aber nicht auf dem Golfplatz von Tucson, der nachts wunderbar erleuchtet ist. Warum die nachts so leuchtet? Das war nicht die Frage.

Die Studien sind hier und da zu lesen.

Ich weiß nicht, ob man sich über das Ergebnis freuen oder ärgern soll. Die Studien haben gezeigt, dass 26 % ±4% des Lichts, das man vom Himmel aus messen kann, von der Straßenbeleuchtung stammt.

Kann man davon etwas sparen? Vielleicht. Leider gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, was "Licht" und was "Verschmutzung" ist. Denn Straßenbeleuchtung kann man so oder so bauen. Ist sie vernünftig geplant und ausgeführt, sieht man vom Himmel aus nur beleuchtete Streifen, die man Straße nennt. Die Leuchten sieht man als dunkle Schatten. Wenn man von oben Leuchte sieht, ist die Beleuchtung eher Mist. Denn wozu strahlt eine Laterne Licht nach oben ab?

Vielleicht hätten sich die Forscher mit der LVK der Straßenlaternen von Tucson beschäftigen sollen. Denn das Licht von den beleuchteten Straßen ist keine Lichtverschmutzung, sondern Nutzlicht. Dass es leider nach oben entfleucht, ist unvermeidbar, weil sich die Augen der Beobachter immer höher befinden.  Dennoch finde ich das Ergebnis interessant. Wo kommen die 74%±4% Emissionen her, die den Mond erhellen? Beleuchtete Rinder strahlen die bestimmt nicht ab.

Corona verbessert Licht und Luft im Büro

Corona verbessert Licht und Luft im Büro? Kann doch nicht wahr sein! Doch, es wird besser durch Corona. Ich will kurz die Gründe erklären. Jeder oder  präziser gesagt, jeder zweite, der im Büro arbeitet, meckert irgendwie über Licht. Über Luft meckern etwas mehr Leute. Das sind über 60%. Man kann solche Zahlen zum Anlass nehmen, um böse Worte über die zu schreiben, die für Licht und Luft zuständig sind. Davon wird zwar weder das Licht besser noch die Bude luftiger. Aber gut, dass man darüber redet.

Man kann die Zahlen aber auch umgedreht ansehen, und sich die anderen 50% angucken, die nicht über Licht meckern, bzw. die 40%, der die Luft wunderbar schmeckt. Wie sehen deren Büros aus? Ich wette, die sehen geräumiger aus. Denn man kann eindeutig zeigen, dass die Luftqualität eine Frage des Luftvolumens ist, die einem zusteht. Nicht umsonst gab die Verordnung für Arbeitsstätten der Republik jedem einen Mindestluftraum, soll er arbeiten. Das waren mindestens 12 m3, notfalls 8 m3. Die Belastung des Luftraums kann man übrigens mit einem CO2-Messer feststellen. Wenn einer 12 m2 Bürofläche sein eigen nennt und luftige 3m Raumhöhe genießt, also 36 m3 Luft pro Nase, kann in der Bude ackern, wie er will. Der CO2-Pegel bleibt bei dem der Außenluft.

Wie sieht die Sache in einem Konferenzraum aus? Duster - die zulässige CO2-Konzentration von 1000 ppm (Pettenkofer-Wert) wird häufig nach 20 Minuten erreicht. Also lüften! Kommt einem bekannt vor. Derzeit wird in der Corona-Krise vorgegeben, die Klassenräume alle 20 Minuten zu lüften. Dort schlafen zwar keine Konferenzteilnehmer einer glücklichen Lösung des Problems entgegen, das den Gegenstand der Konferenz ausmacht, aber die ganze Bengelschar produziert ähnlich viel oder mehr CO2. In engen Büroräumen mit Überbelegung sieht die Sache nicht anders aus. Allerdings will kein Arbeitgeber jedem Mitarbeiter drei Lüftungspausen pro Stunde zugestehen. Auch Arbeitnehmer haben ihre Probleme damit, dass ihr Arbeitsfluss 20-minütlich unterbrochen wird. So dämmert manch einer im Büro vor sich hin - und weiß nicht wohin. Das ist aber kein gesunder Büroschlaf.

Den haben aber völlig unverdächtige Figuren verordnet. Die hört und sieht man nicht. Das sind die Büroplaner, die seit gut drei Jahrzehnten eine Verdichtung von Arbeitsplätzen betreiben. Also mehr Arbeitnehmer pro Quadratmeter Mietraum und mehr Belegung der Arbeitsplätze pro Stunde. Nennt sich Business Club. Leuten, die nie in einem Business Club gesessen haben, z.B. einfachen Betriebsräten, erzählt man, das sei ein modernes Bürokonzept. Nicht ganz falsch. Es ist die Umsetzung des Betriebs einer Lounge auf Flughäfen oder Bahnhöfen auf Büroarbeit: Es gibt eine bestimmte Anzahl Plätze, die man nehmen kann. Wenn einer seine Arbeit erledigt hat, geht man, und der nächste kommt. So verdoppelt man die Auslastung der Arbeitsplätze. Die rustikalere Form der Idee praktizieren die Frittenranches durch ungemütliche Möblierung. Wer sein Milchbrötchen mit was dazwischen gemampft hat, sucht die Weite.

Wenn man dazu noch die persönliche Fläche von 12 m2 auf 4 m2 reduziert, was technisch geht, hat man theoretisch die 6-fache Bürofläche zum selben Preis. Theoretisch. Fragt sich, was die so zusammengepferchten Mitarbeiter so leisten. Das ist nicht mein Job. Was ich tue, ist festzustellen, dass die Luft schlechter wird.

Luft schlechter? Was noch? Ach ja, mehr Mitarbeiter quatschen mehr. Und sie müssen immer häufiger. Hatte vor 50 Jahren jeder vierte ein Telefon, hat heute jeder mehr als eins. Bei meinem ersten Job arbeitete ich im Vertrieb und teilte das Telefon mit weiteren drei Kollegen. Heute telefoniert einer im Innendienst rund 30% seiner Zeit. Also?

Da kommt der Akustiker und baut überall Schallschirme auf. Die sollen den Lärm abhalten. Da sie aber sehr dumm sind, hindern sie auch die Luft daran, sich zu bewegen. Wenn das alles wäre! Auch das Licht darf sich nicht mehr so ausbreiten, wie es will. Es gibt Räume mit durchlaufenden Fenstern, in die das Tageslicht kaum noch hineinkommt. Und das Licht von der Decke darf sich auch nur zwischen den Schallschirmen ausbreiten. Hat Ihr Unternehmen ausnahmsweise Licht planen lassen, ist der Plan für die Katz.

Liebe Büromenschen, wenn Sie sich über schlechte Beleuchtung beklagen wollen, denken Sie daran, dass es für einen guten Zweck ist. Man spart unheimlich Geld damit. Da Ihr Arbeitgeber eigentlich Geld verdienen will und nicht Kosten sparen, hat er einen größeren Schaden davon. Wir hoffen nur, dass das böse Virus den Büroplanern nachhaltig in Erinnerung ruft, dass wir nicht emissionsfrei und immisionsresistent sind.

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