In Berlin sollen das "Festival of Lights" und die Aktion "Berlin leuchtet" helfen, Großstädter und Städtereisenden vor dem Oktoberblues zu bewahren. Wie schön! Wir sind schließlich nicht so mäuschengrau wie Hannover, nicht so weltdörflich wie München, und auch nicht so steif-grau wie Hamburg … Berlin ist (oder vielmehr war?) die "City of Lights". Dummerweise führt Wikipedia uns nicht darunter, dafür z.B. Curepipe als "La Ville-Lumière". Kennt einer Curepipe? Dafür kennt bestimmt jeder zumindest den Namen: "Bright Lights of Hollywood" bzw. Los Angeles. Auch Ohrid (wo ist das zum Teufel nochmal?) hieß schon in der Antike Lychnidos, was so viel wie "City of Light" bedeutet. Auch die Stadt, die Mohammed Asyl geboten hatte und so den Islam überhaupt ermöglicht, heißt "City of Lights", aber auf Arabisch: al-Madīnah l-Munawwarah, was allerdings nicht nur auf Licht hindeutet, sondern auch auf das Ergebnis: Erleuchtung.
Wieviel Erleuchtung hat uns unser "Festival of Lights" gebracht? Bitte ehrlich antworten:
Ich kenne Zeiten, da gab es weniger Gewusel, dafür mehr Atmosphäre. Ich muss allerdings gestehen, dass mein Urteil damals auch nicht so nett war:
http://healthylight.de/deutsche-geschichte-in-bonbonfarben/
Es soll Sprachen geben, bei denen Festival Durcheinander bedeutet …
Den Vorgang kennt jeder, der zur Unzeit Alkohol getrunken hat. Selbst Leute, die mehrere Schnäpse abends einsacken können, ohne dass ihr aufrechter und gerader Gang allzu sehr leidet, kippen morgens bereits nach einem Bier aus den Latschen. Geschuldet ist dies - oder wir verdanken es - der circadianen Rhythmik. Allerdings nicht der allgemeinen, sondern der speziellen.
Mittlerweile weiß so jedes Kind, dass der Mensch einen Tagesrhythmus hat, den das Licht bestimmt. Das ist die allgemeine Rhythmik, die den ganzen Körper betrifft. Das Licht beeinflusst dessen innere Zeit. Weitaus kniffliger ist indes, dass dieser Rhythmus nicht von jedem Organ getragen wird. Vielmehr hat jede Zelle eine eigene innere Uhr. So arbeiten z.B. die Leberzellen ("Die Leber wächst mit ihren Aufgaben") zwar in dem vorgegebenen Rhythmus, haben aber eine andere Zeit. Auch andere Organe achten sehr selbstbewusst auf ihre eigene Zeitvorstellung.
Was lernt uns das? Eigentlich nicht sehr viel. Es sei denn, man guckt sich an, was die Leute daraus machen, die sich mit der Wirkung von Pharmaka auf den Menschen beschäftigen, und zwar in Bezug auf die circadiane Rhythmik. Ihre Kunst nennt sich Chronopharmakologie. Ihre wichtigste Aufgabe: Bestimmen, wann ein Wirkstoff die günstigste Wirkung entfaltet.
Na, ja. So revolutionär scheint die Sache doch nicht zu sein. Letztlich hat der Onkel Doktor schon immer gesagt, diese Pille bitte morgens nehmen … Wo ist die Neuigkeit? Die liegt auf einem anderen Gebiet. Es sind drei Aspekte, die zwar nicht so revolutionär sind wie die Theorie von Einstein, die vorgestern 100 wurde, ohne alt zu werden. Verstecken müssen sie sich aber nicht:
Das wiederum sind wirklich revolutionäre Erkenntnisse, die wir noch verdauen müssen. Wenn man fragt, wie spät es ist, gucken die meisten auf die Uhr. Die Zeit, die man sieht, ist die politische und von Mazedonien bis Galizien gleich. Die Sonne braucht aber etwa 2,5 Stunden, um von Mazedonien bis Spanien zu gelangen. Deswegen wird es in Spanien später spät und in Mazedonien früher morgen. Dass man dazu auch noch lernen muss, dass in seinem Körper eine andere Zeit herrscht als beim Nachbarn am selben Tisch, ist reichlich ungewöhnlich. Einstein hatte was von der Krümmung des Universums erzählt und fand Zugang zu den Gehirnen auch relativ einfacher Leute, die sich um Physik keinen Kopf machen, erst recht nicht um das gekrümmte Universum. Vielleicht schaffen es Chronopharmakologen auch mal. Dann fressen wir tonnenweise weniger Chemie. Licht lohnt sich !
Dummerweise nicht. Wir sind zwar vor Immissionen geschützt, aber nicht, wenn Licht einer "guten" Sache dient, nämlich dem Kommerz. Und wenn ein Normalbürger die Fassade seines Hauses mit LED verschönert, greift der Immissionsschutz vermutlich nicht, wenn er nicht übertreibt. Unsere Städte sehen langsam eh aus, als wären wir im Himmel und der Tag ewig.
Vor einigen Tagen war ich in einem eigentlich schönen Hotel mit einem Jugendstil Ambiente. Z.B. über dem Salon mit den Tageszeitungen und Sesseln zum Lesen ist ein Oberlicht, das die Leserei zum Vergnügen macht. Viel Licht, keine Störung. Wenn man aber das Hotel betritt oder verlässt, kommt man an einer Wand vorbei, die der Betreiber, eine schottische Hotelkette, zur Demonstration der nationalen Symbole benutzt. Bei Schotten denkt man ja oft, was sie wohl unter dem Rock tragen. Egal, bei dem Licht wird man dies auch dann nicht sehen, wenn der Rock geliftet wird.
Der Hauptschuldige bei diesem Bild ist nicht Licht sondern eher dessen Verwendung. Man schafft eher Dunkel denn Licht, eher Blendung denn Erhellung. Im Übrigen, dieses Bild habe ich benutzt, weil ein viel schlimmeres Exemplar aus einem anderen Hotel als Demonstration weniger geeignet ist. Das Bild zeigt die Bar eines Hotels in Dortmund, das aus dem ehemaligen Hauptquartier einer Brauerei entstanden ist. Die ganze sichtbare Front ist mit einem edlen Marmor in edler Farbe ausgestattet. Leider ist die edle Farbe schwarz und man kann schwarz beleuchten, wie man will. Effekte lassen sich hervorrufen, wie man aus Fotos von schwarzen Gesichtern kennt. Aber eine lichte Umgebung lässt sich damit nicht herstellen.
Vor ein paar Tagen fuhr ich an der Kraftwerkruine von Würgassen vorbei. Einer der dicksten Sargnägel für die verblichene AEG. Sie musste im Jahr 1974 700 Mio DM an Gewährleistung zahlen für ein Objekt, das für 400 Mio erstellt worden war. In einem Jahr war das gesamte Aktienkapital des zweitgrößten deutschen Elektrokonzerns aufgebraucht. Den Hauptanteil an der Misere trug ein einzelner technischer Berater, dessen Name in der Kerntechnik unter den DAP (dümmster anzunehmender Professor) einen der höchsten Ränge einnimmt. Um ein Haar wäre dieser in Tateinheit mit einem weiteren DAP, diesmal aus unseren Kreisen, zum Architekten eines GAUs in Mitteleuropa geworden. Nämlich dann, wenn die große Leistung des ersten, falsche Kühlrohre, mit der des zweiten, falsche Beleuchtung, so zusammengetroffen wäre, dass die Krisensituation halt ein Fukushima-Light ergeben hätte. Und allzu weit entfernt war die Sache nicht. Es geht auch ohne Tsunami.
Worin bestand die Leistung des zweiten DAP? Er war damit beauftragt, zu beurteilen, ob man in der Warte eines KKW die Beleuchtung im Störfall auf ein Drittel reduzieren darf. Gute Frage! Warum diese Frage aufkam, steht weiter unten. Die Antwort, die der geschätzte Kollege gab, stand in dem Entwurf von KTA 3904 Warte, Notsteuerstelle und örtliche Leitstände in Kernkraftwerken (Kerntechnische Sicherheitsregel, erschienen 1988) unter seinem Namen. Nach seiner Meinung würde das Dritteln der Beleuchtungsstärke kein Problem verursachen, weil sich das menschliche Auge schnell an die dunklere Umgebung anpasst. Zudem wäre die Sache sowieso nur relevant, wenn ein Störfall vorläge. Und den gäbe es selten.
Bemerkenswert ist die Sache auch ohne Würgassen oder Kerntechnik, weil der Mann, der eine solche Aussage in eine Regel der kerntechnischen Sicherheit brachte, zeitlebens "Sehleistung" predigte und deswegen immer höhere Beleuchtungsstärken z.B. in Büros. Wenn es um die Sicherheit von Halb-Europa geht, ist die Sache nicht so relevant wie wenn man die Beleuchtung von Büros festlegt. Nun gucken wir uns an, wie häufig denn in Würgassen Normalbetrieb nicht ganz so normal war (Daten aus WIkipedia, kopiert am 11. Nov. 2015):
In der Betriebszeit seit der Übergabe am 11. November 1975 bis zum 31. Dezember 1994 wurde das Kernkraftwerk Würgassen mehrmals abgeschaltet:
• an 1.309 Tagen für 16 Revisionen,
• an 180,9 Tagen für 42 geplante Stillstände,
• an 61,8 Tagen wegen 63 Betriebsstörungen,
• an 64,6 Tagen wegen 17 außerplanmäßigen Reparaturen,
• an 386 Tagen wegen 2 sonstigen Anlässen (Brandschutzmaßnahmen 1989/90 und Befunden am Kernmantel, 1994)
So normal war also der Normalbetrieb nicht. Das Kraftwerk war von den 19 Jahren Betrieb 5,5 Jahre abgeschaltet. Und was macht die Mannschaft, wenn der Betrieb nicht so normal läuft? Schmeißt riesige Schaltpläne mit winzigen Details auf einen Tisch, häufig im Stapel, und versucht, eine Störfallanalyse zu machen. Und da kommt der Haken. Zwischen etwa 5 Mann (kleine Störung) bis zu 20 (irgendwas ist wirklich am Dampfen) beugen sich über den Tisch und sehen dabei wenig, weil sie das Licht abschatten. Wenn es richtig heiß hergeht, schaltet man auch noch zwei Drittel der Beleuchtung ab. Schön gemütlich! So kuschelig hat sich die Bevölkerung des Landes eine Störfallaufklärung und -bekämpfung bestimmt nicht vorgestellt.
Um den Unfug richtig perfekt zu machen, reicht die Macht eines Prof.´s nicht. Dazu braucht man einen Fachmann der Elektrik. Den habe ich nie kennen gelernt. Gegeben haben muss es ihn schon, denn sonst hätte ein Laie die Beleuchtung installiert und nie die dämlichst-mögliche Variante gewählt: Jeweils ein Drittel der Warte an eine Phase hängen. Im Störfall reduziert man die Beleuchtung auf ein Drittel und schaltet damit zwei Drittel der Warte in den Zustand eines Schlafzimmers. Von den elektromagnetischen Feldern ganz zu schweigen, die dadurch entstehen, dass die gegenseitige Aufhebung durch drei gleichmäßig belastete Phasen entfällt. In einer Warte haben zusätzliche elektromagnetische Felder nichts verloren, weil sie Messwerte beeinflussen können. Übrigens, allzu kreative Elektriker auch nicht. Ein Störfall, der sich hätte leicht zu einer Tschernobyl-Nord hätte entwickeln könnte, in Greifswald in der ehemaligen DDR, wurde ausgelöst, weil ein Elektriker seinem Azubi zeigen wollte, wie man etwas misst. Der Arme wusste nicht, dass manche Einrichtungen von so wahren Künstlern entworfen worden waren, dass man zum Messen eines einfachen Elementes den ganzen Laden hat abschalten müssen. Als Ergebnis wurde der ganze Laden für immer abgeschaltet. Der Name Tschernobyl-Nord lebt noch. Hätte die Mannschaft damals nicht alle Gesetze gebrochen, um die Katastrophe abzuwenden, hätte Nordeuropa etwa wie nach dem Dreißig-Jährigen-Krieg ausgesehen. Allerdings hätte die Erholung etwas länger gedauert, weil das Zeug teilweise 500.000 Jahre nachstrahlt.
Jetzt aber das Schönste: Warum hat man dem DAP und dem Elektriker das Betätigungsfeld so erweitert, dass sie diesen Fehler machen durften? Man wollte im Störfall die Notstromdiesel schonen. Logisch! Wenn Not am Mann ist, spart man an der Beleuchtung. Und was gewinnt man dabei? Muss ich vorrechnen, wie viel Watt eine Beleuchtung von ca. 100 m2 braucht und welchen Anteil von 25 MW Generatorleistung (5 Diesel a´ 5 MW) man spart? Es gibt ganz normale Elektriker, die mit 10 W pro m2 (2 W pro m2 und 100 lx) auskommen. Nach der damaligen Norm (300 lx) hätte man also insgesamt 600 W gebraucht und davon 400 W durch Abschalten von zwei Dritteln der Beleuchtung gewonnen. Lassen wir die Knickrigkeit und spendieren der Mannschaft 1.000 lx. Dann hätten wir 20 W pro m2 und damit 2 kW installieren müssen. Gespart hätten wir 1, 2 kW. Gegenüber 25 MW fällt die Ersparnis derart gewaltig aus, dass man viele Nullen benötigt, die man hinter dem Komma anordnen muss, um den Unsinn zu illustrieren.
Wem das Alles schlimm vorkommt, der hat einen "Ergonomie"-Professor nicht gesehen, der in der nach der Kerntechnik zweit-gefährlichsten Branche tätig war, dem Verkehrswesen. Dort entwarf er Warten getreu dem Designer-Motto "Licht gehört dorthin, wo man sehen muss. Stimmt! Schade, dass die Kerle in der Warte Grafik-Monitore benutzten, die kein Licht vertragen. Erst kein Spotlight über ihnen. Das würde unserem kreativsten Elektriker nicht einfallen. Vor allem nicht, dass der Rest der Warte dunkel sein muss, damit die Monitore so schön präsentiert werden. Manche Leute denken, Unfälle sind Zufälle. Man kann sie aber auch systematisch erzeugen. Nichts dem Zufall überlassen!