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Das Kreuz mit der Farbtemperatur

 LED-Binning
Heute gab es für mich ein Wiedersehen mit einer Erscheinung aus meiner Jugend. Eine seligmachende war die Erscheinung indes nicht. Eher eine Malaise traf ich wieder. Anno Tobak, als der selige B. Kühl im Osram-Labor Entladungslampen mit toller Farbwiedergabe zusammentüftelte, wollte ich 4 (in Worten: vier) gleiche Lampen (des gleichen Typs) bekommen, damit ich ein großes Modell aus vier Richtungen so beleuchten konnte, dass man alle Teile in gleichem Licht sieht. An sich kein Problem, wenn man mit Glühlampen arbeitet. Man kauft vier Stück im Kaufhaus ein, Pardon man kaufte …, und schraubt die in vier Fassungen. Fertich!

 
Nicht so mit den begehrten Lampen, Halogenmetalldampflampen, kurz HCI bei Osram, CDM bei Philips und HSI bei Sylvania, in denen die Gasentladung mit vielen chemischen Mitteln "angereichert" wird, damit das gewünschte Spektrum entsteht. Mit Glühlampen konnte ich damals nichts anfangen, weil die zwar eine exzellente Farbwiedergabe haben, Ra = 100, die aber den Fernsehleuten nichts sagte. Eine Glühlampe hat nämlich eine exzellente Farbwiedergabe, wenn man sie mit einer Glühlampe vergleicht. Die Fernsehleute wollten aber das Licht mit dem Tageslicht verglichen sehen.

 
Kein Problem, wenn man den Großmeister und seine Küche persönlich kennt. Oder doch? Ich durfte mich an ein Los Lampen setzen und mir gleiche aussuchen. Man erklärte, dies sei der Innovation geschuldet, schließlich seien die Lampen erst vor fünf Jahren erfunden worden. So lange ist es her. Man erzählte mir, mein Eindruck sei subjektiv (Was sind Eindrücke sonst?) und das Problem wäre keins, weil man ein 100-prozentige Ausgangskontrolle hätte. Seitdem sind 45 Jahre vergangen, man kann immer noch unterschiedliche Lampen aus dem gleichen Los ziehen, so man die Lampen überhaupt findet. Es gibt nämlich jetzt LED!

 
Ach, ja! Da geht es gleich los mit Los ziehen … Da die Sache jetzt Methode hat, hat sie auch einen Namen: Binning. Bin heißt auf English Mülleimer, Abfallbehälter, Papierkorb u.ä. Binning ist auf Denglisch das, was Aschenputtel macht, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten … Aber nicht doch! Man schmeißt nichts weg. Immer wenn man einen Fertigungsprozess nicht voll beherrscht, sucht man sich die Guten raus und verkauft die als Premiumware. Schlecht ist nix, sondern mehr oder weniger von der Spezifikation abweichend. Früher suchte man so Messgeräte aus, später Transistoren, Prozessoren, Solarpaneele, und sogar Zigarren (Davidoff und Petite) und Seidenteppiche. Auch Menschen werden so sortiert. Wenn ein Kind zwei Elternteile hat, die beide Arbeiter sind, stehen seine Chancen, in die gymnasiale Oberstufe zu kommen, bei 20%, bei Kindern von Angestellten steigt die Rate auf 50%. Wenn beide Eltern Beamte sind, muss man ganz schön blöd sein, um nicht in den Olymp zu kommen, die Chancen stehen bei 84%.  Nicht von schlechten Eltern! Warum soll man LEDs nicht genauso bewerten? 

 
Warum nicht? Man hat eh keine Wahl. So werden weiße LED in vier "bins" einsortiert. Und wo liegt das Problem? Es gibt sogar Standards dafür. Dumm ist nur, dass sich LED aus dem gleichen Los in mehreren Eigenschaften (ungewollt) unterscheiden können, so auch im "Spektrum" und "Intensität". Dahinter stecken leider etwas kompliziertere Eigenschaften. Man versucht, LEDs mit der gleichen farblichen Erscheinung des Lichts zu finden. Die als relevant angesehene Größe ist die "Farbtemperatur". Die hat mit der Temperatur eigentlich wenig zu tun und ist zudem irreführend definiert. Ein "kälteres" Licht hat eine höhere Farbtemperatur als ein "wärmeres".

 
Das ist aber nicht ganz so gravierend wie eine Eigenschaft des menschlichen Auges, die Diskriminierungsfähigkeit z.B. für Kontraste, Farben oder Helligkeiten. Nennt sich Unterschiedsempfindlichkeit. Und die ist am höchsten, wenn die verglichenen Objekte oder Flächen aneinander stoßen. Und dummerweise viel höher als bei der Methode der Messung der Farbtemperatur. Die ist nämlich definiert für Wärmestrahler und wird auf andere Lichtquellen angewandt mit einer mehr oder weniger großen Genauigkeit. Man spricht von der "ähnlichsten" Farbtemperatur. Ähnlichst muss aber nicht ähnlich heißen. Bei LED oder Lampen mit vom Wärmestrahlern stark abweichenden Spektren kann man eher von Missbrauch sprechen. Wie weit sich die Farben bei gleicher Farbtemperatur unterscheiden dürfen, wurde vor einer Ewigkeit veröffentlicht. Guckt sich wer solche Diagramme kritisch an? Bestimmt nicht, sonst würde der Hauptbahnhof in Stuttgart in November 2015 nicht so aussehen:

Hauptbahnhof-Stuttgart

 
Lieber Lichtplaner, kommst Du an einem Los LED vorbei, achte darauf, wie fein das Binning war, auch wenn das Verfahren von manchen vor fast einem Jahrzehnt für tot erklärt wurde. Die Preisunterschiede sind nicht hoch, sondern exorbitant hoch, wenn man in dem Töpfchen (fast) identische Exemplare finden will. Man kann aber. Ganz Kluge suchen einen intelligenten Ausweg, indem sie bei der Planung der Unzulänglichkeit der Technik ausweichen. Wie einst der Konzern VW, als man nicht in jedem Werk die exakt gleiche Farbe für die Käferteile vorhalten konnte. Worin der Trick besteht, kann man gleich erkennen, wenn man sich die Karosserie eines alten Käfers anschaut.

Binning

Da steht sie nun ...

    
Eigentlich ist sie ein Unding, die Stehleuchte. Sie soll überall stehen und leuchten. Sie kann das leider nicht immer, weil sie eine Leitung braucht, und die ist eine Stolperfalle. Leuchten gehören daher an die Decke. Dort gibt es genügend Platz für Leitungen... Dachte man so etwa 1960. Warum nicht gleich die ganze Technik in die Decke verbannen? Sieht schrecklich aus, der ganze Klumpatsch! Also (nicht Schwamm drüber) einen schönen Abschluss drunter ziehen. Fertig ist die integrierte Decke.

Ähhh, nicht ganz. Denn die Leuchte guckt da noch raus und stört die Walze. Das ist der Luftstrom, mit dem man immer Frischluft in die Bude bringt - natürlich sofern vorhanden, ansonsten wälzt sich der Mief durch den Raum. Also, auch die Leuchte in die Decke einbauen. Sieht toll aus. Und stört die Walze nicht. Dummerweise musste man die Walze anderweitig stören, weil es in den Räumen zog wie Hechtsuppe. Das aber ist eine andere Geschichte. Die Geschichte mit Licht hingegen ist eine traurige: Eine Einbauleuchte ergibt automatisch eine dunkle Decke und widersprach bereits bei ihrer Erfindung der lichttechnischen Weisheit. Die Leuchte blendet mehr als sie müsste. Und verpasst dem Raum einen Höhlenlook. Sei´s drum. Es gibt immer Leute, die Innovation lieben, selbst wenn die für die Erleuchtung gedachte Technik eher Dunkelheit bringt. Den absoluten Gipfel hat ein Architekt erklommen, indem er die Leuchten in einen schwarzen Hintergrund eingebaut hat. Das war 2013 in einem der nobelsten Neubauten von Deutschland. Der schwarze Hintergrund diente der Milderung der akustischen Probleme, die eine der noch wichtigeren Innovationen mit sich gebracht hatte, die Bauteilaktivierung... Da spart man sich die Heizkörper und die Kühlauslässe u.ä. und heizt und kühlt die Bauteile aus Beton. Und Beton ist schallhart. Und Beton mit schwarzer Garnierung schluckt das Licht der Stehleuchte. (… was den Architekten nicht davon abgehalten hat, solche aufzustellen.)

Ehe sich die tolle Entwicklung ihren Weg in die Praxis finden konnte, kam eine neue Entwicklung in die Büros - der Computer. So etwa mit fingerdicken (ich meine Finger von Kleinkindern) Koaxialkabeln. Und diese von der Decke herunterbaumeln lassen, machte nicht viel Sinn. Fanden die Büromenschen. Techniker sind da weniger feinsinnig, in ihren Laboren baumelt dauernd etwas von der Decke. Ich sitze gerade in dem ersten deutschen Bürohaus mit einem Doppelboden. Das war die Lösung. Sie war zwar nicht neu, weil man Doppelböden in Rechenzentren immer verbaute. Aber für übliche Büros war die Sache schon revolutionär. Die Decke konnte sich so ihrer ursprünglichen Aufgabe widmen, und spielt seitdem den Träger der Beleuchtung. Da die Leuchten ihrer Zeit nicht so ideal waren wie die von heute, musste man noch eine Kassettendecke drunter ziehen. Und das ist saudumm, denn wir wollen Stehleuchten hier aufstellen, deren Licht die Decke gerne aufnimmt, aber leider ungern wieder hergibt. Schade, weil die Leuchte in diesem Haus wirklich überall stehen darf. Der Anschluss befindet sich immer direkt darunter. So kann die Leuchte stehen und leuchten wo sie will, aber das Herunterholen des Lichts von der Decke gestaltet sich schwierig.

Vor ganz, ganz langer Zeit hatte ein schwedischer Architekt (Anders) das Problem mit der Leuchte anders gelöst. Er baute ein Schienensystem an die Decke, und man konnte die Leuchte umhängen, wie man wollte. Sehr flexibel! Leider sind Menschen nicht so flexibel und haben den Sinn der Sache nicht begriffen. So gibt es seit mindestens vier Jahrzehnten Deckensysteme, in die man beliebig Leuchten hängen und wieder umhängen kann. Wenn man eine solche Decke sieht und fragt, wann man zuletzt Leuchten umgehängt hat, wird man angeschaut, als käme man vom Mond oder Mars. 

Seit etwa 1980 gibt es wirklich brauchbare Stehleuchten für professionelle Büros. Und bereits 1981 habe ich einen Kongress geleitet, der zu dem Thema in Wien stattfand. Warum eine wirklich brauchbare Innovation so viele Jahrzehnte braucht, um sich nur teilweise durchzusetzen? Ich denke, das hängt damit zusammen, dass man dem Licht nicht die Bedeutung gönnt, die es verdient. Bei den Fernsehanstalten, denen ich die Idee etwa 1990 vortrug, gab es weniger Jahre danach nur noch neue Büros, die ohne Licht geplant wurden und nach Bedarf mit Stehleuchten bestückt. Die haben Ahnung von Licht. Andere Unternehmen trieben es gar systematisch aus wirtschaftlichen Gründen und sparten ca. 20% an Beleuchtungskosten. Aber selbst die Macht des Geldes vermochte nicht, die Macht der Gewohnheit zu brechen. 

Pipilight - Erleuchtung durch Pinkeln

     
In Großbritannien, in dem Land wo man seine Zigaretten gegen Feuer versichern kann, wurde eine geniale Methode entwickelt, um dem (frischen) Urin die Energie abzuziehen und einer besseren Verwendung zuzuführen. Pee-Power Toilet ist die Lösung für Flüchtlingcamps: "Pee-power' to light camps in disaster zones" steht über der Pressemeldung der Forscher von University of the West of England.  

Naturgemäß funktioniert das Ganze nur mit LEDs. Ich weiß nicht, ob sich die Energiegewinnung auch mit festeren Materialien aus dem Körper klappt. Kann sein. 

Gemäß dem indischen Kastensystem, wo manche oben sitzen und viele unten, und denen da Oben dienen müssen, durfte der Mensch aus der oberen Kaste (z.B. ein Brahmane) zuerst auf den Topf, wenn es nur einen gab. Das System muss sich umstellen, denn auch ein Brahmane erleichtert sich ungern im Dunkeln. Also geht zuerst der Paria darauf und macht Licht an. Dann kann der Brahmane …
 
Somit haben wir ein wunderbares Beispiel für soziale Auswirkungen von Licht. Auf soziale Beziehungen wirkt es … erschütternd. 

2015

 

Ich weiß nicht, warum die Sache nur mit Männern funktioniert. Dabei hatte ein anderer Prof. aus Germany ein Urinal für Frauen entwickelt, und damit eine der wichtigsten Genderfragen endgültig gelöst. Vielleicht meldet er sich bis morgen*.

*Morgen ist Weltfrauentag .  Weltmännertag  gibt es
allerdings nicht. Bei denen ist jeder Tag …