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Alternative Größen in der Lichttechnik

Die Lichttechnik ist etwas, was zwischen sehr speziellem Fachgebiet und Allgemeinwissen liegt. Was sie genau ist, habe ich bislang nicht begriffen, obwohl meine Doktorarbeit auf dem Gebiet fast 50 Jahre alt wird. Das mag an meiner Dummheit liegen oder aber an der Sache selbst. Denn zum Begreifen von Etwas muss Etwas existieren. Beispielsweise können Menschen Computer nicht begreifen, weil der so nicht existiert. Früher gab es ihn wirklich als große Kiste im Schaufenster, damit die Betreiber zeigen konnten, dass sie modern arbeiten. Heute kann jeder Autoschlüssel den Computer von anno tobak um Längen schlagen. Ähnlich geht es mit der Lichttechnik.

Der oberste "Feldherr" aller Lichttechniker, die CIE, nimmt für sich in Anspruch, alles was Licht, Sehen, Anzeigen u.ä. angeht, exklusiv betrachten zu dürfen: "an international forum for the discussion of all matters relating to the science, technology and art in the fields of light and lighting …" Das schließt so alles ein, was Licht, Strahlung Sehen usw. angeht: "note that in these objectives light and lighting embraces such fundamental subjects as vision, photometry and colorimetry, involving natural and man-made radiations over the UV, the visible and IR regions of the spectrum, and application subjects covering all usage of light, indoors and out, including environmental and aesthetic effects …" Während mir beim Aufzählen die Puste ausging, erzählt die CIE weiter "From 1999 onwards also the optical, visual and metrological aspects of the communication, processing and reproduction of images, using all types of analogous and digital imaging devices, storage media and imaging media are covered by CIE."

Geht es eine Nummer kleiner? Müsste eigentlich. Z.B. auf dem Gebiet der nichtvisuellen Wirkungen des Lichts. Die heißen abgekürzt NIF (non-image-forming) und wurden von der CIE etwas zu spät entdeckt. Zuerst waren die Mediziner dran. Eigentlich hat es die CIE gewusst, aber nicht gemerkt. Denn ein gewisser Rikard Küller (hier) hatte schon in den 1980er Jahren jede Menge Literatur dazu gesammelt und geschrieben. Dass viel von der Weisheit vor mindestens 50 Jahren veröffentlicht worden war, habe ich gestern kommentiert (hier). Nun hat die CIE schnell die Definition von Beleuchtung geändert. Allerdings niemanden darüber informiert. Warum denn informieren, wenn man alles selber macht? Sie produziert mit ISO zusammen auch einen internationalen Standard dazu. Warum nicht?

Darum: Im Heft Licht 2/2020 diskutieren Lichttechniker aus der TU Berlin das:

Was sagt uns dass? Dass ausnahmslos alle vorhandenen Studien potenziell mit einem mehr oder weniger großen Fehler behaftet sind, weil man die Lichtbedingungen nicht korrekt hat messen können. Nun sind theoretisch alle Messungen mit einem Fehler behaftet, es kommt daher darauf an, wie groß der Fehler ist. Hier die Meinung der Autoren: " …Dennoch werden die Lichtverhältnisse oft nur mit der vertikalen Beleuchtungsstärke am Auge und … beschrieben. Beide Werte sind integrale Größen und somit nicht geeignet, …"

Wenn es nur das wäre! Ich hatte vor einiger Zeit dargestellt, dass es die Vertikalbeleuchtungsstärke in künstlich beleuchteten Umgebungen gar nicht gibt: Vertikalbeleuchtungsstärke - Ein modernes Märchen zu gesundem Licht (hier). Das Licht kommt fast immer von oben. Jede Beleuchtungsstärke wird nach einer räumlichen Verteilung gemessen, die für das Aufwärmen von Milch in einem Topf angemessen wäre. Bei jedem Objekt, das nicht flach ist, gilt die Beleuchtungsstärke bedingt oder gar nicht. Bei den nichtvisuellen Wirkungen weiß man nicht, wie sich die räumliche Verteilung von Lichtquellen sie beeinflusst. Darum forschen die Kollegen aus Berlin (hier die Version veröffentlicht in LEUKOS The Journal of the Illuminating Engineering Society, Vol. 15, 2019, die Version in Licht hier bestellbar).

Licht muss in mehrerer Hinsicht anders gemessen werden, um die nichtvisuellen Wirkungen studieren zu können. Ein Vorschlag als Beispiel ist die Lichteinfallsstärke zu messen. Bei der steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht die Lichtquelle. Mal andersherum denken. Doch damit ist nicht Schluss. Ein gewisser Mark S. Rea, seines Zeichens der Editor des größten lichttechnischen Handbuchs der Welt, hatte vor mehr als 15 Jahren gezeigt, dass die Lichttechnik neu erfunden werden muss, um mit NIF umzugehen. Das beginnt bei der V(λ)-Kurve von 1924. Die Arbeit der Berliner Forscher, veröffentlicht 2020, zeigt, dass noch nicht viel geschehen ist.

 

LED macht Leuchte überflüssig, weil sie Lampe ist

In einem Bericht über die Überarbeitung von EN 12464-1, der auf der Licht 2018 in Davos, also edler Umgebung, präsentiert wurde, las ich Ungeheuerliches. Es gibt keine Leuchten mehr, weil die LEDs es vorziehen, selber zu leuchten. Zu dem Anlass sagt die Website der Konferenz "In der europäischen Normung bearbeitet die WG 2 die Beleuchtung von Arbeitsplätzen. Derzeit wird die EN 12464-1 überarbeitet. Seit der letzten Fassung von 2011 haben sich einige neue Entwicklungen ergeben. Einerseits ist die LED zur maßgeblichen Lichtquelle aufgestiegen, andererseits wird den nicht-visuellen Wirkungen des Lichts mehr Beachtung geschenkt. Lichtanlagen können gesteuert werden, wodurch der Inbetriebnahme und dem Betrieb der Beleuchtung mehr Beachtung geschenkt werden soll."

Ich nehme an, dass jeder, der sich in Licht auskennt, die WG 2 kennen muss. Das ist keine Wohngruppe wie weiland die Kommune II, sondern ein Arbeitskreis, der Beleuchtungsnormen immer wieder auf den neuesten Stand bringen will bzw. muss. Da habe ich das Ungeheuerliche gefunden. Man unterscheidet nicht mehr zwischen Lampe und Leuchte wie anno Tobak. LED macht's möglich!

Nicht Eingeweihte können gar nicht verstehen, woran sich die Aufregung entzündet. Ca. 99,9999 % der Wutbürger und sonstiger Bürger kennt weder Lampe noch Leuchte, sondern Birne. Lampe kennt man schon, die aber ist eine Leuchte. Verstanden? Bestimmt nicht. Also langsam zum Mitschreiben: Wenn man Licht machen will, braucht man etwas, was sich so aufregt, dass Quanten aus dem rausplatzen. So etwa wie beim Holzscheit. Dieser schickt aber sein Licht fröhlich durch die Gegend. Darf aber nur am Lagerfeuer. Ergo macht man etwas drumherum, damit das Licht in die Richtung geht, in die es soll. Bereits alte Petroleumlampen, Pardon -leuchten, hatten so eine Einrichtung.

Später als das Licht elektrisch wurde, wurde fein säuberlich getrennt, wer die Lampe - bzw. das Leuchtmittel - bauen durfte, und wer das Blech drumherum biegen. So baute OSRAM nur Lampen. Die gingen an Siemens Lichttechnik, die die Leuchten baute und die Lampen da hinein. Am Ende leuchtete die Lampe in der Leuchte. Später wurde die Lichttechnik von der Mutter verstoßen (hier), nach einigen Abenteuern von OSRAM eingekauft (da). Am Ende verstieß die Mama auch OSRAM (dort). Jetzt verkauft OSRAM das Leuchtengeschäft (na bitte hier).

Man konnte in einem Augenblick erkennen, wer eine Leuchte in Sachen Licht war und wer nicht. Hat einer Birne zur Lampe gesagt, war der raus. Schlimmer erging es einem, der die Leuchtstofflampe für eine Röhre hielt. Die ist zwar eine Röhre, das kommt aber nicht in die Tüte. Selbst der große Guru der biologischen Lichtwirkungen, Prof. Hollwich, fiel deswegen in Ungnade, und das für ewig. Es gab zwar Lichttechniker, die Lampe zur Leuchte sagten. Die waren aber bestimmt von der Wohnraumleuchtenindustrie, also nicht satisfaktionsfähig. Die konnten aber ihre Produkte kaum verkaufen, hätten sie Leuchten angeboten, wo die Kundschaft Lampen suchte.

Nu ist es aus! Man kann sich nicht mehr als große lichttechnische Leuchte outen, indem man die fein ziselierte Wortwahl perfekt beherrscht. Sch... egal. Als nächstes kommt wohl, dass man die Leuchtstofflampen Röhre nennen darf, weil die LED Kreationen, die sie ersetzen sollen, keine Rohre mehr um sich haben (müssen).

Leider muss ich mit dem Spaßen hier aufhören. Die Sache hat nämlich einen bösen Hintergrund. Erstens verstehen viele Leuchtendesigner nicht, dass LED-Module doch keine Lampen sind. Man kann deren Licht nicht formen, weil die das selber tun - nach eigenem Gusto. Zweitens sind viele Elemente wahre Leistungsbomben, so dass man sie weit auseinandersetzen muss, sollen darunter nicht gleich paar Tausend Lux herrschen. Dann entstehen "Leuchten" mit vielen diskreten Punkten, die leider Gottes die ganze Dekoration in Shops u.ä. zunichte machen (so gesehen in einem frisch renovierten Laden einer großen Kette). Während große Paneele mit den gleichen Elementen, dicht zusammengepackt, eher schön aussehen, blenden die Ketten bei gleicher Leuchtdichte der Elemente.

Langsam lernen wir den Umgang mit LED. Bislang sind 20 Jahre ins Land geflossen. Die nächsten 20 sollen's bringen. Bis dahin viel Spaß mit den Irrungen und Wirrungen der von oben verordneten Technik der Lampen - Pardon Lichtquellen.