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Lichtqualität tut not - Was uns die Vergangenheit lehrt
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Soeben fand ich auf Google Scholar ein monumentales Dokument zu Lichtqualität. Es wurde immerhin in 276 wissenschaftlichen Artikeln zitiert. Und die Autorin kämpft heute sogar um noch mehr Ehren. Sie ist in den USA und in Kanada ziemlich hoch dekoriert. Der Artikel heißt "Determinants of lighting quality II : research and recommendations", und die Autoren Veitch, J.A. und Newsham, G.R. Er stellt das Wissen über die Lichtqualität gegen Ende des Millenniums dar (Jahrgang 1996).

Mir fiel zunächst auf, dass unter den 170 Artikeln kein einziger deutscher war. Kann es sein, dass wir in ca 50 Jahren Gemeinschaftstagung "deutsprachiger" Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande) nichts zur Lichtqualität haben verlauten lassen, das zitierfähig wäre? Kann sein. Dafür hat die Autorin 11 Papiere aufgelistet, auf denen sie als erste Autorin steht. Bei weiteren 5 ist sie Mitautorin. 28 Artikel stammen aus Lighting Research and Technology. Dessen Chefredakteur Peter Boyce wird 29 Mal zitiert, die Autorin selbst steht - naturgemäß erst einmal als Autorin - und weitere 49 Mal in dem Werk. Ach, ja, Rea steht auch 30 Mal in dem Papier. Also wird die Lichtqualität wohl wesentlich durch die genannten bestimmt. Oder?

Zunächst eine gerade in diesen Tagen diskutierte Erkenntnis: Biologische Wirkungen erfordern hohe Beleuchtungsstärken. Wenn man von einer minimalen Dosis für gesundes Licht ausgeht, wäre das Tageslicht der effizienteste Lieferant. Außer in Winter an manchen Orten. Exakt 25 Jahre nach diesem Bericht verlangten führende Chronobiologen just eine Minimaldosis am Tage (hier). 1:0 für die Autorin.

Eine dem deutschen Leser etwas komisch vorkommende Feststellung: Feldstudien unter Büromitarbeitern besagen, das Menschen ein Fenster haben wollen. (Dazu 1 Literaturstelle) In Deutschland hat seit 1975 jeder Arbeitnehmer laut Arbeitsstättenverordnung ein Recht auf eine Sichtverbindung über eine klar verglaste vertikale Fensteröffnung. Wurde in den 1960ern von meinem Kollegen Georg Roessler ermittelt. Und von unserem Chef Prof. Krochmann an den Mann gebracht, sprich in die Politik. Damals sprach sich die gesamte Lichtforschung dagegen aus. 1:1 - die nicht berücksichtigte deutsche Literatur war wohl früher und gründlicher. Unsere Arbeit "Licht und Gesundheit" mit 4.500 untersuchten Arbeitsplätzen hatte sogar 1990 den Grund dafür nachgewiesen: Je weiter ein Arbeitsplatz vom nächsten Fenster entfernt ist, desto häufiger gibt es gesundheitliche Beschwerden. An der Sprache kann es nicht gelegen haben, denn die Studie gibt es seit 1991 auch in Englisch.

Diese Erkenntnis wird einem bekannt vorkommen: Der Zugang zu einem Fenster scheint wichtiger zu sein als Information über die Zeit als die Versorgung mit einer Beleuchtungsstärke. Dazu gibt es viele Gerichtsurteile in Deutschland zu dem Thema Sichtverbindung. 1:2 Wir brauchen keine neue Literatur. Die Sache war 1975 erledigt.

Das hier kommt nicht nur Lichttechnikern bekannt vor: Die erforderliche Fenstergröße hängt von einem akzeptablen Minimalwert für die Tagesbeleuchtung ab sowie von der Größe und Form des Raums.  (2 Literaturstellen). In jeder deutschen Landesbauordnung steht nicht nur diese Erkenntnis, sondern auch die Werte dazu, die der Architekt berücksichtigen muss. Ich denke, damit haben die deutschen Behörden vor dem Krieg schon angefangen. Nicht vor dem II. Weltkrieg, sondern etwa 1910. Kein Wunder, dass die Expertin keine deutsche Literatur dazu gefunden hat. 1:3 Wenn man was wissen will, können wir die Erkenntnisse aus dem Museum holen.

Zu Lichtqualität lautet das Ergebnis wie folgt: Bislang (also bis 1996) konnten wir nur herausfinden, dass bestenfalls allgemeine Aussagen zu Lichtqualität möglich sind. 2018 schrieb sie in ihrem Bio, dass sie dafür sorgen werde, dass die CIE die Lichtqualität in ihrem Wörterbuch definiert. Sie, die CIE, hat im Januar 2021 (hier und da). Ein Jahrhundert und paar Zerquetschte nach ihrer Gründung. Wie sieht es bei uns aus? Es gibt eine umfangreiche LiTG Broschüre dazu (hier). DIe ist älter als die CIE-Definition. Zudem besteht die CIE-Definition aus einer bloßen Kopie des Qualitätsbegriffs aus der Qualitätswissenschaft und ISO 9000. Das Wichtigste ist aber dies: DIN 5035 hat den Qualitätsbegriff in die Lichtdomäne schon 1935 eingeführt (hier). Sie hießen allerdings Gütemerkmale. Und die Qualitätsziele hießen: Schönheit, Gesundheit bei akzeptabler Wirtschaftlichkeit. Ich würde sagen, 1:4 mindestens.

Dies hier würde die Expertin nie mehr schreiben: Es wird allgemein geglaubt, dass das Lichtspektrum für die Leistung, Wohlbefinden und Gesundheit wichtig sei. Die Literatur unterstützt den Glauben nicht. Sie hatte einige Jahre davor eine Studie geschrieben, dass die positive Wirkung von Vollspektrum mehr oder weniger Einbildung sei. Jetzt sitzt sie in einem Expertengremium, das die Abhängigkeit der melanopischen Beleuchtungsstärke vom Spektrum genormt hat (hier). Dann lag halt die gesamte LIteratur halt daneben. Reicht 1:5?

Dies würde ihr heute gewaltig um die Ohren gehauen werden: Bestimmte wichtig scheinende Aspekte werden in der Praxis kaum erwähnt. So gibt es eine einzige Quelle (NUTEK, 1994), die elektronische Vorschaltgeräte empfiehlt, um die Störungen durch Flimmern zu beseitigen. Dabei hat sie in diesem Bericht den Autor Wilkins, der den Effekt eindrucksvoll nachgewiesen hat, sieben Mal zitiert. Dummerweise nicht die relevante Publikation. Wilkins hatte in einem Hochhaus festgestellt, dass in höheren Etagen (= größerer Tageslichtanteil) Menschen weniger Kopfschmerzen erlebten als in unteren. Die Differenz verschwand, als die Vorschaltgeräte durch elektronische ersetzt wurden. 1:6

Die folgende Aussage würde in einem üblichen Büro vom Fluchen bis Flaschenwürfen diverse Reaktionen hervorrufen. Allerdings keine positiven: Individuelle Regelung der Beleuchtung wurde als eine generelle Verbesserung empfohlen. Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass eine persönliche Kontrolle nicht immer vorteilhaft ist. Man besuche nur Arbeitsräume, deren Beleuchtung vom Computer gesteuert wird und erzähle, dass fände man toll. Falls man da heil rauskommt, kann man sich weiteren Abenteuern widmen. Als Experte ist man aber verbrannt. 1:7

Last not least: Die Lichtqualität wurde unter Beleuchtungsexpeerten seit mehr als zwei Jahrzehnten oder mehr diskutiert, allerdings ohne Erfolg. Nur wenn die Empfehlungen für eine gute Beleuchtungspraxis nicht nur auf Energiesparen beruhen, sondern eine gute Qualität i.S. menschlicher Bedürfnisse bedeuten, kann man von einem Erfolg sprechen. (Amen). Das war 1996. Im Jahre 2021 veröffentlichte die CIE den folgenden Begriff: 17-29-029: degree of excellence to which the totality of lighting characteristics fulfils user needs and expectations or other applicable requirements. 2:7

Der Laie mag fragen, was denn andere anzuwendende Anforderungen seien. Kaufen Sie einfach die Norm DIN EN 12464-1, wenn der Preis feststeht (dürfte so um 140 € werden). Dort werden Sie in über 50 Tabellen Tausende Anforderungen finden bis zur Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke an den Decken von Ankunftshallen (hier). Danach kommen Ihre Bedürfnisse. Pardon, danach kommen erst einmal die Überlegungen zu melanopischen Beleuchtung. Aber dann kommen wirklich Ihre Bedürfnisse.

HCL wird NL

Good Light Group fordert eine vollkommen neue Vorstellung von Licht. Soweit, so gut. Es ist tatsächlich Zeit, über Licht grundsätzlich neu nachzudenken. Was man von dem neuen Titel halten kann - Nutritional Light -, hatte ich neulich kommentiert. Nicht viel! Aber Reisende soll man nicht aufhalten.

Inzwischen habe ich mir das Video in voller Länge angeschaut. Es lohnt sich, sich wirklich Gedanken zu machen - darüber, ob alle Dachlatten fest verschraubt sind. Denn die Leute wollen künstliches Licht verkaufen, fangen die Vorstellung aber damit an.

Leute am Strand, im Park, beim Skilaufen u.ä. Kann dem jemand widersprechen, dass das gutes Licht ist? Beleuchtung indes ist es nicht. Es sind wunderbare natürliche Umgebungen. Was bitte soll die Good Light Group im Auftrag der Lichtindustrie damit erreichen?

Egal, wie es draußen ausschaut, 90% der Menschen leben und arbeiten in Umgebungen mit 10 lx bis 500 lx. Das soll neuerdings ungesund sein. Früher hat sogar die BG behauptet, 500 lx seien sehr gesund. Die hatten aber noch nicht von Nutritional Light gehört. Nicht nur die BG, sondern alle, alle haben die Wahrheit nicht gesehen.

Fünf Milliarden Menschen haben Jobs in Gebäuden, verbringen 90% ihrer Zeit da drinnen und schlafen schlecht, können sich nicht konzentrieren und sind depressiv. Aber keine Sorge Good Light hilft, aber wie!

Das wie habe ich noch nicht gehört. Kommt es noch? Aber lässig. Hier ist erstmal der Missetäter: das elektrische Licht. Es ist einfach zu statisch! Das hatte zwar bereits 1954 ein berühmter Augenarzt gesagt, Weston, dessen Artikel zu einem der besten 10 aus vier Jahrzehnten gekürt wurde. Aber der hatte noch keine Ahnung vom biologischen Licht.

Wir müssen statt der 10 lx bis 500 lx gleich auf 2000 lx bis 5000 lx gehen! Und dynamisch. Damit die Umsätze der Lichtindustrie dynamisch steigen. Man muss mindestens 500 lx vertikal und melanopisch erreichen. Für Ahnungslose: 500 lx vertikal bedeutet etwa 1500 lx horizontal, und melanopic heißt etwa Faktor 2,5. Also liegen wir bei 5000 lx in Innenräumen. (Bleiben Sie lieber ahnungslos.)

Warum um Gottes Willen? Weil Gutes Licht das Tageslicht mimt. Es ist hell und dynamisch. Und wunderbar farbenfroh. Nur ein Sache erzählt Good Light Group nicht ganz. In welcher Richtung kommen denn die melanopisch vertikalen Lichtwellen? Man mache es den abgebildeten Blumen nach. Die drehen sich den ganzen Tag nach der Sonne. Man muss halt diese Dynamik irgendwie auch mimen. Fragt sich wie. So jedenfalls nicht.

Egal wie! Man muss es realisieren. Good Light ist attraktiv, dynamisch, optimiert und vor allem - individuell. Man stelle sich vor, die Sonne scheint nur für mich! Was will man mehr? Vor allem optimal! Schluss mit dem Grauen des elektrischen Lichts. Da die Sonne draußen aber für alle scheint, scheint es sinnvoll, dass man ihr Licht drinnen nachbildet.

Die Geschichte wiederholt sich nicht? Nicht exakt. Nur die Dimension der Katastrophe schießt durch die Decke. In den 1920ern gab es schon mal Leute, die im Innenraum die Natur nachbilden wollten. Und heute noch bekannte Namen trugen die Protagonisten, Matthew Luckiesh z.B. Er wollte gesundes Licht im Innenraum realisieren. Er ist unvergessen, aber der Unsinn, den er angestellt hat, kennt keiner mehr. Offenbar. Nun haben wir Good Light - bedeutet übrigens Gutes Licht wie die Marketingorganisation der deutschen Lichttechnischen Industrie für Jahrzehnte, bis sie licht.de wurde. Deren Broschüren waren so gut gemacht, dass sogar die Gewerkschaften sie kopiert haben. Die denglishe Version des Namens muss sich daran messen lassen. Ran an die Buletten. Die Zahl der Nutzer von 50+ Millionen auf 5+ Milliarden steigern. Die Beleuchtungsstärke von 50 -500 lx auf 2000 - 5000 lx steigern und das Wohlbefinden der 5+ Milliarden sichern!

Ob jemand sich das antut, 5000 lx in den Räumen zu installieren, damit Licht gesund wird? Versuchen Sie mal in so einer Umgebung Ihr Handy zu lesen oder ernsthaftere Arbeiten wie Konstruieren oder Retuschieren am Bildschirm auszuführen. Dann sieht der Raum aus wie nebenan. Jedes Licht stört bei der Arbeit. Wer wird denn an Arbeit denken, wenn es um gesundes Licht geht? Im Übrigen, die Idee, das Tageslicht nachzubilden, hatte schon der Vorsitzende des Normenausschusses Licht vor rund 30 Jahren wieder aus der Mottenkiste geholt. Auch nicht gerade erfolgreich. Mal sehen, was Good Light daraus macht.

 

 

 

 

 

 

 

Können Tote sterben - HCL findet Unruhestätte

Als ich das Wort HCL zum ersten Mal hörte, dachte ich, hoppla, beschäftigen sich die Lichttechniker jetzt auch noch mit Chemie? Ein Kenner korrigierte mich, es ist nicht HCl sondern HCL, das ist ein großer Unterschied. Den Unterschied kann man leider nicht aussprechen. Man muss ihn gedruckt sehen. Super Idee für Marketing, der Gegenstand einer Kampagne ist unaussprechlich. Wenn man jemandem schaden will, muss man dem so ein Konzept unterjubeln.

Eigentlich ist HC = human centric  - gar keine schlechte Idee. Sie wird z.B. von Autofirmen benutzt, um darzustellen, dass man dem Nutzer exakt sein Auto baut. Was die Autofirmen darstellen, entspricht der Realität. Während der gute alte Henry Ford gesagt hatte "Bei mir bekommen Sie jede Autofarbe, wenn sie schwarz ist.", werden Autos schon seit den 1980er Jahren "personalisiert". Keine zwei Autos, die vom selben Band laufen, müssen absolut gleich sein. Wer seinen Nobel-Hobel dennoch von der Stange kaufen wollte, kann es tun. Spart sogar eine Menge Geld. Aber Daimler Benz verkaufte zu jedem 190er (Vorläufer der C-Klasse) etwa einen Golf zusätzlich als "Extra". Human Centric ist also ein Konzept, an dem jeder profitiert. Jeder anders. Weil jeder anders ist.

Kein Schuh daraus wurde es mit HCL wie Licht. Denn seit jeher gilt das längst vergessene Wort "Gleiches Licht für alle Volksgenossen". Man zieht pro Arbeitsplatz zwei Leuchten an der Decke auf, rechts und links - und hoffentlich nie darüber. Dort ist die verbotene Zone. Dieses Konzept ist mittlerweile so uralt, dass seine Protagonisten schon längst Radieschen von unten sehen. Wozu es gemacht wurde, ist längst vergessen. Ganze Heere von Elektroplanern pflastern aber Büros damit, deren Bewohner etwa die Enkel der Väter der Idee sein können. Mit HCL sollte Licht nun gesund werden. Seit etwa 2012 geistert das Kürzel HCL durch die Landschaft. Auf der L+B 2016 (Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik) war es der Star (hier). Zwei Jahre später dämmerte den Leuten, dass kaum jemand etwas damit verbinden konnte.

Jetzt hat der langjährige Verfechter der Idee, Jan Denneman, seinerzeit der Präsident von LightingEurope, die Notbremse gezogen. LightingEurope bezeichnet sich auf ihrer Website als "Voice of the lighting industry". Denneman war 42 jahre in Diensten von Philips, auch eine Art Voice of the Lighting Industry, will aber mit seiner Good Light Group HCl begraben und  nutritional light propagieren. Ich traue mich nicht "nutritional" zu übersetzen. So lasse ich Google die undankbare Aufgabe erledigen.

Licht als Nahrung! Keine schlechte Idee. Seit etwa 20 Jahren behaupten Wissenschaftler, dass sich Licht wie ein Nährstoff auswirke. Oder wie eine Droge. Ein Philips "Beauftragter", ein Professor für Psychiatrie, hat sogar auf einer Fernsehshow von sich gegeben, dass sich Licht auf Schulkinder wie eine Tasse Espresso auswirke (hier). Dumm nur, dass Kinder kein Espresso trinken sollten. Vor allem dann nicht, wenn es ihnen aufgezwungen wird. Vor allem bin ich jetzt gespannt, ob Frau Mustermann oder Herr Jedermann Lust auf ein nahrhaftes Licht entwickeln. Wenn ich mir die BMI-Listen der Menschen in verschiedenen Ländern angucke, sehe ich da eher schwarz. Ich sehe eher Diätvorschläge von Brigitte oder ähnlicher Publikationen kommen - Licht macht dick! Schützt Euch!

Es mag sein, dass ich zu schwarz sehe. Aber meine Befürchtungen zu HCL haben sich allesamt als real heraus gestellt. Ich hatte auch nie Zweifel, dass die nicht in Erfüllung gehen könnten. Denn bereits das erste Beispiel für eine Argumentation i.S. von HCL war etwa 100 Jahre alt und hatte der Wissenschaft ein heute noch schmerzlich wirkendes Trauma zugefügt. Es ist dies hier:

Die Zahlen (2000 lx und € 2685) sind zwar neu. Aber die Arbeit von Hilfsarbeitern, die elektrische Produkte montieren, wurde bereits in 1924 versucht, zu rationalisieren. Die Katastrophe nennt sich nach dem namen des Ortes, wo der Versuch stattfand, Hawthorne. Auch die Zahl 2000 lx gehört zu einer ähnlichen Katastrophe, die nur deswegen nicht häufig genannt wird, weil die erste als Mahnmal völlig hinreicht. Vor etwa 20 Jahren wurde in einer Werkshalle von VW ein Versuch mit 2000 lx in der Nacht gefahren. Man wollte die circadiane Rhythmik der Arbeiter umstellen. Was nach Berichten von Beteiligten gelungen sein soll. Allerdings hätten die Arbeiter 3 Wochen mit Sonnenbrillen herumlaufen müssen und das Schichtsystem hätte auf eine kontinuierliche Nachtarbeit über Wochen  umgestellt werden müssen. Ich kannte zwei Beteiligte Mediziner, die heute darüber lieber schweigen.

Der Witz zu dem obigen Beispiel: Solche Arbeiten gibt es praktisch nur noch in Fernost. Die Arbeiter bekommen auch keine € 2585 Monatslohn. Es geht aber besser, wie das nächste Beispiel zeigt:

Eine Schule mit 80 Lehrenden gibt es schon. € 2780 Arbeitskosten vermutlich auch nur in Fernost. Die Einstiegsgehälter von Lehrern liegen zwischen 3.505,08 (Saarland A l2) und 4.579,86 (Bayern A13). Zum Grundgehalt kommen noch Familienzuschlag und etliche Zulagen kommen. Somit läge bereits das Einstiegsgehalt von Lehrern fast 50% über der hier angenommen "labor cost", also Arbeitskosten. Und Arbeitskosten für akademisches Personal am Gehalt festzumachen, würde auch das berühmte Milchmädchen auch nach drei Bier nicht tun.

Sagen wir mal, es täte es, das Milchmädchen. Wer will aber seine Beleuchtung durch eine HCL-Beleuchtung ersetzen, um den Arbeitsausfall von Lehrenden durch mentale Probleme zu minimieren, die durch den Zappelphilipp verursacht würden? Selbst eine Schulbehörde, die sich sehr human geben will, hätte viele Klimmzüge machen müssen, um irgendjemanden zu finden, der das Geld bewilligt. Und dieser würde der nächste Star von Extra3 werden. Irrsinn des Monats. Bei der Heuteshow könnte er zum Vollpfosten des Jahres werden.

Wer amüsante Lektüre mit Zukunftsvisionen sucht, findet sie hier. Wer mehr Zeit hat, kann sich auch ein Video anschauen. Er hat auch auf Licht2021 gesprochen. Wer zusätzlich in das Globale Lighting World eingeführt werden  will, kann sich hier informieren. Meine kompletten Ausführungen zu HCL findet man hier.

 

 

 

 

Wie man eine Notlösung zum Maßstab macht
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Dieser Tage fiel mir die Diss aus 2001 in die Hände. Das war die Hochzeit der Tageslichtprojekte, weil die EU damals das Füllhorn der Forschung über die Lichttechnik und Architektur geöffnet hatte. Beim besagten Projekt ging es um die tageslichtabhängige Lichtsteuerung, von der man wahre Wunder erwartete. Dass sie nicht eingetreten sind, liegt nicht an dieser Diss, aber auch an dieser. Die wahre Ursache ist, dass man die Festlegungen für die künstliche Beleuchtung als Maßstab für die Tageslichtbeleuchtung gemacht hatte. Kann doch nicht falsch sein, wenn man die Tageslichtbeleuchtung an die künstliche anpasst? Stimmt. Es ist genauso richtig als wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt. Was das bedeutet, macht ein Bild aus der Diss besonders deutlich.

Hier sehen wir die Lichtkegel zweier Leuchten, die an der Decke hängen, wie alle Leuchten. Fast alle. Die rote Linie soll nicht unterschritten werden. Denn sie ist die "Soll"Beleuchtungsstärke. Die punktierte Linie zeigt den Verlauf der Beleuchtungsstärke des Tageslichts an, wie ihn jeder kennt. Das einzig Dumme ist, dass die nicht stimmt. Das hängt mit dem Cosinus-Gesetz zusammen, wonach man Beleuchtungsstärken berechnet oder auch misst. Betrachtet man nur die Energie, die an einem Punkt ankommt, ist das Gesetz auch richtig. Deswegen ist es auf dem Äquator wärmer als nördlich des Polarkreises.

Die rote Linie zeigt die Horizontalbeleuchtungsstärke, die gemäß einer Norm für eine bestimmte Arbeit vorgegeben ist. Niemand hat aber je behauptet, dass sie über den gesamten Raum gleich bleiben muss. Für das Sehen ist sie ggf. relevant, wenn das Sehobjekt flach auf dem Tisch liegt und matt ist. Da man die Beleuchtungsstärke in Ebenen misst, fällt sie mit dem Cosinus des Einfallwinkels ab. Daher scheint das Tageslicht, das seitlich einfällt, immer kleiner als es der Wirkung entspricht. Dreidimensionale Objekte wie Gesichter erscheinen nicht dunkler, wenn das Licht nicht von oben fällt, sondern schräg. Die werden sogar besser modelliert. Bei einem Ball, der unter verschiedenen Winkeln beleuchtet wird, wandert der hellste Fleck, aber die erzeugte Leuchtdichte nimmt nicht mit dem Cosinus des Einfallswinkels ab.

Wer mit Beleuchtungsstärken rechnet, sieht in realen Anwendungen eh sehr lustig aus wie dieser Experte bei einer Telekonferenz. (Der ist übrigens Experte für Beleuchtung.) Zudem ist die gesamte Lichttechnik auf dem Trip nach Vertikalbeleuchtungsstärke, woran man die gesundheitliche Wirkung misst. Wenn man nicht die Gesundheit, sondern die schlichte Aufgabe nimmt, dass die Gesichter ordentlich beleuchtet werden - nennt sich visuelle Kommunikation - , hat die eingezeichnete Kurve eh keine Bedeutung.

So wird aus einer Sonderlösung (Leuchten an der Decke, Lichteinfall von oben), die man für große Räume auch noch über den ganzen Raum gleich machen muss, damit alle Arbeitsplätze etwa gleich beleuchtet sind, die maßgebliche. Welchen Maßstab man dazu anlegt (z.B. 500 lx) bestimmen Industrievertreter, die niemandem verraten, wie sie dazu kommen. Einer, dem man das Geheimnis doch offenbaren muss, weil er Chefredakteur einer der wichtigsten lichttechnischen Publikation war (Lighting Research and Technology), hat es treffend beschrieben (hier). Übersetzt heißt der Titel "Von der Festlegung von Beleuchtungsstärken auf der Basis der Sehleistung und andere Märchen".

Er führt aus, dass man 1993 für die Lesbarkeit von kleiner Schrift eine Beleuchtungsstärke von maximal 100 lx hätte festlegen dürfen. Allerdings war er, Prof. Peter Boyce, damit fast ein Vierteljahrhundert zu spät. Ein anderer Professor für Lichttechnik, Bodmann, hatte schon zu Beginn der 1960er Jahre experimentell festgestellt, dass schon 50 lx zum Lesen ausreichen würden. Warum er nicht dabei geblieben ist? Das versteht man, wenn man versucht mit handelsüblichen Leuchtstofflampen einen Großraum mit 50 lx zu beleuchten. Freiwillig wird keiner dort sitzen wollen. Falls einer es doch wollte, wird er nicht sehr lange arbeiten können. Dann übermannt ihn der Schlaf (die gendergerechte Ausdrucksweise für übermannen kann ich im Augenblick nicht finden.)

Heute hätten wir schon die Möglichkeit, mit LEDs 50 lx in einem großen Saal und sehr gleichmäßig zu erzielen. Der Versuch lohnt sich … nicht!

Büroschlaf ist gesund

Tiefere Erkenntnisse - Ein Wort zur zylindrischen Beleuchtungsstärke

Der Mensch muss in die Lage versetzt werden, das zu verstehen, was ihm aufgetragen wird. Ansonsten darf ihm nichts aufgetragen werden. So will es das Gesetz. Der Grundsatz ultra posse nemo obligatur lautet auf Deutsch Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet. Man kann das auch anders ausdrücken, bleibt aber gleich: Ad impossibilia nemo tenetur oder Zu Unmöglichem kann keiner gezwungen werden. Es geht um den deutschen Arbeitgeber, der bei der Beleuchtung aller seiner Arbeitsstätten die "zylindrische" Beleuchtungsstärke realisieren muss. Da er diese Aufgabe gerne einem Lichtplaner delegiert, muss dieser das anstelle des Herrn. Diejenigen Lichtplaner, bei denen die zylindrische Beleuchtungsstärke zum Alltag gehört, können hier aufhören zu lesen.

Für die paar anderen schreibe ich diese Erklärung zum Thema. Für 99,99% der Weltgeschichte war die am weitesten rechts abgebildete Beleuchtungsstärke das Maß aller Tage. Die nennt sich halbsphärisch - und entspricht dem Himmel ohne Sonne. Früher hatte sie naturgemäß keinen Namen. Und es gab nur eine Norm, die das Licht regelte, der Gang des Tages. So etwas ist in unserem technischen Zeitalter einfach out.

Die B-Stärke wurde und wird hauptsächlich horizontal gemessen und hört auf den Namen Eh. Seitdem die Lichttechnik auf dem Gesundheitstrip wandelt, ist Eh erst einmal out. Man redet nur noch von vertikal B-Stärke Ev. Die ist gesund und deswegen hat jeder Arbeitnehmer ein Recht darauf (hier). Da aber gesundes Licht nicht reicht, muss man noch mehr tun: "Voraussetzung für eine gute visuelle Kommunikation und Erkennung von Objekten in einem Raum ist, dass das Raumvolumen, in dem sich Personen bewegen oder arbeiten, beleuchtet sein muss. Dies wird durch die Bereitstellung einer angemessenen mittleren zylindrischen Beleuchtungsstärke, Ēz, im Raum erfüllt." So steht es in der jüngsten Beleuchtungsnorm, die gerade gedruckt wird. Und der Erfüllungsgehilfe ist der Lichtplaner.

Wer so verpflichtet wird, alle Räume, in denen sich Menschen visuell kommunizieren wollen, mit etwas zu füllen, muss zunächst wissen, was das ist. Danach muss er in die Lage versetzt werden, die Füllung bereitzustellen. Erst zu der Größe zylindrische Beleuchtungsstärke EZ. Wie das Bild zeigt, zählen dazu alle einfallenden Lichtstrahlen, aus welcher Richtung sie auch kommen mögen. Hauptsache, sie fliegen waagrecht. Nachdem die Strahlen, die sich alle auf den Zylinder richten, so gemittelt worden sind, mittelt man noch einmal über den ganzen Raum, und fertig ist Ēz.

Das ist das Konzept. Da sich lange Zeit niemand darum kümmerte, kümmerte es auch keinen allzu sehr, dass es falsch kommuniziert wurde. Das ansprechende Bild aus dem Fundus einer großen Firma zeigt erstens nicht die zylindrische Beleuchtungsstärke, sondern die halb-zylindrische. Zweitens kaschierte das Bild den Mangel des Konzepts. Es kann nämlich nicht funktionieren.

Die halb-zylindrische Beleuchtungsstärke, wie sie in dem unteren Bild dargestellt wird, entspricht etwa dem, was ein Beleuchter tut. Er richtet seine Lichter in die Richtung des Objekts. Ist dieses nicht ein Blatt plattes Papier sondern ein Gesicht, macht die Anordnung im Kreis Sinn. Nur die Lichteinfallsrichtung waagrecht ist nicht so günstig. Sei's drum.

Was macht man eigentlich, wenn an einem Ort die Ez nicht hoch genug ist? Man kann sie auf unterschiedlichste Art erhöhen. Zum Beispiel durch mehr Licht von der Gegenseite. Was ergibt das für ein beleuchtetes Gesicht? Nichts außer Blendung. Man kann auch von der Seite mehr beleuchten. Macht auch mal Sinn, aber nicht immer. Je nachdem von welcher Seite man mehr nimmt, fällt der Schatten der Nase auf die andere Seite. Also von vorne? Fertig ist das Mondgesicht.

Muss man das an jedem Punkt dem Raums machen? Nein, aber man weiß ja nicht wo einer steht und aus welcher Richtung er das Gesicht des anderen sehen möchte. Dafür hat die Lichttechnik immer patente Lösungen. Z.B. wenn man nicht weiß, wo sich die Sehaufgabe befindet, beleuchtet man alles. Nannte sich Allgemeinbeleuchtung und war etwa so intelligent wie den ganzen Raum mit Stühlen vollzustellen, wenn man nicht weiß, wo einer sitzen soll. Na, ja, überall sitzen geht nicht, weil das Licht, das beleuchten soll, auch blendet.

So dumm kann doch kein Planer sein? Oder? Ganz sicher nicht. Dumm ist nur die Vorgabe. Nehmen wir z.B. einen Musterraum aus DGUV-I 215-442 - das ist eine "amtliche" Hilfe für die Planung von Beleuchtungsanlagen von Räumen mit Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen. Die rot eingezeichneten Punkte stellen diejenigen Orte dar, an denen die Güte der Beleuchtung gemessen werden soll.  Preisfrage 1: An wie vielen dieser Punkte macht es Sinn, die Ez zu messen? Preisfrage 2: Wie muss man die Beleuchtungskörper anbringen, damit alle Gesichter an den Sitzplätzen richtig beleuchtet, also "modelliert" werden? Preisfrage 3: Bei welchem Wert ist eine angemessene mittlere zylindrische Beleuchtungsstärke, Ēz, im Raum vorhanden, wenn 150 lx vorgegeben sind?

Da sich Lichtplaner eher mit leeren Räumen befassen müssen denn mit vorhandenen wie oben, findet die Planung für leere Räume statt. Hier ist der Raum aus ASR A3.4 abgebildet. Man würde einen solchen Raum mit einem Raster von 100 cm messen. Preisfrage 4: An wie vielen Messpunkten gibt es eine reelle Chance, einen sinnvollen Messwert für EZ. zu erhalten? Diese Frage kann ich sehr zuverlässig beantworten, weil ich solche Messungen schon über 1000 Mal ausgeführt habe. Nur die inneren 6 Punkte machen überhaupt Sinn, weil sie weit weg von den Wänden sind. An 14 weiteren Punkten wird man einen zu geringen Wert feststellen. Allerdings muss die Beleuchtung deswegen nicht schlecht sein. Denn: Wer braucht eigentlich Licht von hinten, um ein Gesicht von vorne zu sehen?

Was erzählt ein Lichtplaner seinem Kunden, nachdem er eine von ihm erstellte Beleuchtung eines solchen Raums sorgfältig gemessen hat? Ich will nicht verraten, wie viele wie begossene Pudel aussehen, wenn die tatsächlich eine solche Messung durchgeführt und sich das Ergebnis zu Gemüte gezogen haben. Die Frage ist eh rhetorisch. Bei der Zahl der vermutlich vorhandenen Messköpfe für EZ werden erst paar Räume vermessen worden sein, wenn alle Deutschen geimpft sind.

Der ganze Unsinn geschieht deswegen, weil niemand weiß und wissen kann, in welcher Richtung die Sehobjekte, hier Gesichter, in einem Büro ausgerichtet sind. Ergo wählt man eine Größe, bei deren Auslegung man nicht wissen muss, in welcher Richtung man etwas beleuchten muss. Daher fällt die Wahl auf die EZ. Die wird umso größer, je größer der Beitrag der Lichtquellen aus allen Richtungen ausfällt. Wenn man sich das Ganze von oben anschaut, sieht man die Lichtquellen, die den Zylinder beleuchten. Die sieht man allerdings nur auf Zeichnungen.

Ist der beleuchtete Raum sehr hoch und hat man beliebig viele Lichtquellen, die man ausrichten kann, kann man in großen Sälen was mit dem Konzept anfangen. In den Karnickelställen, die sich heute Office nennen dürfen, kann man hingegen einen Lacherfolg erzielen. Immerhin: Satire darf alles.