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FILD Federation of International Lighting Designers

Die Lichtdesigner nehmen einen weiteren Anlauf, ihren Berufsstand in organisierte Bahnen zu lenken. Zwölf Gründungsmitglieder, bestehend aus Lichtdesignern und Professoren haben in Dezember 2014 FILD gegründet. Zwei der Gründungsmitglieder gehörten zu den Gründungsmitgliedern der ELDA (European Lighting Designers´ Association) in 1994. Diese ging später in Professional Lighting Designers' Association (PLDA) auf.

Den Gerüchten zufolge waren zwei andere Gründungsmitglieder der ELDA in 1994 maßgeblich daran beteiligt, dass die PLDA Anfang Januar 2014 einen Insolvenzantrag stellen musste. (mehr hier  oder da). Am Vorabend der Messe Light & Building ließen dann einige Mitglieder Kerzen im Main schwimmen, auf dass eine neue Zukunft anbahne.

Wie sich der neue Verband entwickelt und welche Beziehungen zu dem Internationalen Verbands für Lichtdesigner (International Association of Lighting Designers, IALD) entstehen werden, ist noch abzuwarten. Seinerzeit waren IALD die Verpflechtungen nicht genehm, die letztlich zum Exitus von PLDA geführt haben.

Ein Verband für Lichtdesigner ist kein Verband wie tausend andere, sondern eine Option auf die Zukunft der Beleuchtung. Insbesondere in Deutschland sehen neue Gebäude zu mehr als 90 % keinen qualifizierten Lichtplaner. Selbst bei Gebäuden, deren Erstellungskosten so hoch liegen, dass man sich zum Aufschreiben noch ein paar Nullen extra besorgen muss, kann man erleben, dass der Planer nicht einmal die richtigen Lampen ausgesucht haben kann. Oder Heinzelmännchen bauen absichtlich falsche ein. Die Misere fängt schon beim Kopf an, bei dem des Bauherrn, in dem kein Platz für die Planung von Licht vorhanden ist, ich meine für die Kosten. Dies von Grund auf zu ändern, kann nur ein mächtiger Verband, der das Berufsbild prägt und dessen Fähigkeiten unter Beweis stellt. Die PLDA war dabei. Nun soll es FILD richten.

Viel Glück!

Sind LED effizient?
   

Was nützt es, die Geschwindigkeit zu verdoppeln,
wenn man gar nicht weiß,
in welche Richtung man will?

Heute hatte ich Zeit, das Februar Heft von High Light zu lesen. Ich hatte mit einem Freund gewettet, dass wir keinen Beitrag ohne LED darin finden würden. Bingo! Wär´ auch ein Wunder. Die eignen sich doch bestens als Highlight …

Ein Autor, ein Key Expert von einem der Key Suppliers (Pardon!) versucht sich in Effizienz. Er meint, dass die LED aufgrund diverser Vorteile ein integraler Teil der Allgemeinbeleuchtung sei. Seit geraumer Zeit sei die Effizienz höher als bei "konventionellen" Lichttechnologien. Dann fragt er sich "Wie wird die Effizienz jedoch definiert?"

Das frage ich mich auch. Der Mann hat einen grenzenlosen Humor: "Spricht man umgangssprachlich von der Effizienz von Lichtquellen, so ist meist die Lichtausbeute gemeint." Seit wann redet der Volksmund von Effizienz? Der sagt bestenfalls, "taucht nix, saugt zu viel Strom" oder ähnlich. Dann beschreibt der Autor, was man auch vor 40 oder gar 50 Jahren über die V(λ)-Kurve, das Strahlungsspektrum der Lampe und der Lichtausbeute gelernt hat. So etwa sinngemäß, "setzt Du blaue Lampen ein und willst rotes Licht, kriegst nicht viel raus." (Nicht genau, aber eine ähnliche Story hatte der selige Prof. Helwig auf Lager aus der Zeit, als das blaue Licht deutscher Polizeiautos festgelegt wurde. Da waren die Lampen eher rot und die Signalleuchte sollte blau leuchten.) Dann kommt es: Weil (oder wenn) man zum Erzeugen von weißem Licht blaue LEDs einsetzt, sind sie dann effizient, wenn die Farbtemperatur höher ist. Wär´ ich nie auf die Idee gekommen.

Will man eine gute Farbwiedergabe haben, muss man halt mit einer geringeren Effizienz leben. Der lichttechnische Volksmund kannte dies auch von den konventionellen Lichttechnologien, hat das ganze nur nicht so geschwollen ausgedrückt. "Bisherige Lampentechnik" hätte vollauf genügt.

Der Autor erzählt weiter: "LED wurden im Laufe ihrer Entwicklung immer heller und damit immer effizienter. In manchen Anwendungen ist aber eine höhere Effizienz nicht unbedingt notwendig. Warum ist die Nachfrage nach immer helleren und effizienten LED dennoch so groß? Ein Grund ist gewiss, dass effizientere Leuchtdioden die Kosten auf Systemlevel signifikant reduzieren können." Wenn man nur wüsste, was Systemlevel ist und welche Kosten der Mann meint.

Wenn er gewusst hätte, was ich unter Systemlevel verstehe wie viele andere, hätte er sich den ganzen Artikel sparen können. Auch seine Altvorderen sind vor einiger Zeit in Brüssel vorstellig geworden, weil die "Effizienzexperten" der EU-Kommission Lampen für sich betrachten. Eine Effizienz von Lampen allein zu betrachten, sei Unsinn, lautete deren Argument. Ist es auch! Während man eine Edison-Funzel einfach in eine Fassung schrauben kann, die selbst an einer Strippe von der Decke hängen darf, muss man für andere Leuchtmittel eine formidable Elektronik betreiben. Immer hellere und "effizientere" LEDs freibrennend zu betreiben, kommt einer vorsätzlichen Körperverletzung gleich - oder ist eine Körperverletzung -, ergo muss man sie in Leuchten packen und eventuell auch indirekt betreiben. Baut man die Leuchten falsch, geben die LED den Geist sehr schnell auf, nachdem sie ganz schön ineffizient gelebt haben. Sprich geringere Lichtausbeute, wildes Flackern gegen Ende der (kurzen) Lebensdauer etc. bis Exitus! Da haben die konventionellen Lichttechnologien, so z.B. Glühlampen oder Leuchtstofflampen sogar unschlagbare Vorteile, sie gehen einfach aus. Hingegen leuchten in LED-bestückten nicht-konventinellen Lichttechnologien viele Elemente munter weiter, während manche dunkler werden und andere flackern. Die ganz dunklen toten LEDs runden das Erscheinungsbild eindrucksvoll ab. (mehr hier)

So gesehen ist der Artikel erst einmal für die Katz. Schlimmer ist aber das Fehlende in dem Artikel: Die Eignung, sprich Gebrauchstauglichkeit. LEDs mit hoher Leuchtdichte eignen sich wie gesagt als Highlight, damit macht man Dekoration und keine Allgemein-Beleuchtung. Der Architekt setzt "Lichter", um Glanz in eine Szenerie zu bringen, der Fotograf tut dasselbe, um Gesichter zu beleben. OLEDs weisen hingegen geringe Leuchtdichten auf und eignen sich besser als Leuchtmittel für Allgemeinbeleuchtung. Leider sind sie halt nicht so "effizient". Schert man LEDs im Allgemeinen, und OLEDs im Speziellen, über denselben Kamm, schneiden die letzteren schlecht ab. Somit würgt man durch Vorstellungen, die schon immer falsch waren, eine vielversprechende Technologie ab.

2015
     

 
Dieser Effizienzartikel ist neuer Wein in alten Schläuchen. Leider kein Highlight! Ich wäre als Lichttechniker stolz, den Begriff Lichtausbeute zu verwenden, den diese Technik seit Ewigkeiten verfolgt und pflegt, während anderen das Wort "Effizienz" erst neulich ein Begriff zu werden scheint.

 

Die Lehmschicht alias Lichtplaner

2015

Die Lehmschicht ist etwas Schönes, wenn man sich einen Gartenteich bauen will, ohne auf Produkte aus Leverkusen zurückzugreifen, zum Beispiel. Ich hatte als Jugendlicher die Ehre, Profile von Erdschichten zusammen zu kleben, damit sich die Geologen ein Bild von einer Bohrstelle machen konnten. Damals arbeitete ich als Hiwi für die Firma Deilmann, die auf Ölsuche spezialisiert war. Die Profile sahen aus wie ein Schnitt durch eine Sachertorte, aber meterlang. Sieht man darauf eine Lehmschicht, kann man sich auf Wasser freuen, denn Lehm ist wasserdicht. Lässt nichts von oben nach unten durchsickern, und umgekehrt genausowenig.

Im Arbeitsleben werden aber eher unschöne Sachen als Lehmschicht bezeichnet. Dazu gehört z.B. das mittlere Management, das davon lebt, dass die Oberen nichts von dem mitbekommen, was bei den Mitarbeitern passiert, bzw. umgekehrt. Der Lichtplaner gehört nicht dazu, bildet aber eine besondere andere Art Lehmschicht. Das merkte ich, als wir eine Roadshow für einen großen Leuchtenhersteller organisiert hatten, dessen Klientel der Lichtplaner war. Bei jeder Veranstaltung hatte ein Mitarbeiter aus dem Entwicklungslabor des Herstellers teilgenommen. Die wunderten sich, was die Lichtplaner so alles wussten und wollten, wovon sie selbst keinen blassen Schimmer hatten. Im praktischen Leben erlebte ich dasselbe etwa so: Ich bitte den Chef einer Entwicklungsabteilung um tätige Hilfe bei einer Lichtplanung seiner Firma, der auch zusagt. Trotzdem geht alles daneben, weil in jeder Stadt eine andere Lösung mit den gleichen Leuchten gefunden wird. Mittlere Beleuchtungsstärke so von 350 lx bis 900  lx. 500 sollte es sein. Es musste sogar sein, weil sich der Kunde verpflichtet hatte, genau diesen Wert einzuhalten. (Warum das? Bitte unten lesen, falls Interesse vorhanden) In einem anderen Fall bitte ich den Mann mit der gleichen Rolle bei einem anderen großen Hersteller, er möge mir eine erfolgreiche Planung nennen, die unter üblichen Umständen zustande gekommen sein sollte. Von den fünf Objekten, die er genannt hat, hätte er drei bestimmt nur seinen ärgsten Feinden empfohlen. Meine Intention war eine Dokumentation des Erfolgs eines bestimmten Produkts der Firma. Ich hätte aber das Gegenteil dokumentieren müssen. Zum Glück konnte ich zwischen der Leistung der Firma und dem Unvermögen der Planer deutlich unterscheiden. (Auch das steht unten erklärt.)

Wie kommt es dazu, dass Leute, die Produkte für ihr Unternehmen entwickeln, keine Ahnung davon haben, was mit denen in der Praxis passiert? Ich denke immer an die Lehmschicht. Der Lichtplaner, eine schillernde Persönlichkeit von Elektrotechniker bis esoterischer Künstler mit Architektenausbildung, verhindert, dass die Information aus der Praxis in die Entwicklung fließt. Nicht absichtlich, sondern aufgrund der herrschenden Verhältnisse. Dabei gibt es genügend Beispiele für das genaue Gegenteil: Der Lichtplaner entwickelt eine Leuchte für ein Projekt, eine Sonderleuchte wenn nötig, aus der später ein Serienprodukt wird. Es gibt sogar findige Lichtplaner, auf deren Wunsch hin Leuchtmittel neu konzipiert werden. Wieso funktioniert dennoch die Lehmschicht? Ich denke, das liegt an der Vertriebsstruktur für die Produkte der Lichttechnik. So etwa 90 - 95% der Büroprojekte, die ich kenne, wurden ohne einen qualifizierten Lichtplaner realisiert. Die Leuchten gingen bei dem Elektrogroßhändler über die Theke und wurden irgendwie an den Decken platziert. Sehr häufig nur gleichmäßig verteilt an die Decke geschraubt. Einen eventuellen Misserfolg meldet der Kunde häufig nicht an den Planer, und der meldet ihn nicht an den Hersteller. Dazu müsste der nämlich wissen, was die Ursache des Misserfolgs ist. Wenn die Leute überhaupt merken, dass es sich um einen Misserfolg handelt. Was sie da an die Decke nageln, ist eine Beleuchtungsnorm. Und die kann doch nicht falsch sein? Oder?

Wie sieht die Zukunft aus? Ich denke schlechter als jetzt. Noch kennt der Hersteller seinen Großhandel und umgekehrt gilt es auch. Wenn Komponenten in Korea erstellt, in Gehäuse aus Vietnam eingebaut, in Singapur verkabelt und das Ganze als Leuchten über Thailand nach Rotterdam verschifft werden, wird man sich nach der Lehmschicht sehnen. Vielleicht auch nach der Norm …

* Zu der Verpflichtung 500 lx einzuhalten:

In Deutschland gilt die Pflicht, den Stand der Technik einzuhalten. Jedenfalls theoretisch. Am einfachsten ist es, wenn man es schafft, seine Vorstellungen in eine DIN-Norm zu bringen. Die gelten fast immer als Stand der Technik. Natürlich versucht jeder Hersteller, den Stand der Technik in seinem Sinne zu definieren. Im besagten Fall stand ein Anwender von Computern vor dem Arbeitsgericht und musste sich ausdrücklich verpflichten, den Stand der Technik einzuhalten, weil ansonsten der Betriebsrat die Einführung der Technik hätte verhindern können. Computer wurden und werden über Bildschirme bedient. Und bei denen war der Stand der Technik relativ mies. Diesen versuchte ein Hersteller von Bildschirmgeräten dadurch akzeptabel erscheinen zu lassen, indem er Gutachten in Auftrag gab, nach dessen Ergebnis nicht die Geräte schlecht waren, sondern die Beleuchtung. Die Geräte würden funktionieren, wenn die vermaledeite Beleuchtung maximal 500 lx erzeugen würde. Dies fand man so toll, dass es in Zeitschriften und sogar in Büchern propagiert wurde. 

Dämlichweise war der "Stand der Technik" in Sachen Beleuchtung ansonsten so definiert, dass der Anwender eine "Mindestbeleuchtungsstärke" einhält, die in einschlägigen Normen angegeben ist. Daher die Zahl 500. Wie hält man aber genau 500 lx ein, wenn man Gebäude in 38 Städten mit den gleichen Leuchten beleuchtet? Wo es doch leichter scheint, bei Zahlenlotto vier Richtige zu tippen als die richtige Beleuchtungsstärke auf 200 lx genau zu projektieren. (Kein Scherz, die Wettervorhersage ist fast immer genauer als die Berechnung der Beleuchtungsstärke.)

Das eigentlich Dämliche war aber die Tatsache, dass sowohl der Hersteller der besagten Bildschirme, einer der größten deutschen Computerhersteller seiner Zeit, und der Initiator der besagten Beleuchtungsnormen, einer der größten Leuchtenhersteller seiner Zeit, derselbe war, der auch die besagte Beleuchtungsplanung hätte erfolgreich durchführen müssen. Auch das Gutachten hatte dieser in Auftrag gegeben. Und die, die Gutachten und die Normungstätigkeiten in beiden Fällen durchsetzten, waren sogar dieselben Personen. Das ist eine andere Art Dreieinigkeit. Oder sollte man lieber Dreifaltigkeit sagen? Irgendwas mit "Falt" war es schon. Vielleicht Ein-.

Die Quadratur des Kreises ist eine aufregende Angelegenheit. Eigentlich eine spielend einfache Sache, weil der Kreis ohnehin ein Quadrat ist, dem es lediglich an Ecken mangelt. Trost für die Nachwelt: Die Firma stellt keine Computer mehr her. Sie stellt auch keine Leuchten mehr her. Und die Norm, die die miesen Bildschirme in besserem Licht hat erscheinen lassen wollen, die gibt es auch nicht mehr. Den vielseitig verwendbaren Gutachter habe ich auch schon länger nicht gesehen.

Prof. Hastig als Puppe
Prof. Hastig als Puppe
Prof. Hastig als Puppe

* Zu den Problemen, die der Planer alleine schafft:

Bei dem besagten Projekt ging es darum, dass ein Produkt (Leuchtenreihe), die vermutlich günstig beurteilt werden würde, tatsächlich in der Praxis ankommt. Das Vermutliche stammte von mir und würde sehr wahrscheinlich in der Praxis auch so eintreten.

Der Hersteller war der Meinung, dass bei den von ihm genannten Projekten dieses Produkt für die Realisierung der Beleuchtung eingesetzt worden wäre. Insofern stimmte es, das Produkt wurde eingesetzt. Es war eine Stehleuchte mit großem Indirektanteil. In anderen Projekten hatten wir mit ähnlichen Leuchten große Erfolge erzielt. Das besagte Produkt sollte in der Theorie so gut sein, dass die mit ihm erstellte Beleuchtung auch ohne einen großen Planungsaufwand erfolgreich sein würde. Denn ich weiß, dass kaum jemand viel Geld für die Planung ausgibt. Da muss der Planer seine Kohle irgendwie anders ausbaggern.

Als ich die realisierten Objekte sah, dachte ich, mich trifft der Schlag. In einem Fall war es nicht einmal fertig, aber als fertig gemeldet, wovon sogar das Planungsbüro keine Ahnung hatte. Nur der Planer vor Ort kannte den tatsächlichen Zustand. Der größten Geniestreich hatte einer geschafft, indem er zu den Stehleuchten Halogenspots zugeordnet hatte, damit seine Beleuchtungsstärke stimmt. Mit den Stehleuchten kriegte er die vermeintlich erforderliche Gleichmäßigkeit nicht hin, somit auch die Beleuchtungsstärke nicht. Die Spots waren exakt auf die Arbeitsfläche vor dem Benutzer ausgerichtet und machten das Licht eher ungleichmäßig. So weit, so gut. Die so beglückten Leute hatten aber als hauptsächliche Sehaufgabe die Prüfung von glänzenden Objekten, deren gesamte Oberfläche auch noch wegen Fälschungssicherheit gekrizzelt sein musste. Genau deswegen hatte der Hersteller seine Leuchten vorsehen wollen. Die Oberfläche ist absichtlich so schlimm gestaltet, dass es keine Kopierer und keine Scanner schaffen, diese sauber abzulichten. Dafür ist sie nämlich da. Aber wofür braucht man die Beleuchtungsstärke? Sie kann bestenfalls das  Sehen verhindern.

Irgendwann mal schaffte ich es, genügend Objekte zu finden, die keiner hatte verhunzen können. Das Ergebnis sah so positiv aus, dass der Auftraggeber meinte, wir hätten es nicht so doll frisieren sollen. Weniger positiv hätte ihm auch gereicht. Wir hatten aber nichts geschönt. Die Beleuchtung war einfach gut.

master of disaster
Reflexblendung
master of disaster

2 Shades of Grey

2015
 

In den 1990er Jahren hatte ich eine wissenschaftliche Studie erstellt, deren Ergebnis niemand lesen wollte. So etwas soll es öfter geben. Z.B. dann, wenn eine Studie nicht nur eine Misere aufdeckt, sondern auch noch die Täter entlarvt. Dummerweise gehörten die Täter zu meinen Auftraggebern im entferntesten Sinne. Anlass war die ganz große Studie "Licht und Gesundheit", die wir im Jahre 1990 veröffentlicht hatten. Eine Sache darin will mich bis heute nicht in Ruhe lassen: Frauen in deutschen Büros fühlten (und fühlen) sich mehr gesundheitlich beeinträchtigt durch mangelnde Farbe als Männer. Aber warum? Kann Farbe überhaupt Gesundheit beeinträchtigen?

Durch viele Messungen in mehr als eintausend Arbeitsräumen hatte ich festgestellt, dass fast alle Gegenstände in den Büroräumen grau waren, Computer, Bürotische, Kopierer, Telefone und und und. Na, ja, man braucht dazu keine einzige Messung, man sieht es auch so. Ich wollte aber die Mechanismen entdecken, die zu diesem Grau geführt hatten. Dazu muss man wissen, um welche Schattierungen von Grau es sich handelt. Und welche Schattierungen der institutionellen Entscheidungsfindung dazu geführt hätten.

Der erste Verdächtige, die Verantwortlichen für die Beleuchtung, schied ziemlich schnell aus, weil nicht zuständig. Die Lichttechnik fühlt sich zwar für die Farbwiedergabe zuständig, aber nicht für die Farbgebung. Daran ändert sich relativ wenig, dass die Festlegungen in den Normen (Ra > 80) Grenzwerte angeben, die grenzwertig sind. Zudem gibt es international führende Lichttechniker, die weitaus schlechteres (Ra = 70) toll finden. Wer war es dann?

Vier Haupttäter habe ich dann ausfindig gemacht, davon war einer der Konzernchef höchstpersönlich. Bei zwei handelte es sich um Vorstandsgremien, während der letzte Haupttäter gar keine Person war, sondern "die Gepflogenheiten der Branche". Unabhängig davon gab es zwei Versionen von Grau, warm oder kalt. Da kann man noch so gute Farbwiedergabe für die Lampen vorsehen, die Bude sieht triste aus.

Eine Kurzfassung der Studie sollte unter dem Titel "Wie kommt das Grauen in deutsche Büros" veröffentlicht werden. Die Zeitschrift Licht schloss ich erst einmal aus, weil deren Leser mit dem Ergebnis relativ wenig anfangen konnten. So erschien der Beitrag in einer Bürozeitschrift, deren hauptsächliche Leser bei Bürofachhändlern zu finden waren bzw. in deren Räumlichkeiten ein- und ausgingen. Eine Herzensangelegenheit war das allerdings nicht, weil die Bürofachhändler diese grauen Möbel verkaufen mussten bzw. gerade wegen ihrer Verkaufspolitik zu den Haupttätern zugezählt werden müssten. Und die, die Verkaufspolitik lässt sich leider nicht ändern. Denn diese wird hauptsächlich durch die Wünsche des Kunden bestimmt. Ist etwa der Kunde die Quelle des Grauens?

Gewissermaßen, ja. Er weiß es aber meistens nicht. Alle Haupttäter, die ich identifiziert hatte, hatten mit Rücksicht auf den Kunden gehandelt, obwohl ihre Aktionen nicht abgestimmt waren. Die zwei größten, IBM und Siemens, waren mit Maschinen und Computern auf allen fünf Kontinenten unterwegs, und wussten, dass die Völker der Welt unterschiedliche Farben lieben. Ergo? Man macht die Geräte schwarz, und die sehen chic aus! Dann kam die Ergonomie und sagte, schwarz ist zu dunkel. Und dann? Den Produktgestaltern von Siemens wurde aufgegeben, schwarz-grau zu wählen, z.B. schwarz die Tastatur, grau das Gehäuse. Bei der nächsten Gerätegeneration dann umgekehrt. Toll! IBM war noch schlauer und ordnete an, dass kein IBM-Gerät in keinem Land den dortigen Vorschriften widersprechen möge - das Ziel verfolgt die Firma mindestens schon seit dem Krieg - Ergo: Grau mit einem Reflexionsgrad von fast genau 0,42. Kieselgrau, um sehr genau zu sein. Die besagte Bürozeitschrift machte daraus Computerschmuddelgrau, weil mittlerweile auch viele andere Computermacher auf den Zug aufgesprungen waren. Etwas völlig anderes verfolgte indes die Firma Nixdorf. Deren Gründer des gleichen Namens war überzeugt davon, dass Menschen Computer nicht hell begeistert aufnehmen würden. Deswegen mussten die sichtbaren Geräte grau sein. Und vor allem so klein wie es geht.

Der letzte Haupttäter, "die Gepflogenheiten der Branche", hatte erlebt, wie Büroorganisatoren, die Ende der 1960er Jahre angeregt durch die Schockfarben, die damals Kleidung, Autos und auch noch Köpfe der Menschen zierten, im Büro durchgefallen waren. Wer neue Möbel kaufen wollte als Erweiterung der alten Beschaffung, bekam seine Möbel häufig in anderer Farbe oder in Melamin ohne Aufpreis. Damit war das Farbkonzept futsch, so es überhaupt existiert hat. Die Käufer, meist Büroorganisatoren, sind Menschen mit bestimmten Eigenschaften: Männer. Fast alle Farbenblinden der Welt gehören diesem Geschlecht an. Zudem sind sie in vielen Berufen seit Jahrzehnten sozialisiert und konditioniert durch die farblichen Anforderungen an ihre Kleidung, nämlich keine. Während Frauen das "kleine Schwarze" nur für bestimmte Anlässe anziehen mussten, zum Tanztee z.B., waren Angehörige bestimmter Berufe gezwungen, sich grau zu kleiden, so auch Elektriker, Fernmeldetechniker, Vorstandsfahrer u.v.a.m. Andere waren aus rein praktischen Gründen von der Mama so ausstaffiert worden. Zu denen kamen viele, viele hinzu, die dasselbe wollten wie Nixdorfs Computer: Nur nicht auffallen.

Jetzt schreiben wir das Jahr 2015, und IBM stellt keine sichtbare Computerhardware mehr her. Siemens hat die Sache mit der Computerei gar ganz an den Nagel gehängt, Nixdorf ist in den ewigen Jagdgründen eines Computermuseums angekommen, und Büroorganisatoren mit dem Erfahrungsbackground der Schockfarben sind nicht mehr aktiv. Apple hatte ab 1998 die Computerwelt mit Farben (iMac) in einen Schockzustand versetzt und die Pleite abgewendet, aber kurz darauf sogar die Farben des Regenbogens aus dem Firmenlogo entfernt.  Und wie sieht das Büro von Heute aus? Noch grauer als einst! Jetzt ist das Graue nicht weit entfernt vom Menschen, sondern direkt vor´m Kopp: Der Akustiker macht es! Die Büros werden mit allerlei Brettern ausgestattet, die den Schall dämmen oder dämpfen sollen. Und die sind fast alle grau. Warum? Aus dem gleichen Grunde wie bei den Büromöbeln (außer Bürostühlen).

Und das macht der Lichtqualität den Garaus, so sie überhaupt vorhanden war.

Graues Büro
Graues Büro
Graues Büro
Graues Büro
Graues Büro
Graues Büro
Graues Büro
Graues Büro

Es werde Licht - sagt der Tagesspiegel

2015

Es werde Licht - sagt normalerweise Gott, jedenfalls für Gläubige, die das Testament lesen. (Ich will nicht behaupten, ob es im AT oder NT so heißt). Heute hieß es im Berliner Tagesspiegel so: "In der Stadt gibt es von allem zu viel. Lärm, Schmutz, Bewegung. Auch öffentliche Beleuchtung ist dabei ein Ärgernis. Plätze und Straßen gehen in einer „Soße“ unter, und Energie wird an den Himmel verschwendet. Ein Spaziergang durch einen Berliner Notstand …"

Zum Abkürzen ist der schöne Beitrag zu schade. Deswegen möge jeder selber lesen, was die beiden Autoren, Dagmar Dehmer und Stefan Jacobs uns sagen wollen (hier). (Politically correct wäre "die Autorin Dagmar Dehmer und der Autor Stefan Jacobs" zu schreiben. Der Artikel stammt aber nicht aus der TAZ.). Ich will nur einige Highlights (keine missglückte Anspielung) zitieren, die ich lustig finde:
das Licht fällt auch auf vieles, was gar nicht
beleuchtet werden müsste“. Etwa den Himmel."
Bis dato dachte ich, der Himmel schwebe über Erden, und den würde der Herr selbst beleuchten. Und fallen tun Dinge bestenfalls vom Himmel, aber nicht darauf.

Viel viel lustiger finde ich die Bemerkung über die Speer-Leuchten, so genannt nach dem Rüstungsminister Hitlers, der ein großer Fan von Licht war:
"Zwar erfüllen die Speer-Leuchten ihren Job, sie
machen hell – den neunspurigen Boulevard mit
Mittelinsel, und die Fußgänger darauf, die
schon von Weitem Gesichter derjenigen erkennen
können, die ihnen entgegenkommen. Sogar
Farben unterscheiden sich voneinander. Doch
Völker bemängelt, dass diese Leuchten die
Straße „mit einer einzigen Lichtsoße übergießen“.
Eine einzige Erleuchtung für mich. Ich wohne seit einigen Jahrzehnten dort, finde die Leuchten toll. Mir ist aber äußerst selten auf dem Kaiserdamm einer entgegen gekommen. Die Lichtsoße ist mir hingegen gut bekannt. Die habe ich mit meinem Professor an der Uni, Vor- Vorgänger von Völker, messen müssen, wenn etwa ein Autofahrer einen Fußgänger angefahren hatte. Auf richterlichen Beschluss wurde gutachterlich festgestellt, ob der Missetäter, Pardon Autofahrer, den Angefahrenen etwa hätte erkennen können. Wenn man anstelle der Lichtsoße womöglich kuschelige Lichtinseln geschaffen hätte, damit sich z.B. Liebespärchen wohlfühlen und einen wichtigen Akt der Erhaltung des Biodeutschen begehen, kämen womöglich motorisierte Totschläger ohne Strafe davon. So müssen die Liebespärchen in den angrenzenden Park am Lietzensee, der ohne Soße kuschelig-heimelig beleuchtet ist.

Für das Kuschelig-Heimelige ist Sabine Röck zuständig, deren Vorstellungen von Vorgestern ist, so jedenfalls nach Meinung von Effizienzexperten:
"Trotzdem schwärmt Sabine Röck für das „zauberhafte
Licht, das funkelt“, wie sie sagt. Röck
hat die Firmenchronik für den Lampenhersteller
Selux geschrieben und 2002 über die öffentliche
Beleuchtung in Berlin promoviert. Sie, die auch
das Gaslaternenmuseum im Berliner Tiergarten
wissenschaftlich betreut, setzt sich seit Jahren
dafür ein, die Gaslaternen zu erhalten. Das Effizienzargument
sei bloß vorgeschoben. Röck sieht „die E-Lobby“ am Werk.
„Das Brandenburger Tor wird ja auch nicht abgerissen, weil es
nicht praktisch ist“, sagt sie.“.
Das Effizienzargument ist leider nicht vorgeschoben, sondern einfach falsch. Denn Effizienz ist, wenn man dasselbe Ergebnis mit geringerem Einsatz von Ressourcen erreicht. Im Falle von Licht wäre das Ergebnis die Lichtqualität. Wer die zauberhaften Abende in Berliner Kiezen kennt, die mit Gaslaternen geschmückt sind, wird sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, LED Funzeln dorthin zu pflanzen. Vor dem Brandenburger Tor stehen hinreichend viele, die einem einen Abriss schmackhaft machen wollen. Oder ist die lila Beleuchtung etwa eine neue Qualität, die mir verborgen geblieben wäre?

Niemand in der Lichttechnik weiß, was Lichtqualität ist. Solche die es versucht haben, Lichtqualität zu Papier zu bringen, haben sich daran die Zähne ausgebissen. Solange die Effizienz der Beleuchtung in Lux gemessen wird, und sie wird heute so gemessen, werden Techniker wie ökonomisch Denkende nie verstehen, warum angeblich ineffiziente Beleuchtung die Herzen der Menschen mit Freude erfüllt. Gaslaternen sind keine Beleuchtung, sondern Stadtgestaltung. Na, ja, beleuchten tun sie auch - etwas …
     

Speer-Leuchte

Am Ende des schönen Beitrags kommt der Effizienzexperte zu Wort, in der Person von Sven Lemiss, Geschäftsführer von BIM, das ist der Verwalter der Immobilien des Landes Berlin. Der sagt:
"Etwa sechs Prozent des gesamten
Energiebedarfs in Deutschland gehen auf die
Straßenbeleuchtung zurück.
“. Ergo?
"Bei LEDs sprechen wir von einer Lebensdauer von etwa
50000 Betriebsstunden. ... Zum Vergleich:
Herkömmliche Glühlampen haben etwa 1000 Betriebsstunden,
Energiesparlampen etwa 10000 Betriebsstunden."
Der Herr über die öffentliche Beleuchtung (man siehe sich die vom Brandenburger Tor zum Anlass des Terroranschlags von Paris (hier), und vom Olympiastadion, Anlass s. hier) noch einmal an.) weiß über die Lebensdauer von Leuchtmitteln so weit Bescheid, soweit ihm das Marketing von Lichtfirmen das vorgaukeln. Wie mehrfach in diesem Blog dargestellt, gibt es auch LEDs, die ihren Dienst nach 500 Stunden einstellen, weil ihnen die Umgebung nicht behagt. Und die 10.000 h von Energiesparlampen gehören zu den modernen Märchen, denen sogar Politiker des Kalibers Trittin oder Gabriel geglaubt haben (wollen?). 

Es kommt aber noch schöner. Wie begründet man seine Vorliebe für LED? Z.B. durch Sachargumente: Während die altmodischen Gaslaternen von Berlin, die einst vom Laternenanzünder angezündet werden mussten, auch in heutiger Fassung leider nur ein- und ausschaltbar sind, kann man die LED steuern, und das millionenfach in der Sekunde, wenn man weiß warum. Sven Lemiss weiß, warum:
"Die LEDs bringen eben nicht nur eine
effiziente und gesetzeskonforme Beleuchtung
auf die Straße, sondern machen auch eine ganz
andere Aufenthaltsqualität möglich. So lässt
sich beispielsweise das Licht so steuern, dass
es heller ist, wenn mehr Licht gebraucht wird,
und es gedimmt wird, wenn kaum noch jemand
unterwegs ist."
Da komme ich zurück auf unser Liebespärchen. Wenn es dem nach Kuscheln ist, dimmt sich die Straßenbeleuchtung? Natürlich nicht, erst wenn kaum noch jemand unterwegs ist …! Mir wird es richtig warm ums Herz. Die Straße wird hell wie der Rummelplatz, wenn sie voller Leute ist. Wenn alle weg sind, wird gedimmt. Tolle Vorstellung z.B. für Frauen, die nachts aus der Bahn steigen und die ansonsten sehr helle Straße zappenduster vorfinden:
Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.

Wer sich ein Bild von den tollen Vorstellungen der "Effizienzexperten" und Gleichgesinnten machen will, bekommt hier einige Anregungen. Was von den Vorstellungen über die moderne Straßenbeleuchtung zu halten ist, kann man hier lesen. Sie handelt vom modernen Nachfolger des römischen Laternarius. Und er sieht so urgemütlich aus wie das Exemplar rechts (so hat es sein Hersteller auf der Light & Building 2014 präsentiert). Es ist garantiert, Pardon, zertifiziert gesetzeskonform. Kann mir einer erklären, welche Aufenhaltsqualität mich erwartet, wenn ich an einem Sommerabend am Marheinekeplatz ein Bierchen trinke, nachdem diese Laternen die Gasleuchten ersetzt haben?