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Licht macht krank - Licht macht gesund
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Vor Jahren hatten wir eine lange Studie gebraucht, um zu zeigen, dass die direkt-strahlenden Leuchten - einst als BAP-Leuchte eingeführt - nicht nur jeden Büroraum in eine Höhle verwandeln, sondern auch nachweislich gegen den Arbeitsschutz verstoßen. Wer es gerne ausführlich lesen möchte, kann es hier. Heute ist es mir zufällig gelungen, ein Bild zu finden, das einen Raum zeigt, dessen Beleuchtung eine gute "circadiane" Wirkung haben soll, sprich gesund ist. Das linke Foto zeigt eine frühere Beleuchtung. Sie war mit Spiegelrastern bestückt, die entsprechend der verblichenen DIN 5035-7 Reflexionen auf den Bildschirmen vermeiden sollten. Es war noch, als man stolz war, eine Lösung für die Bildschirmarbeitsplätze gefunden zu haben. Das rechte Bild hingegen unterstützt die circadiane Rhythmik des Menschen durch einen hellen Oberraum.

Ich denke, die beiden Bilder machen es verständlich, was in dem Papier bewiesen wurde. Heute müsste man keinen Beweis mehr führen. Denn Chronobiologen verbinden mit gesundem Licht eine hohe Vertikalbeleuchtungsstärke, die Beleuchtung links erzeugte eine möglichste geringe davon.

 

Als die Menschen nach der Sonne lechzten - das rotierende Solarium

Heute fiel mir wieder das Bild vom rotierenden Solarium in die Hände. Eigentlich suchte ich nach der Quelle der Weisheit, dass sich Menschen zu 90% ihrer Zeit in Gebäuden aufhalten sollen. Deswegen will man die Beleuchtung in Innenräumen so ändern, dass die Leute ständig vom künstlichen Licht beschienen werden. Niemand scheint zu wissen, wie so etwas gehen soll, weil sich das Licht von einer Quelle immer nur in eine Richtung fortpflanzt. Bewegt sich die Quelle, so etwa wie die Sonne, setzt man die in ein Karussel und dreht sie so nach dem Licht. Was macht man, wenn die Lichtquelle steht?

Man kann die Leute nach dem Licht drehen. Warum denn nicht? Früher, ganz früher, als die Menschen uneinsichtig waren, saßen sie Kopf an Kopf und guckten sie sich den ganzen lieben Tag an. Das nannte sich Doppelzimmer und war äußerst beliebt. Ich denke mal, 1990 waren etwa 60 % deutscher Büroinsassen in solchen Räumen untergebracht. Damit beide viel von dem gesunden LIcht abbekommen, müsste die Leuchte zwischen die beiden Tische gestellt werden. So wie die Beleuchtung immer geplant wird, kann es nicht gesund werden. Der größte Teil des Lichts fällt nicht ins Auge.

Schlimmer wäre es geworden, hätte ein Konzept eines Stuttgarter Instituts Fuß gefasst. Die hatten - zum Erstaunen aller - wissenschaftlich festgestellt, dass Menschen in Doppelzimmern lieber Rücken an Rücken säßen. Da wir alle vor der Wissenschaft kuschen, haben Bürozeitschriften die Kunde in die Betriebe getragen. Es kann sein, dass das Forschungsinstitut wirklich das Richtige herausgefunden hätte. Glauben tat es kaum jemand. So sitzen die Leute über 30 Jahre danach immer noch Kopf and Kopf. Wenn sie anders säßen, könnte die gesunde Beleuchtung  nirgendwo sinnvoll installiert werden. Wenn die Menschen schon eine Wand vor dem Kopf haben wollen, dass wollen sie die Bilder ihrer Liebsten oder von schönen Stränden mit Palmen sehen. Dauernd auf Laternen gucken, weil das gesund ist, will keiner.

Man suche in beiden Raumkonzepten die Stellen aus, an denen man eine Leuchte anbringt, die etwa 500 lx vertikal am Auge des dort arbeitenden Menschen erzeugt. Ich denke mal, dass das melanopisch wirksame Licht im Büro noch etwas reifen muss. Unten eine alte Planungshilfe als Beispiel. Das Büro hatte eine Berufsgenossenschaft zum Modellbüro erklärt.

Ist HCL eine Marketingbegriff oder Technologie?
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Endlich ist es mir gelungen, eine der großen Geheimnisse der Geschichte der Menschheit aufzuklären. Wie kommen die Begriffe zustande, mit denen man in der Lichttechnik so um sich wirft? Z.B. mit dem Kürzel LED. Was bedeutet das? Aus dem Munde, Pardon aus der Feder, eines Experten, der ein großes Werk vollbracht hat, hört sich das so an: "Eines der Probleme, die wir mit dem Begriff LED hatten, ist der Umstand, dass er sich nicht nur auf das physische Bauteil bezieht, sondern auch die Technologie beschreibt, was zu zu diesen Diskussionen führte. Wir mussten auch auf Aspekte der Einheitlichkeit der vielen anderen Begriffen achten, die auf LED basieren, nicht nur auf die Stimmigkeit des Begriffs LED selbst." Gab es da etwa Unstimmigkeiten?

Der Protagonist ist Wei Zhang vom IEC/TC 34 und hat mit Peter Zwick, technischer Leiter der CIE, und Joanna Godwin zusammen ein gewaltiges Werk vollbracht: die "Komplette Überarbeitung der Beleuchtungsterminologie", so bezeichnet auf der Website des DKE NORMEN.MACHEN.ZUKUNFT (hier). Ich will niemandem Angst machen, aber die "Beleuchtungsterminologie" ist nicht von Pappe. Die Version, die ich kenne, ist etwa 4 cm dick. Diese wurde einst einvernehmlich vom IEC ausgegeben und trug die Nummer IEC 60050-845. 845 bezeichnete alle Begriffe, die was mit Sehen und Beleuchtung zu tun hatten. Da IEC viel mehr zu tun hat, als sich nur mit Beleuchtung zu beschäftigen, veröffentlicht sie viele andere Teile. Ich weiß nicht wie viele, aber es sind sehr viele. IEC 60050-845 war zuletzt 1987 gedruckt worden. Man musste 2016, 2019 und 2020 kleinere Korrekturen veröffentlichen. Das reichte anscheinend nicht.

So lese ich "Eine unserer Hauptaufgaben war es, die Begriffe und Definitionen für LED zu vereinheitlichen. Dies betraf nicht nur den Begriff LED an sich, sondern auch andere Begriffe wie LED-Modul, LED-Package usw. Es gab etliche Diskrepanzen zwischen der Praxis der IEC und dem, was die CIE in einem 2015 veröffentlichten Anhang zu ihrem Internationalen Wörterbuch der Lichttechnik festgelegt hatte. Es waren viele Besprechungen erforderlich, um diese Differenzen zwischen uns zu klären." (hier)

Lesen ist eine Sache, denken eine andere. Ich denke mal, dass die IEC und die CIE, einst ein Herz und eine Seele, die Kontrolle über die LED (mal Diode, mal Technologie) verloren haben. Im Jahre 2015 waren Begriffe genormt worden, die wohl so nicht hätten genormt werden dürfen. Und nun das! Schlagzeile "LED als Herausforderung". Ich denke, die Herausforderung besteht seit etwa 25 Jahren.

"Eine weitere Herausforderung bestand außerdem darin, Terminologie zu vermeiden, die in der Öffentlichkeit verwendet wird, jedoch eher Marketingzwecken dient als der Beschreibung der Technologie", so Zwick. „Genau wie bei “Smart Lighting“ ist „Human Centric Lighting“ eher ein Begriff des Marketings als ein technischer Begriff. Wir haben beschlossen, der CIE und ISO/TC 274 zu folgen, und stattdessen den Begriff “Integrative Lightingeinzuführen." Da bin ich aber beruhigt. Weg mit dem Marketingbegriff "Human Centric Lighting" hin zu … Was denn? Haben Sie noch nie gehört, was "integrative Lighting" ist? Da stehen Sie nicht allein, denn von 7,89 Milliarden lebender Menschen kennen einige Hundert diesen Begriff. Der wurde in Januar 2021 veröffentlicht. Ebenso ein Novum wie "Lichtqualität".

Während der Lichtqualität eine an den Maßstäben der CIE gemessen steile Karriere bevorsteht, die für die Definition 105 Jahre gebraucht hat, und zum Ausfüllen noch paar Jährchen brauchen wird, wird "integrative lighting" wohl ewig unverstanden bleiben. Jedenfalls in Deutschland. Hier bedeutet integrative Beleuchtungsplanung die gemeinsame Berücksichtigung von Tageslicht und Kunstlicht, während "integrative lighting" bedeutet, man müsse neben der Helligkeitswirkung zum Sehen auch die Wirkungen auf die Biologie des Menschen betrachten. Also  was man hätte seit 100 Jahren tun müssen. Warum bleibt Tageslicht unberücksichtigt? Weil Menschen 90% ihrer Zeit in Gebäuden verbringen (hier). Für die paar Stunden im Jahr, die sie im Freien verbringen, können sie eine Sonnenbrille aufsetzen oder nachts auf die Straße gehen wie Frauen in Saudi Arabien.

Alle Gebäude in Europa abbruchreif - Nicht nur Licht tut not
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Bei der Suche nach LightingEurope, der Lobby der lichttechnischen Industrie, fand ich ein nagelneues Papier, das mir die Spucke wegbleiben ließ. Es heißt "Healthy Buildings for All - Put people’s health and well-being at the center of EU built environment". Die Initiative zielt auf die Gesundheit aller. Da muss man mitgehen. Die EU soll die Gesundheit und Wohlbefinden seiner Bürger in den Mittelpunkt der gebauten Umwelt stellen.

Die Initiative beruft sich auf die WHO - aka World Health Organisation. Diese, die WHO, schätzt "dass Menschen etwa 90% ihrer Zeit in Wohnhäusern und anderen Gebäuden verbringen und 26 Millionen europäische Kinder in ungesunden Wohnungen leben." Weiter heißt es: "Allein  die schlechte Luft in Gebäuden bringt 120 000 Europäern vorzeitigen Tod und verursacht Schäden von 260 Billionen Euro. (Anmerkung: Billion in English ist mehrdeutig. Es können auch Milliarden sein.). Noch was: "97% aller europäischer Gebäude müssen saniert werden. Angemessene Energie-Effizienz, Luftqualität in Gebäuden, Human Centric Lighting (HCL) und Steuer- und Automatisierungssysteme für Akustik, Heizung werden die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen verbessern und mehr Produktivität bringen."

Deswegen rufen die Signatare die verantwortlichen EU Politiker auf, 10 Pakete an Vorschriften zu erlassen. Ich lasse mal die Pakete weg. Mich  interessieren die Organisationen, die den Aufruf unterzeichnet haben. Was steckt dahinter, z.B. hinter eu.back? (Nicht "Au, Backe") Es ist die european building automation controls association bzw. die Stimme der Hersteller von allem, was einem sein Haus automatisieren kann. Diese stimme sagt, es muss alles überwacht werden. Was z.B.? CO2, Luftfeuchte, Temperatur, Tageslichtbeleuchtungsniveau, Luftpartikel, organische Schwebstoffe … Wer einmal in einem klimatisierten Büro gesessen hat, in dem gerade mal die Temperatur und die Luftfeuchte überwacht und geregelt wurden, wird blind den Aufruf unterschreiben, damit in seinem Haus oder in seiner Wohnung das Alles gemessen, überwacht und geregelt wird.

Vieles an Equipment dazu wird man von EPEE beziehen. EPEE steht für die Stimme der Heizung und Kühlungsindustrie. Für die Stimme der Belüftungsindustrie steht EVIA, noch so ein Signatar. Wenn man seinen Fußboden elektrisch heizen will, wird Kunde bei euha - Electric Underfloor Heating Alliance. Wofür die EUROVENT die Stimme erhebt, musste ich aus dem Internet lernen. Die hat etwas von allem, Heizung, Kühlung, Gefriertechnik, Belüftung … REHVA ist auch was Ähnliches. ehpa ist der Verband der Heizungspumpen.

Die geforderten Vorschriften sollen dazu dienen, die jeweilige Messgröße zu erfassen, anzuzeigen und …? … den Unterschied zu den Zielwerten anzuzeigen. So weit, so gut. Wo stehen aber die Zielwerte und wer hat sie festgelegt? Wie es bei den einzelnen Verbänden läuft, weiß ich nicht. Aber ich weiß aus langjähriger Erfahrung, wie es z.B. mit dem Raumklima gelaufen ist: Wir hatten über 5 Jahre die Zufriedenheit der Menschen im Büro mit dem Klima erforscht und festgestellt, dass ihnen die trockene Luft im Winter zusetzt. Ganz hilfreich dabei wirkt der Luftzug, den Menschen ablehnen, wenn er gerade mal messbar ist, also etwa 0,05 m/s beträgt. Das ist, was man mit empfindlichen Geräten gerade mal messen kann.

Der seinerzeit in der Norm DIN 1946 als noch akzeptabel geltende Wert war 0,1 m/s. Er stammte aus arbeitswissenschaftlicher Literatur. Dieser wurde geändert, nachdem wir unsere Werte publiziert hatten. Und das Ergebnis? Das sehen Sie nebenan. Der neue Wert ist mindestens doppelt so hoch oder ca. vier Mal so hoch wie der Luftzug, der Beschwerden hervorruft. Wie kommt das? Das ist ein Geheimnis der Normung, allerdings gut bekannt. DIN 1946 wurde nicht von DIN erstellt, sondern vom VDI. Und VDI-Regeln werden von Experten aufgestellt, die vom Fach sind. Ergo, von den Industrieverbänden abgestellt. Die Gremien, die DIN-Normen erstellen, müssen hingegen die interessierten Kreise möglichst gut abbilden. Weniger vornehm ausgedrückt, VDI-Regeln werden von Vereinsmitgliedern Deutscher Ingenieure ziemlich frei von der Leber weg aufgestellt. (Wer es aus offizieller Quelle erfahren möchte, kann den KAN-Brief 2/10 lesen, hier)

Allerdings haben wir noch Glück, dass unsere Verbände nicht völlig abgehoben vom gemeinen Volk agieren. Wegen der gleichen Festlegung, Luftzug in Arbeitsräumen, hatte ich anläßlich der Erstellung einer internationalen Norm vom US-amerikanischen Herstellerverband diese Stellungnahme bekommen: "Der Wert von 0,1 m/s ist zu niedrig angesetzt. Menschen akzeptieren bis 1,0 m/s. Wir haben den Wert von 0,5 m/s festgelegt, weil sonst das Papier von den Tischen fliegt." Ich fürchte, dass die jetzt wieder höher gehen, weil es kein Papier mehr im Büro gibt.

Was wurde aus den ebenfalls von uns dokumentierten Beschwerden über die trockene Luft? Die lösten die Berufsgenossenschaften einfach in der Luft auf. Nachdem diese über Jahrzehnte bestimmte Werte gefordert hatten (s. ZH1/535 oder ZH1/618, 50% empfehlenswert, 30% bis 65% zulässig), ist die Luftfeuchte heute einfach bedeutungslos. Sie haben dafür gesorgt, dass auch die zuständige Arbeitsstättenrichtlinie nichts mehr zur Luftfeuchte sagt.

Allerdings sind die Berufsgenossenschaften bestenfalls Waisenkinder gegenüber denen, die den "Lärm im Büro" wegdiskutiert haben. Wenn man alle Publikationen zum Lärm im Büro zusammenträgt, kommt eine Menge Papier zusammen, die eine ganze Kamelkarawane zum Transport benötigt. Was ist das letzte Wort unseres Arbeitsschutzes dazu? Hier das Zitat: "(2) Während der Ausübung von Tätigkeiten der Tätigkeitskategorie II darf ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden." Was sind aber Tätigkeiten der Tätigkeitskategorie II? Offiziell das: "Tätigkeitskategorie II – mittlere Konzentration oder mittlere Sprachverständlichkeit: Tätigkeiten, die eine mittlere bzw. nicht andauernd hohe Konzentration oder gutes Verstehen gesprochener Sprache bedingen, … das heißt wiederkehrende ähnliche und leicht zu bearbeitende Aufgaben, das Treffen von Entscheidungen geringerer Tragweite (in der Regel ohne Zeitdruck) … Beispiele für Tätigkeiten und HandlungenSachbearbeitung im Büro". Der zitierte Text stammt aus ASR A3.7 Lärm, erlassen vom ASTA - Ausschuss für Arbeitsstätten. Langsam zum Mitschreiben: Der deutsche Sachbearbeiter hat ähnliche und leicht zu bearbeitende Aufgaben und arbeitet in der Regel ohne Zeitdruck. Er muss nicht alles verstehen, was sein Kunde oder Chef zu ihm sagt, die beiden müssen auch nicht unbedingt alles verstehen, was der Sachbearbeiter sagt. Wenn Sie wissen wollen, was ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) bedeutet, müssen Sie zu einem größeren Bahnhof gehen und dort 8 Stunden auf dem Bahnsteig verbringen. Danach wissen Sie, was 70 dB(A) aus Ihnen machen. Das Diagramm rechts stammt aus einem echten Bahnhof, den die Leute als zu laut empfunden hatten. Dem deutschen Sachbearbeiter ist er nicht zu laut. Jedenfalls laut Arbeitsminister.

Was macht eigentlich LightingEurope in der Gesellschaft der Heizer und Lüfter, die 97% aller Gebäude abreißen oder sanieren wollen, damit danach alles kontrolliert und nach ihren Wünschen geregelt wird? Es sagt: "Ein gesundes Gebäude zeichnet sich durch eine Beleuchtung aus, deren Design sich nach den Bedürfnissen ihrer Insassen richtet und eine genügende Tageslichtversorgung sowie Ausblick bietet." Darüber wird man nicht meckern können. Einzig störend ist, dass zu einer Gebäudequalität unbedingt human-centric lighting gehören soll. Ob alle Signatarverbände wissen, was das ist? Einem nicht von der Hand zu weisenden Gerücht zufolge hat sich der Auftraggeber der Idee, ZVEI aka Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie, von dem Konzept leise verabschiedet und will statt dessen "value of light" fördern. Was die auch alles damit erreichen wollen, der Zielwert für eine Beleuchtung ist mindestens 250 melanopische Lux vertikal - morgens bis 19:00 Uhr. Was dies bedeutet, hatte ich bereits vorgerechnet (hier). Man müsste im Büro die vorhandene Beleuchtung etwa vervierfachen. Abends müssen die melanopischen Luxe gedimmt werden auf maximal 10. Was dies bedeutet, muss ich nicht vorrechnen. Sie können es einfach ausprobieren.

Wenn sich jemand durch den Aufruf der Industrieverbände angezogen fühlt, sollte sich schön warm anziehen. Sie kochen ihr eigenes Süppchen und bitten die EU zum Öffnen der Kassen, damit das Geschäft nach ihrem Wunsch läuft. Wenn Sie hoffen, dass bei Risiken und Nebenwirkungen Ihnen ggf. Ihre BG oder der Arbeitsminister hilft, lesen Sie nochmal, was zu Luftfeuchte und Lärm im Büro oben steht. Ein letztes Wort noch zu der Angabe von 90%. Die Zahl besagt, dass sich Menschen etwa 90% ihrer Zeit in Gebäuden aufhalten. Daraus rechnete Jan Denneman schlappe 5 Milliarden Menschen aus, die HCL bräuchten (hier), weil sie sich eben nur in Gebäuden aufhalten. Denneman war Chef von LightingEurope. Jetzt ist er Chef von Good Light Group. Er will sogar 2000 - 5000 lx für alle. Nichts kann das Geschäft des Gewerks Heizen und Kühlen besser boostern als das. Die Wärme muss ins Freie, auch wenn Menschen nicht dorthin wollen.

Lichtqualität tut not - Was uns die Vergangenheit lehrt
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Soeben fand ich auf Google Scholar ein monumentales Dokument zu Lichtqualität. Es wurde immerhin in 276 wissenschaftlichen Artikeln zitiert. Und die Autorin kämpft heute sogar um noch mehr Ehren. Sie ist in den USA und in Kanada ziemlich hoch dekoriert. Der Artikel heißt "Determinants of lighting quality II : research and recommendations", und die Autoren Veitch, J.A. und Newsham, G.R. Er stellt das Wissen über die Lichtqualität gegen Ende des Millenniums dar (Jahrgang 1996).

Mir fiel zunächst auf, dass unter den 170 Artikeln kein einziger deutscher war. Kann es sein, dass wir in ca 50 Jahren Gemeinschaftstagung "deutsprachiger" Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande) nichts zur Lichtqualität haben verlauten lassen, das zitierfähig wäre? Kann sein. Dafür hat die Autorin 11 Papiere aufgelistet, auf denen sie als erste Autorin steht. Bei weiteren 5 ist sie Mitautorin. 28 Artikel stammen aus Lighting Research and Technology. Dessen Chefredakteur Peter Boyce wird 29 Mal zitiert, die Autorin selbst steht - naturgemäß erst einmal als Autorin - und weitere 49 Mal in dem Werk. Ach, ja, Rea steht auch 30 Mal in dem Papier. Also wird die Lichtqualität wohl wesentlich durch die genannten bestimmt. Oder?

Zunächst eine gerade in diesen Tagen diskutierte Erkenntnis: Biologische Wirkungen erfordern hohe Beleuchtungsstärken. Wenn man von einer minimalen Dosis für gesundes Licht ausgeht, wäre das Tageslicht der effizienteste Lieferant. Außer in Winter an manchen Orten. Exakt 25 Jahre nach diesem Bericht verlangten führende Chronobiologen just eine Minimaldosis am Tage (hier). 1:0 für die Autorin.

Eine dem deutschen Leser etwas komisch vorkommende Feststellung: Feldstudien unter Büromitarbeitern besagen, das Menschen ein Fenster haben wollen. (Dazu 1 Literaturstelle) In Deutschland hat seit 1975 jeder Arbeitnehmer laut Arbeitsstättenverordnung ein Recht auf eine Sichtverbindung über eine klar verglaste vertikale Fensteröffnung. Wurde in den 1960ern von meinem Kollegen Georg Roessler ermittelt. Und von unserem Chef Prof. Krochmann an den Mann gebracht, sprich in die Politik. Damals sprach sich die gesamte Lichtforschung dagegen aus. 1:1 - die nicht berücksichtigte deutsche Literatur war wohl früher und gründlicher. Unsere Arbeit "Licht und Gesundheit" mit 4.500 untersuchten Arbeitsplätzen hatte sogar 1990 den Grund dafür nachgewiesen: Je weiter ein Arbeitsplatz vom nächsten Fenster entfernt ist, desto häufiger gibt es gesundheitliche Beschwerden. An der Sprache kann es nicht gelegen haben, denn die Studie gibt es seit 1991 auch in Englisch.

Diese Erkenntnis wird einem bekannt vorkommen: Der Zugang zu einem Fenster scheint wichtiger zu sein als Information über die Zeit als die Versorgung mit einer Beleuchtungsstärke. Dazu gibt es viele Gerichtsurteile in Deutschland zu dem Thema Sichtverbindung. 1:2 Wir brauchen keine neue Literatur. Die Sache war 1975 erledigt.

Das hier kommt nicht nur Lichttechnikern bekannt vor: Die erforderliche Fenstergröße hängt von einem akzeptablen Minimalwert für die Tagesbeleuchtung ab sowie von der Größe und Form des Raums.  (2 Literaturstellen). In jeder deutschen Landesbauordnung steht nicht nur diese Erkenntnis, sondern auch die Werte dazu, die der Architekt berücksichtigen muss. Ich denke, damit haben die deutschen Behörden vor dem Krieg schon angefangen. Nicht vor dem II. Weltkrieg, sondern etwa 1910. Kein Wunder, dass die Expertin keine deutsche Literatur dazu gefunden hat. 1:3 Wenn man was wissen will, können wir die Erkenntnisse aus dem Museum holen.

Zu Lichtqualität lautet das Ergebnis wie folgt: Bislang (also bis 1996) konnten wir nur herausfinden, dass bestenfalls allgemeine Aussagen zu Lichtqualität möglich sind. 2018 schrieb sie in ihrem Bio, dass sie dafür sorgen werde, dass die CIE die Lichtqualität in ihrem Wörterbuch definiert. Sie, die CIE, hat im Januar 2021 (hier und da). Ein Jahrhundert und paar Zerquetschte nach ihrer Gründung. Wie sieht es bei uns aus? Es gibt eine umfangreiche LiTG Broschüre dazu (hier). DIe ist älter als die CIE-Definition. Zudem besteht die CIE-Definition aus einer bloßen Kopie des Qualitätsbegriffs aus der Qualitätswissenschaft und ISO 9000. Das Wichtigste ist aber dies: DIN 5035 hat den Qualitätsbegriff in die Lichtdomäne schon 1935 eingeführt (hier). Sie hießen allerdings Gütemerkmale. Und die Qualitätsziele hießen: Schönheit, Gesundheit bei akzeptabler Wirtschaftlichkeit. Ich würde sagen, 1:4 mindestens.

Dies hier würde die Expertin nie mehr schreiben: Es wird allgemein geglaubt, dass das Lichtspektrum für die Leistung, Wohlbefinden und Gesundheit wichtig sei. Die Literatur unterstützt den Glauben nicht. Sie hatte einige Jahre davor eine Studie geschrieben, dass die positive Wirkung von Vollspektrum mehr oder weniger Einbildung sei. Jetzt sitzt sie in einem Expertengremium, das die Abhängigkeit der melanopischen Beleuchtungsstärke vom Spektrum genormt hat (hier). Dann lag halt die gesamte LIteratur halt daneben. Reicht 1:5?

Dies würde ihr heute gewaltig um die Ohren gehauen werden: Bestimmte wichtig scheinende Aspekte werden in der Praxis kaum erwähnt. So gibt es eine einzige Quelle (NUTEK, 1994), die elektronische Vorschaltgeräte empfiehlt, um die Störungen durch Flimmern zu beseitigen. Dabei hat sie in diesem Bericht den Autor Wilkins, der den Effekt eindrucksvoll nachgewiesen hat, sieben Mal zitiert. Dummerweise nicht die relevante Publikation. Wilkins hatte in einem Hochhaus festgestellt, dass in höheren Etagen (= größerer Tageslichtanteil) Menschen weniger Kopfschmerzen erlebten als in unteren. Die Differenz verschwand, als die Vorschaltgeräte durch elektronische ersetzt wurden. 1:6

Die folgende Aussage würde in einem üblichen Büro vom Fluchen bis Flaschenwürfen diverse Reaktionen hervorrufen. Allerdings keine positiven: Individuelle Regelung der Beleuchtung wurde als eine generelle Verbesserung empfohlen. Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass eine persönliche Kontrolle nicht immer vorteilhaft ist. Man besuche nur Arbeitsräume, deren Beleuchtung vom Computer gesteuert wird und erzähle, dass fände man toll. Falls man da heil rauskommt, kann man sich weiteren Abenteuern widmen. Als Experte ist man aber verbrannt. 1:7

Last not least: Die Lichtqualität wurde unter Beleuchtungsexpeerten seit mehr als zwei Jahrzehnten oder mehr diskutiert, allerdings ohne Erfolg. Nur wenn die Empfehlungen für eine gute Beleuchtungspraxis nicht nur auf Energiesparen beruhen, sondern eine gute Qualität i.S. menschlicher Bedürfnisse bedeuten, kann man von einem Erfolg sprechen. (Amen). Das war 1996. Im Jahre 2021 veröffentlichte die CIE den folgenden Begriff: 17-29-029: degree of excellence to which the totality of lighting characteristics fulfils user needs and expectations or other applicable requirements. 2:7

Der Laie mag fragen, was denn andere anzuwendende Anforderungen seien. Kaufen Sie einfach die Norm DIN EN 12464-1, wenn der Preis feststeht (dürfte so um 140 € werden). Dort werden Sie in über 50 Tabellen Tausende Anforderungen finden bis zur Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke an den Decken von Ankunftshallen (hier). Danach kommen Ihre Bedürfnisse. Pardon, danach kommen erst einmal die Überlegungen zu melanopischen Beleuchtung. Aber dann kommen wirklich Ihre Bedürfnisse.