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Was ist ungesundes Licht?

 

Da man bekanntlich alles auch anders lesen kann, will ich mal eine offizielle Erklärung des ZVEI (Zentralverband der elektrotechnischen Industrie) einfach anders lesen. Gemeint ist das hier:zvei-positionspapier

Das richtige Licht für jede Tageszeit? Was mag das sein? Tagsüber hell, nachts dunkel macht die Sonne schon immer. Was fügt die Lichtindustrie dazu? Sie will uns das HCL - nicht Salzsäure, sondern … - Human Centric Light als Zukunftsperspektive näher bringen.

Und was haben wir davon? Das sollen wir davon haben: "Human Centric Lighting (HCL) unterstützt zielgerichtet und langfristig die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen durch ganzheitliche Planung und Umsetzung der visuellen, emotionalen und insbesondere der biologischen Wirkungen des Lichts."

Ich lese jetzt mal anders: Wenn HCL die Zukunftsperspektive ist, unterstützt das jetzige Licht visuelle, emotionale und insbesondere biologische Wirkungen des Lichts nicht. Ist das wahr? Scheint so: Vor genau 26 Jahren veröffentlichten wir die Studie "Licht und Gesundheit", die die künstliche Beleuchtung von Arbeitsplätzen als Ursache von Gesundheitsstörungen am Arbeitsplatz nachwies. (komplette Studie hier lichtundgesundheit, und in English dort lightandhealth). (Anm.: letzte Ausgabe der Berichte, 3. Fassung)

Nun will die Industrie für die Zukunft eine Besserung erreichen: "Ein Grundgedanke von HCL ist es, das richtige Licht für jede Tageszeit bereitzustellen. Die Wirkung der Beleuchtung muss ganzheitlich betrachtet werden. Insbesondere wird zwischen der Beleuchtung am Tag und in der Nacht unterschieden."

Ja, jetzt weiß der Unwissende wie der Allwissende, warum die jetzige Beleuchtung ungesund ist. Die unterscheidet nämlich nicht zwischen den Tageszeiten und ist daher nicht "human centric". Licht ist Licht und wird in Lux gemessen. Basta. Steht in jeder Norm zur Beleuchtung, stand in der ASR 7.1 (alt) und steht in ASR A3.4 (neu). Vielmehr noch: in allen Köpfen herrscht dieselbe Meinung.

Wir hatten im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Studie "Der Stand von Wissenschaft und Technik bei neuen Beleuchtungstechnologien am Arbeitsplatz und ihre Auswirkungen." verfasst, (Autoren Cakir G., Cakir A., Kramer H., Schierz C. & Wunsch A. (2011)), die u.a. eine unterschiedliche Beleuchtung für den Tag und die Nacht empfahl. Da die Studie eine Vielzahl von Veröffentlichungen verwertete, gibt es wohl keinen Dissens. Frage ist, wie man aus dem Schlamassel herauskommt. Denn es ist nicht einfach, nach 125 Jahren künstliches Licht und etwa 80 Jahren lichttechnische Beleuchtungsnormung die Praxis davon zu überzeugen, alles Richtige (oder richtig Gebetete) auf einmal als falsch zu erklären.

UBA entzaubert die Marketingmasche - Tageslaufabhängig statt human centric

Wer diesen Blog häufig liest, kennt meine Meinung über Marketing. Es muss sein, darf aber Konzepte nicht ersetzen. Nachdem ich die Sache auch nach Jahren nicht verstanden hatte (hier) und auch nicht nach einer zweitägigen sehr intensiven Diskussion unter Fachleuten und Stakeholdern, zu der KAN (Kommission Arbeitsschutz und Normung) jüngst eingeladen hatte (kan-position_kuenstliche_biologisch_wirksame_beleuchtung_2015-1), freue ich mich, dass das UBA die Sache zum Forschungsgegenstand machen will.

Es heißt: "Schwerpunkt sollen die tageslaufabhängige Beleuchtung (engl. human centric lighting) und die Farbwiedergabe sein". Wie nüchtern - aus human centric lighting soll tageslaufabhängige Beleuchtung werden. Wie man sieht, gibt es in Deutschland offensichtlich Ämter, die ihre Nominierung zum Sprachpanscher des Jahres gefährden.

Da das Projekt mir sinnvoll erscheint, gebe ich unten in Kopie die Zielsetzung, die gesamte Ausschreibung kann man hier abrufen.

Hinter dem Projekt steckt kein Spaß, sondern superharte Arbeit. Denn seit fast 100 Jahren ist die Währung in der Lichttechnik Helligkeit und wird in Lumen abgewogen. Die Verteilung der Lumen auf die Arbeitsfläche heißt Lux und wird meistens zusammen mit 500 benutzt (wer eine Rede zur Beleuchtung hält und nicht 500 lx pro Minute anführt, gilt als Außenseiter.). Was nützt mir aber die ganze Helligkeit, wenn es keine Farben gibt? (nicht nur bei der untersten Helligkeit (Nacht) gibt es keine Farben, sondern auch bei der obersten (Blick in die Sonne)). Farbenerkennen gehört nicht zur Sehleistung. Die Lichttechnik lebt noch in dem Schwarz-Weiß-Zeitalter.

Soweit kann jeder die Sache verstehen. Warum soll die Arbeit aber hart sein? Hat jemand schon mal Sprüche gehört wie "Nachts sind LEDs effizienter" oder "kaltes Licht ist effizienter"? Zumindest das letzte kennt aber jeder Praktiker: Lampen mit einem miesen Spektrum, die (deswegen?) kalt aussehen, haben eine höhere Lichtausbeute. Und wenn man sich denn ein volleres Spektrum wünscht, muss man bis zu 60% mehr Strom aufwenden für die gleiche Menge an Lux bzw. Lumen. Man stelle sich einen Lichtplaner vor, der 20% mehr Strom (und entsprechend mehr an Lampen und Leuchten + Kabel & Klimbim) benötigt als sein Konkurrent, erklärt dem Kunden, sein Licht sei aber wärmer auch wenn ungleich teurer (mal hier gucken: http://healthylight.de/energiesparen-gegen-behaglichkeit/) 

Es geht also nicht um die kinderleichte Aufgabe einer Währungsumstellung, sondern um die Frage, ob eine eingeführte Währung überhaupt eine ist. Nach meinem Dafürhalten ist sie keine. Niemand hat aber bislang eine bessere gefunden. Wer nach tiefergründigen Ursachen sucht, kann hier viele finden (Beleuchtungsstärke – Grundgröße oder Irreführung?). Noch mehr gibt es hier. und da und dort.

Übrigens, das UBA ist nicht das erste Amt, dem die Sache stinkt. Auch The California Energy Commission (CEC) will Schluss machen mit der Mauschelei (auch hier). Mal sehen, wer was zustande bringt. Auch als Optimist sehe ich keine großen Aussichten. Denn es geht ans Eingemachte, und eingemacht wurde es etwa 1925 - in einem Land vor unserer Zeit.

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"EVUPLAN 37EV 16 123 0: „Berücksichtigung der Lichtdienstleistung bei der Festlegung von Effizienzanforderungen an Produkte der Beleuchtungstechnik“
Ziel des Vorhabens ist es, Maßstäbe für die Bewertung der Stromeffizienz von Beleuchtungsprodukten – Lampen, Module, Leuchten – (weiter) zu entwickeln.
Die Stromeffizienz von Produkten der Beleuchtungstechniken erfolgt vielfach mittels der Lichtausbeute. Diese ist jedoch nur ein Maß für die Helligkeit, also nur einen Einzelnutzen, den ein Beleuchtungsprodukt bieten kann. Bewertet werden sollten aber alle von Beleuchtungsprodukten gelieferten Einzelnutzen, die in ihrer Gesamtheit die Lichtdienstleistung ergeben: Licht mit der richtigen Helligkeit, dem richtigen Spektrum, der richtigen Verteilung und zur richtigen Zeit. Die Berücksichtigung der Farbwiedergabe ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Verbesserung; der dafür vielfach verwendete Index Ra umstritten. Die Bedeutung der Tageslaufabhängigen Beleuchtung (engl. human centric lighting) als weiterer Einzelnutzen wird zunehmend erkannt; sie kann aber in ihrer Stromeffizienz noch nicht ausreichend bewertet werden.
In dem Vorhaben soll der Stand der Stromeffizienzbewertung ermittelt werden und auf Grundlage von herstellunabhängig ermittelten Produktdaten soll die Stromeffizienzbewertung erweitert und verbessert werden.
Der Scherpunkte liegt bei den Beleuchtungsprodukten Lampe, Modul und Leuchte, nicht der bei der Gesamtanlage."

55, 65, 200, 500 - Wo ist die Magie?

 
Dass Zahlen magische Eigenschaften haben, wusste man noch vor unserer Zeitrechnung. Sieben bringt Glück, 13 hingegen eher das Gegenteil, insbesondere am Freitag. Dass Techniker ihr Glück in Zahlen suchen, ist hingegen eher verwerflich. In dem beschriebenen Fall besonders hinderlich für Mensch und Technik. Die Rede ist von 55º und 200 cd/m2, die magische Leuchtdichte, die ein bildschirmgerechte Leuchte unter diesem Winkel erreichen sollte. Moderne LED-Leuchten bringen es auf 4000 cd/m2 und sind damit nicht bildschirmgerecht? Lassen wir es lieber sein. Die Zahl steht dem "biologisch-dynamischen" Licht im Wege. Dem LED eh.

Wie ist es zu dieser Zahl gekommen? Wer hat sie ermittelt? Und was hat das mit der Leuchtdichte der LED zu tun? Eine lange Geschichte, deren Anfang im österreichischen Voralpenland liegt. Dort residierte ein Lichtguru und erklärte allen, die es nicht wissen wollten, was eine stabile Wahrnehmung ist. Seine Wahrnehmung blieb über Jahrzehnte bemerkenswert stabil: Beleuchtung muss mit tiefstrahlenden Leuchten erstellt werden. So erfand er in grauer Vorzeit die Evolventenleuchte, deren Licht so gebündelt war, dass man bei seitlichem Einblick die - unbeleuchtete - Decke heller sah als die Leuchte selbst. Dass die Leute, die darunter saßen, das Gefühl hatten, dass ihnen dieselbe - die Decke - auf den Kopf fiele, störte ihn nicht. Er hatte ja eine stabile Wahrnehmung. 

Diese Wahrnehmung verbreitet er so vehement, dass auch Leute, die nichts von Lichttechnik verstehen, davon fasziniert sind. So wollte er in Rattenberg Spiegel installieren, die ein ganzes Dorf seinem bösen Schicksal - sehr kurzer Tag Dank der Tallage - entziehen sollten. Selbst seriöse Journalisten pilgerten hin. Angeblich hat ihn eine Gemeinde verklagt, weil er mit einem Heliostaten eine ganzen unterirdische Einkaufspassage hat beleuchten wollen. Hilft nix - sein Tempel im Alpenvorland oder Voralpenland ist immer noch Pilgerstätte für Leute, die Erleuchtung suchen.

 
Unweit davon in Deutschland hatte sich ein ehemals Berliner Unternehmen niedergelassen, deren Mitarbeiter unablässig Blech zu Leuchten bogen. Dieses fühlte sich in seinem Bestand bedroht, weil böse Leute Normen schreiben wollten, mit deren Hilfe die Bildschirmarbeit menschengerecht werden sollte. Das Unternehmen, gar nicht so unmächtig, trommelte seine Obleute zusammen, die die Normen machen sollten und stellte ihnen die Gretchenfrage: "Wir sind a) Hersteller von Computern, b) von Bildschirmen und c) von Leuchten. Arbeitgeber sind wir auch. Wie sorgen wir dafür, dass die Normen die beste Füllung unserer Kassen garantieren.?" Natürlich haben sie den letzten Satz vornehmer formuliert.

Man stellte die Normungsarbeiten für ein Jahr ein, bis der Chef der Leuchtenbieger Vollzug meldete: Wir erfinden eine neues Wort, die Leuchte haben wir eh da. So wurde die Bildschirmarbeitsplatzleuchte (wieder)geboren. Da Techniker von Marketing nix halten, musste man das Produkt mit Zahlen unterfüttern. So kamen die 65º und die 200 ins Spiel. 200 was? Eigentlich steht an dieser Stelle cd/m2. Die damit bezeichnete Größe, die Leuchtdichte, soll relevant für die Blendung sein. Stimmt irgendwie. Angeblich ist sie für die "psychologische" Blendung relevant. Im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil schon eine einigermaßen hell beleuchtete Wand die hat. So hat man stolz verkündet, man habe die psychologische Blendung endgültig abgeschafft. Die 200 dienen insbesondere der Begrenzung der Reflexblendung auf Bildschirmen. Wenn man die einhält, fühlen sich alle Bildschirmarbeiter pudelwohl.

 
Könnte klappen! wären die 200 bloß das, was die Zahl aussagt, eine sehr geringe Leuchtdichte. Leider, leider, ist sie das nicht. Sie ist eine sehr geringe mittlere Leuchtdichte, weil man diese sehr schlecht direkt messen kann. So hatte die Evolventenleuchte diese über die ganze Breite, und gleichmäßig, während andere aus einem Patchwork von Helligkeitsmustern bestanden, die halt im Mittel 200 ergaben. Wenn sie das nicht taten, frisierte man - mal das Blech mal die Zahlen. Bei denen, die weder das Blech noch die Zahlen frisieren konnten, hat man sich auf 65º geeinigt, aber die 200 blieb!

Alles bildschirmgerecht! Leider nur, wenn alle brav nach unten guckten und ihre Bildschirme nur 15º neigten - auch eine Erfindung der Leuchtenindustrie zum Wohle von …? Es kümmerte niemanden, auch nicht den Arbeitsschutz, dass dies nur zu einer Zwangshaltung führen würde und somit eher als Körperverletzung angesehen werden müsste. Zum Wohle von Menschen am Arbeitsplatz war es jedenfalls nicht. Das Ergebnis sah aber gut aus und man lobte die ruhige Atmosphäre, die entstand. Die Leuchten verkauften sich wie geschnitten Brot.

 
Dumm nur die Sache mit den 500. 500 was? Die ist die wahre Glückszahl der lichttechnischen Industrie und heißt Lux mit dem Familiennamen. Es gibt Lichtexperten, die nie eine Stunde reden können, ohne weniger als 100 Mal 500 lx zu sagen. Die 500 gehört also zum Glück des Experten. Diese bezeichnete die Stärke des Lichteinfalls. Da man mit Beleuchtung die Ausleuchtung der Sehaufgabe versteht, müsste 500 lx die Zielgröße für die Stelle sein, wo man im Büro sehen will. So hat es der staatliche Arbeitsschutz gehalten, und die Gewerbeaufsicht hat an Arbeitsplätzen immer die Stelle vor dem Arbeitnehmer bewertet.

Sehr dumm, vom Vater Staat. Wenn man 500 lx vor einem Büromenschen produzieren will, und die Leuchten darüber hängt, gibt es Reflexblendung. Die müssen also seitlich aufgehängt werden. Dann sitzt der dumme Mensch im Luxtal und nicht auf dem Gipfel, wenn man die voralpenländische Philosophie des Lichts realisiert. Um auf die 500 zu kommen, muss man halt das Licht hinzu addieren, das rechts und links fällt. Das nennt man nach einer Bewohnerin des Alpenlandes, nicht nach Heidi, sondern nach dem Milchmädchen. (Anm.: Wer sich durch diese Bezeichnung beleidigt fühlen darf, ist das Milchmädchen.) Da diese Art Beleuchtung mit dem über Jahrzehnte gepflegten Konzept der Allgemeinbeleuchtung - wenn 500 lx, dann überall 500 lx bzw. Gleiches Licht für alle Volksgenossen - sagte man halt, an Bildschirmarbeitplätzen gelte das Konzept nicht. Und produzierte halt eine neue Norm.

 
Jetzt kommen neue Unterteufel aus der Lichttechnik und propagieren das bio-dynamische Licht. Nicht ganz so nebenbei, propagieren sie auch noch LED. Warum nicht? Schlicht und einfach: Passt nicht zusammen! Will man "biologische" Wirkungen auslösen, muss Licht mit einem gewissen Blauanteil ins Auge gehen. Beleuchtung wurde aber (siehe oben) so getrimmt, damit möglichst wenig ins Auge geht, und möglichst viel auf die zu beleuchtenden Objekte fällt. Legt man Bilder von der "bildschirmgerechten" Beleuchtung mit der zusammen, die in Experimenten angeblich oder wirklich positive Wirkungen ausgelöst haben sollen, sieht man, dass sie sich unterscheiden - wie Tag und Nacht , zumindest etwa.

Warten

 Den konzeptionellen Unterschied erkennt man am besten, wenn man eine nach der alten Vorstellung erstellte Beleuchtung mit den neuen Vorstellungen vergleicht.

BAp-Bio

 
Wo liegt das Problem mit LED? Erstens sind 200 cd/m2 gar 1.000 cd/m2 weit weit von deren Leuchtdichte entfernt. Wäre die Höhe der Leuchtdichte der Grund der Blendung, müssten LED-Leuchten wie der Teufel blenden. Tun sie aber nicht, bestenfalls theoretisch, wenn ich die Werte messe und daraus Blendung ableite - rein theoretisch. Mit der Reflexblendung verhält es sich genauso. Nicht dass die Leuchtdichte so unwichtig wäre … Es gibt aber Wichtigeres. So blenden Helligkeitsmuster mehr als gleichmäßige Leuchtdichte. Und ob Reflexe stören oder nicht, hängt von der Größe des Reflexbildes ab.

Man wird noch lange Zeit brauchen, bis die Trümmer der Vergangenheit beseitigt sind. Wer Zahlen in die Welt setzt, sollte sich den Titel dieses Blogs merken: Zahlen entfalten magische Kräfte. Ich weiß es aus eigener Arbeit - tippen Sie "33.000 Blickbewegungen" in einen Browser und gucken, was kommt. Die Zahlen sind von mir - aber von 1976! 40 Jahre später geistern sie durch die Landschaft, in der die Arbeit, die damals untersucht wurde, ausgestorben ist - glücklicherweise.

Blickbewegungen 

Was hätten Sie lieber? Blind werden oder dick?

Das hier ist leider keine Satire über den Herrscher von Lampukistan, mit der sich unsere hochgeschätzte Bundeskanzlerin beschäftigen muss. Auch keine Nachrichten aus Nieder Slobbowien. Es geht um eine Lesehilfe für das, was Wissenschaftler ermittelt und zu Papier gebracht haben. Das blaue Licht hat es mittlerweile zur globalen Berühmtheit geschafft und zu mindestens einer Blaulicht-Gesellschaft. Die hier gemeinte hat Glanz und Elend in einem Bild zusammengeführt.

Also: Man kann unter Blaulichteinfluss besser schlafen (haben Schlafforscher entdeckt). Man wird weniger dick (d.h. im Winter wo der Dachs fett ansetzt). Die Gefahr, dass man Krebs bekommt, wird geringer (so manche Schlussfolgerungen aus langjährigen Studien). Geistig wird man angeregt (so man mancher gefälschten Studie glaubt). Dafür kann man eher Augenermüdung erleben, und, dummerweise, im Alter eine sogenannte Makuladegeneration (Blaulichtschäden).

 
Die Blue Light Society hat mit ihren Schlussfolgerungen den Deutschen Gewerkschaftsbund weit hinter sich gelassen. Dieser, der DGB, hatte vor 40 Jahren gefordert, die Arbeit am Bildschirm täglich auf vier Stunden zu begrenzen und Bildschirmpausen einzuführen. Grund: Eine Studie aus Österreich hatte gezeigt, dass Menschen (also Österreicher) nach intensiver Bildschirmarbeit den Schnee nicht so makellos weiß sehen würden, wie es sich in Österreich gehört. Eher rosa. Stimmt! Das ist aber kein Schaden, hatte der Arbeitgeberverband subsumiert, weil ein Wissenschaftler dem gesteckt hatte, dass der Grund eine harmlose Umadaptation des Auges sei. Guckt man lange in grüne Schrift, sieht man nicht nur den Schnee in Rosa. Der böse DGB wollte den Arbeitnehmern diesen optimistischeren Blick auf die Arbeitswelt nicht gönnen.f

Die Sache mit den Pausen ist noch akut. Der Kanzleramtsminister hat die Arbeitsstättenverordnung der Arbeitsministerinnen (Nahles und Vorgängerin) kassiert, weil angeblich dort Tageslicht für Toiletten gefordert würde, und vor allem Sichtkontakt nach Außen. Herr Kanzleramtsminister möchte natürlich nicht, dass deutsche Arbeitnehmer bei einer lebenswichtigen Beschäftigung, die allerdings ebenso anrüchig ist, der Sonne und den Blicken der Flanierer ausgesetzt werden. In Wirklichkeit geht es um Pausenregelungen. Die Sache könnte jetzt eine neue Wendung bekommen: Der japanische Minister für Gesundheit, Arbeit und Sozialordnung soll Richtlinien erlassen haben, dass die Arbeit an Bildschirmen spätestens nach  einer Stunde unterbrochen werden muss und erst nach 15 Minuten Pause weitergehen darf. (hier steht es) Das allerdümmste kommt aber jetzt:

  Blaulichtgefahr

 
Das Bild zeigt, dass die einst geschmähten Bildschirme (hier CRT) genannt, mit ihrem Blaulicht nicht der Rede wert sind. Schon der PC schlägt sie um Längen. Die schlimmsten Objekte sind Smartphones. Natürlich nicht, wenn man sie wirklich zum Telefonieren benutzt. Dummerweise gucken in aller Welt Studenten stundenlang da rein, weil sie ihre Vorlesungen ablesen oder Spiele spielen. Seit Jahren alarmieren Meldungen von Augenärzten über die Myopisierung von Kindern und Jugendlichen alle, die es angehen sollte. Vielleicht findet sich jemand, der sich der Sache annimmt.

Man kann die Sache natürlich auch positiv sehen wie deutsche Wissenschaftler. Die haben sich einen Bildschirm, der gezielt die circadiane Rhythmik ändert, sogar patentieren lassen. Wie ein renommiertes Institut nachgewiesen hat, wird man davon auch wacher. Andere sagen weniger zurückhaltend "Blau macht schlau!

Dumm nur, dass es einen Arbeitsschutz gibt. Der steht vorerst wirklich dumm da, weil man die liebe Wissenschaft nicht ignorieren darf. Die vorläufige Lösung: Die Kommission Arbeitsschutz und Normung lehnt den Blaulichteinsatz in deutschen Arbeitsstätten derzeit ab (Original zu lesen hier, meine Blogbemerkungen hier mit dem Positionspapier der KAN). "Wo viel (blaues) Licht ist, ist auch starker Schatten" heißt es in KAN Brief 1/14.

Wer mehr lesen will, hat freie Wahl, und es gibt immer mehr, seit die Industrie entdeckt hat, wie gesund Blaulicht ist, ... für die Kasse. Was die Blue Light Society zusammengetragen hat, ist hier erreichbar.

Eine Begegnung der besonderen Art 

  
Heute jährt sich zum 30. Mal der Tag, als ich von einem Politiker unsanft geweckt wurde. Der Politiker hieß (und heißt immer noch) Peter Conradi und war als Bundestagsabgeordneter für die Bauten des Parlaments zuständig. Ich war Berater des Ältestenrates des Deutschen Bundestags für das Projekt Parlakom, in dessen Zuge die Arbeit der Abgeordneten und derer Mitarbeiter computerisiert wurde.

 
Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Auswahl der Büromöbel, der Computer und der Beleuchtung der Räume. Conradi bat mich, sein Büro aufzusuchen und fragte mich, was ich denn im Bundestag tue. Ich antwortete brav, wir würden die deutschen Normen zur Beleuchtung anwenden und, da diese (vorgeblich) Mindestnormen sind, eine bessere Beleuchtung als vorgegeben aussuchen.

Da wurde mein Gegenüber robust: "Spinnen Sie? Haben Sie keine Ahnung davon, dass die Normen zur Beleuchtung das Selbstbedienungsinstrument der Elektroindustrie sind?" Als ich meine Überraschung ausdrückte, sagte er: "Gehen Sie nach Hause, und lernen Sie!" Peng!

Ich fuhr nach Hause und überlegte mir, wer von den Personen, die ich kannte, mit der Elektroindustrie verbandelt war. Lange musste ich nicht nachdenken. Der erste, der mir einfiel, war ich. Danach mein Vater, der einen Direktor der größten Firma der Industrie kannte. Meine Frau, mein Bruder, mein Onkel, zwei Schulkameradinnen … Dass mein Doktorvater von dort kam, wusste ich. Später fiel mir ein, dass auch sein Doktorvater … Die Liste wurde lang und länger. Als ich später das Buch "Die Ökologie der künstlichen Helligkeit" las, wurde mir bewusst, dass ich jede zweite Person, die darin vorkam, entweder persönlich getroffen hatte oder mindestens eine Person kannte, die diese getroffen hatte.

Dennoch musste ich dem Vorwurf begegnen, sei es dadurch, dass ich ihn bestätigen musste. Plötzlich machten meine Untersuchungen in vielen Betrieben Sinn, die gezeigt hatten, dass die Menschen mit ihrer Beleuchtung unzufrieden waren. Ich hatte versucht, sie zufrieden zu stellen, indem ich "normgerechte" Beleuchtung installiert hatte. Ohne Erfolg, freilich! Ich denke mal, die Leute haben nicht aufgemuckt, weil sie dachten, so ´ne teure Beleuchtung, und ich soll meckern?

Da aber die Möglichkeit nicht auszuschließen war, dass ich, trotz 2.000 Teilnehmern an meinen Studien, immer an die falschen geraten war, musste ich handeln. Das ist nämlich immer zu hinterfragen, weil diejenigen Firmen, die mich um Rat fragen, Probleme empfinden, und Geld zu deren Lösung ausgeben. Was ist mit dem Rest von 28.000.000 Arbeitnehmern, die ich nicht zu Gesicht bekommen hatte?

 
So führte ich eine wirklich repräsentative Studie mit Arbeitnehmern durch, deren Firmen mich garantiert nicht kannten, die selber auch nicht. Und das Ergebnis? Dasselbe! Mehr als die Hälfte der Befragten empfanden die Beleuchtung der Arbeitsstätte als eine Gefährdung der Gesundheit. Dabei wollte man aber mindestens 70% zufrieden stellen.

Es hilft nichts. Die Aufgabe eines Ingenieurs ist nicht, festzustellen, ob Menschen mit ihrer Technik unzufrieden sind. Er muss feststellen, warum  und ggf. wie man das abstellen kann. So analysierten wir nach den Ursachen.

Ein wohlfeiles Argument wäre, dass das "Neonlicht" die Menschen störe. Das würden auch heute viele glauben. Nun ist es uns aber gelungen, Dank Conradi, eine Beleuchtung zu finden, die nicht etwa die Zahl derer reduziert, die die Beleuchtung ihres Arbeitsplatzes für eine Gesundheitsgefährdung halten, sondern die, bis zu 90%  zufrieden stellte. Und das mit "Neonlicht", das wir als Ersatz für die geliebte Glühlampe installiert hatten.

Was, wenn nicht das "Neonlicht" schuld ist? Im Jahre 1990 veröffentlichten wir die Gesamtheit der Studien unter dem Titel "Licht und Gesundheit" und auch die Erklärung dazu. Überall, wo die künstliche Beleuchtung dominierte, gab es mehr Gesundheitsstörungen als dort, wo das Tageslicht dominierte. Ergo muss das künstliche Licht schuld sein! Diese Erklärung ist üblich, aber billig. Künstliches Licht besteht aus den gleichen Photonen wie das natürliche. Der wesentliche Unterschied, so schien es, besteht aber darin, dass das natürliche Licht unseren Lebensrhythmus bestimmt, während die künstliche Beleuchtung immer auf Konstanz ausgelegt ist.

So postulierte ich, dass der wesentliche Faktor die Beeinflussung des circadianen Rhythmus sein müsse. Vielmehr, die Nicht-Beeinflussung. Der menschliche Körper benötigt Veränderung, Technik der Beleuchtung strebt hingegen nach Gleichmäßigkeit, zeitlich wie örtlich. Das Letztere hatte übrigens ein in der Lichttechnik sehr bekannter Augenmediziner bereits in den 1950er Jahren gegeißelt, der Brite Weston.  Das Erstere hatte ich von einem gewissen Aschoff gelernt, der mit meinem Doktorvater befreundet war, dem Entdecker der Wirkung von Licht auf circadiane Rhythmen beim Menschen. Auch ein Wissenschaftler, den die Lichtindustrie wegen seiner Industriefreundlichkeit sehr schätzte, Erwin Hartmann, hatte sich in Büchern ähnlich geäußert und von Lichtsoße gesprochen.

Seit der Veröffentlichung von "Licht und Gesundheit" (1990) und der englischen Version davon ("Light and Health", 1991) ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Wir haben an weiteren ca. 2.000 Arbeitsplätzen verbesserte Beleuchtung installiert und eine enorme Verbesserung der gesundheitlichen Wirkungen, zumindest subjektiv, nachgewiesen.

Zu guter Letzt haben wir eine Studie mit einem Architekten und einem Tageslichttechniker durchgeführt und veröffentlicht. Diese zeigt auch, wie man´s macht. Und übrigens, wie man es seit Jahrhunderten erfolgreich gemacht hat. Tageslicht nutzen - Das Buch stellt aber auch, wie man auch künstliches Licht "gesund" macht.

Die Zahl der bis heute abgehaltenen Kongresse, Seminare u.ä. Mit dem Titel "Light and Health" bzw. "Licht und Gesundheit" ist mittlerweile Legion. Biologisch wirksame Beleuchtung besitzt sogar eine modische Abkürzung "BioWi". Warum nicht BioLi? So weit, so gut! Warum darf man aber immer noch Beleuchtung verkaufen, die nachweislich eine Gefährdung darstellt, wo es welche gibt, die auch nachweislich das Gegenteil davon bewirkt?

Nach 30 Jahren kommen mir langsam Zweifel, ob wir in der richtigen Welt leben. Denn nach dem Arbeitsschutzgesetz ist es illegal, eine Technik einzusetzen, für die es einen gesünderen Ersatz gibt.