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Chronobiologie und die Wahrheit

 
Im Augenblick lebe ich an einem Ort, an dem Muslime verhungern, oder eher verdursten würden, wenn sie sich an ihre Religion halten und fasten. Gerade ist der Fastenmonat Ramazan, während dessen man von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder etwas essen noch etwas trinken darf. Medikamente einnehmen ist nur erlaubt, wenn man so krank ist, dass man eh nicht fasten darf. Böse Worte sprechen und Böses denken ist ebensowenig erlaubt wie Sex und ähnliche Handlungen. Die Sonne ist hier vor einem Monat zuletzt aufgegangen und wird erst in etwa zwei Monaten untergehen. Nur Yogis könnten so lange fasten, sagt man. Die sind aber keine Muslime.

Die Chronobiologie und ihre Weisheiten gelten hier ebenso wie die Regeln des Islam. Wie regulieren die Leute eigentlich ihren Körperrhythmus, wenn die Aussagen der Chronobiologie wahr sind, die ich immer vorgesetzt bekomme. Derzeit untersuchen die auf Deubel komm raus Licht. Dessen Stärke, Farbe, Änderung u.ä. sollen meinen Körperrhythmus steuern. Na denn! Hier ist um Mittenacht manchmal mehr Licht als um 12:00 mittags (wobei diese Begriffe eh sehr fraglich sind. Wann ist denn Mittag, wenn die Sonne in zwei Monaten untergeht?). Mitternacht ist im Augenblick, wenn die Sonne aus dem Norden kommt. Sonne im Osten entspricht unserem Morgen. Sonne im Süden wäre wohl Mittag. Aber so weit im Norden ist überall Süden, oder?

 
Irgendwie halte ich schon den 24-Stunden-Rhythmus ein, obwohl ich keine Uhr trage. Wenn ich aufstehe, ist es Frühstückszeit. Dann gehen wir ein mutterloses Lamm füttern. Wann Mittag ist, hängt von der Familie ab. Abend ist, wenn das Kind schlafen muss. Ähnlich leicht verständlich ist es übrigens ein halbes Jahr später. Dann ist Mittag, wenn das Dunkle etwas aufhellt. Wann es Abend wird? Die meisten Leute in den Restaurants finden sich trotzdem so etwa um 19:00 Uhr ein.

Ich denke, die Chronobiologie muss sich mit den sozialen Zeitgebern befassen und nicht auf Licht allein herumhacken. Dieses ist zwar unbestritten der wichtigste natürliche Zeitgeber. Dass die sozialen einen nicht ähnlich stark beeinflussen können, ist damit nicht gesagt. Diese revolutionäre Idee stammt übrigens nicht von mir, sondern von Jürgen Aschoff, einem der Gründer der Chronobiologie.

 

Was man so alles mit künstlicher Beleuchtung kann

 
Meine Neu/Wiederentdeckung "Fensterlose Industriebauten" entwickelt sich zur Fundgrube. Heute habe ich gelernt, was man im Innenraum künstlich so alles machen kann. Eine der Möglichkeiten betrifft die Lichtrichtung und die Lichtverteilung. Die kam mir deswegen gerade in den Sinn, weil beim gerade eingetroffenen Licht-Heft ein Einleger von DIAL war, bei dem der Geschäftsführer ein Plädoyer für Akzentuierung bei der Beleuchtung hält. Wenn man im Jahre 2015 ein Plädoyer für etwas hält, was eigentlich jedem Architekten seit jeher sozusagen mit der Muttermilch eingeflößt wird, muss was falsch gelaufen sein. Die Sache hätte ein gewisser Fred Häger etwa zu dem Zeitpunkt des Erscheinens des Buchs mit einer Doktorarbeit erledigt haben müssen. Seinen Doktor hat er gebaut, Die Sache mit der Lichtrichtung hingegen hat er angesichts der obwaltenden Umstände - alle Welt wollte Großraumbüros haben - geschmissen. Mal sehen, was die Kollegen von damals so für möglich hielten:
 

Lichtrichtung-beliebig

 
Toll, man kann stufenlos alles steuern, und zwar beliebig. Von der Decke, von den Wänden … Stopp, da war was mit den Wänden. Steht am Ende des Buches als Teil der Lösung: Man braucht keinen Blickkontakt nach außen, wenn man z.B. im Großraumbüro sitzt, weil alle Wände, die den sozialen Kontakt zwischen den Mitarbeitern stören, entfallen sind. Also, Wände weglassen. Bleibt die Decke … So beliebig steuern ließe sich das Licht nur, wenn das Licht von oben kommen darf. Also doch nicht so beliebig!

Man kann aber die Decke anstrahlen. Stimmt, man muss es sogar, wenn man tiefstrahlende Leuchten einsetzt. So hatte ich als Student gelernt. Viele Jahre später, als ich Studien veröffentlichte, die die ominösen BAP-Leuchten als den besten Förderer von Krankfühlen und Unwohlsein nachgewiesen haben, sagte ein führender Lichttechniker, das sei kein Wunder, zu diesen Leuchten gehört immer eine Anstrahlung der Decke dazu. Diese Weisheit müssen allerdings sämtliche Planer von Bürobeleuchtung so etwa seit 1984 übersehen haben. Auch in der Norm, die die BAP-Leuchte praktisch zum Muss machte, DIN 5035-7, fand man nie eine Spur von Decken(an)strahlern. Dafür gab es in einigen bedeutsamen Büchern zur Beleuchtung so bedeutsame Aussagen wie "die natürliche Helligkeitsverteilung ist unten heller, oben dunkler". Nur bei Abhandlungen in gut aufgemachten Büchern findet man Hinweise zur Akzentuierung und Anstrahlung von Decken und Wänden. Und das schon seit über zwei Jahrzehnten. Wo liegt das Problem?

 
Das Problem liegt in dem Wort technisch-wirtschaftlich. Technisch gesehen kann man Innenräume nicht nur so beleuchten, dass man Licht aus allen Richtungen komponiert, beliebige Lichteinfallsszenarien realisiert, und das Ganze auch noch vom Computer in Richtung, Intensität und Farbe so steuern lässt, dass der Mensch sich in den Räumen wie in Abrahams Schoß fühlt. Technisch-wirtschaftlich gesehen steht jedem Büromitarbeiter etwa eine Achse mal Raumtiefe, so etwa sieben bis 12 m2 zur Verfügung. Da kann man zwei Leuchten an die Decke über ihr/ihm hängen und basta! Rührige Planer bemühen überdimensionierte Planungsprogramme, die die Leuchtenreihen an der Decke etwas hin und her schieben. Fertig ist die Lichtsoße.

 
Die Lichttechnik sowie die Klimatechnik, die übrigens von den Autoren des Buchs mitbemüht wird, um den fensterlosen Raum bewohnbar zu machen, kann man auch als Opfer der wirtschaftlichen Rationalität sehen. Bürohäuser sind keine Wohlfühloasen, für die sie uns verkauft werden. Sie sind Produktionsmittel und unterliegen den Gesetzen der Wirtschaftlichkeit. In Deutschland haben wir noch Schwein, weil es hierzulande niemandem gelungen ist, so etwas wie das Action Office durchzusetzen. Da kriegt jeder seine Minimalzelle und fertig. Was Technik kann, interessiert kein Sch...

 
Ein Büro menschengerecht zu gestalten
ist überhaupt nicht schwierig.
Es ist unmöglich.

Sichtverbindung nach außen - Das unbekannte Wesen

 
Wer guckt bei der Arbeit aus dem Fenster? Faule Säcke, die dem Arbeitgeber auf der Tasche liegen, und deren Arbeit - vielmehr Nicht-Arbeit - die Kollegen ausbaden müssen. Wer denn sonst? So oder ähnlich reagierten bei einer lange zurückliegenden Studie die Leute auf die Frage, ob an ihrem Arbeitsplatz ein Fenster sein müsste. Was würden aber die gleichen Leute sagen, wenn man ihnen ein vorhandenes Fenster zumauert?

 
Genaugenomen nix. Sie würden vor ein Arbeitsgericht ziehen, was in den letzten 40 Jahren seit dem Erscheinen der Arbeitsstättenverordnung sehr häufig geschehen ist. Und meistens gewinnen. Man braucht kein Fenster! Es muss aber sein. Etwa in den Jahren, als die besagte Studie durchgeführt wurde, hatte ich tatsächlich vorgehabt, in einem Großraumbüro im nördlichsten Bundesland die Eckfenster zuzumachen, weil die Sonne auf den Bildschirmen arg blendete. Der Raum hatte genug sonstige Fenster, es sollten nur die Eckfenster weg. Der Betrieb meldete gleich 8 (in Worten: acht) Leute an, die mich besuchen wollten, um darüber zu sprechen. Unter den acht waren auch der Architekt des Gebäudes, der Vorgesetzte und der Arbeitnehmervertreter, volles Programm also. In der Quintessenz sagten die Acht Folgendes: Bei uns fängt einer seine Karriere in der Mitte des Raums an und wandert langsam in Richtung Fenster. Dort versucht er, sich Richtung Eckfenster vorzuarbeiten. Steht der Schreibtisch am Eckfenster, hat man es geschafft. Und Sie wollen diese Fenster zurammeln?

 
Eine andere Geschichte, die allerdings aktenkundig ist, weil diesmal nicht ein fehlendes bzw. abzudichtendes Fenster die Gemüter erregte, sondern eine als zu hoch empfundene Fensterunterkante. In Stuttgart wurde ein entstehendes Bürohaus im Rohbau Maklern angeboten, die das Haus an Bürobetreiber vermieten sollten. Die sagten, dieses Haus mietet keiner, sie können es gleich abreißen. Niemand will im Bunker arbeiten. Dabei hatte der Architekt die Fensterunterkante nach seiner Meinung richtig bei 1.10 m Höhe angesetzt. Solche Gebäude gibt es zuhauf, allerdings seit langem nicht mehr neu. Der Bauherr verklagte daraufhin den Architekten. Zuvor hatte die Gewerbeaufsicht den Bau sogar stoppen lassen.

Da ich praktisch alle Protagonisten der Szene um die "Sichtverbindung" kannte, habe ich die Meinung vieler eingeholt, die beim Arbeitsschutz bzw. bei der Arbeitsmedizin etwas zu sagen hatten. Das Ergebnis: eine Blütensammlung. Man warnte mich eindringlich davor, mich als Gutachter zu betätigen, weil man damit seinen Ruf verliert. Nun, ja. Bei mir haben sie alle genau dies getan. So gesehen, hatten sie recht. Der erste Fachexperte, ein hochdekorierter Professor für Arbeitsmedizin sagte, es genüge, wenn die Leute den Himmel und die Wolken sähen. Der Leiter der für den Arbeitsschutz zuständigen Stelle, verbot den Mitarbeitern, zu dem Thema überhaupt etwas zu sagen. Mir riet er davon ab, etwas zu schreiben. Die Gewerbeaufsicht pfiff die Mitarbeiter zurück, die den Weiterbau untersagt hatten. Den Vogel schoss ein Gutachter für die Arbeitssicherheit ab: Er wies schlüssig (!) nach, dass Menschen im Büro immer auf den Tisch gucken und deswegen überhaupt nicht aus dem Fenster gucken könnten. Daher sei die Arbeitsstättenverordnung auf Büros nicht anwendbar.

 
Was war da falsch? Ich denke, dass woran die früheren Forscher gescheitert waren (s. Bild unten), nämlich mit der Vorstellung, dass die Sichtverbindung nach außen mit Sehen allein zu tun hätte:

Fensterqualitaet

   
Mit Scheinfenstern in einem Keller des OSRAM-Hauses in München wurden über Jahrzehnte Besucher gefoppt, die nicht gemerkt hatten, dass sich hinter dem Fenster nicht die Sonne, sondern Lampen aus dem gleichnamigen Haus verbargen. Hätten sich die Besucher viele Stunden in dem Modellraum mit den Scheinfenstern aufgehalten, hätten sie auch ohne einen einzigen Blick auf das Fenster gemerkt, dass es künstlich war.

Die Quelle des Irrtums ist der fehlende Zeitbegriff. Licht ist in der Physik zeitlos, wie man spätestens seit Einstein kennt. Für das Sehen und die Vorgänge drumherum ist es ziemlich egal, wie spät es ist, oder wie früh. Sofern sich die Augen infolge Schlaflosigkeit oder Alkoholkonsum nicht zu Schlitzen geformt haben, muss man die Zeit bezüglich der Wirkungen von Licht nicht zu berücksichtigen. Anders die psychischen Wirkungen sowie die (biologischen) nicht-visuellen: Sie werden nicht nur von einer zeit bestimmt, sondern sogar von zwei: wahre Ortszeit und die Körperzeit.

Bei der wahren Ortszeit handelt es sich um die Sonnenzeit, die unsere Körperrhythmen bestimmt - oder eben nicht, wenn die Sichtverbindung nach außen unterbleibt. Da helfen keine bunten Naturbilder an den Wänden.

Die Körperzeit ist ein erst seit neuem begriffenes Konstrukt. Sie wird auch nicht mit einer Uhr gemessen, sondern eher an physiologischen Größen wie die Körperkerntemperatur.

Circadiane Rhythmik
Die Körperzeit kann sich "frei entfalten", wenn wirksame äußere Impulse fehlen, die Zeitgeber. Das wurde in Höhlenexperimenten genauso gezeigt wie mit Alzheimerkranken, deren Zeit "frei" läuft. Die Zeitgeber, so sie vorhanden sind, erzählen dann dem Körper, wie spät oder früh es wirklich ist. Genau das macht die Sichtverbindung nach außen. Sehen muss man da nicht. Die meisten Menschen sitzen bei der Arbeit auch nicht vor dem Fenster mit direktem Blick nach außen, sondern am Fenster.

 
Bezüglich der Bedeutung der Fenster ist dies allerdings die halbe Miete. Die zweite Hälfte bietet die "Qualität" der Sichtverbindung. Damit ist gemeint, ob man sich eine graue Wand anschaut oder etwas Lebendigeres. Der Kollege, von dem die Idee der Bedeutung der Sichtverbindung stammt, Georg Roessler, hatte drei "Qualitäten" experimentell verglichen: Grau-schwarze Wand eines benachbarten Gebäudes, parkähnliche Ufer des Landwehrkanals in Berlin, an dem öfter Enten. seltener Menschen zu sehen waren, und der tosende Verkehr am Ernst-Reuter-Platz, seinerzeit der Unfallbrennpunkt der ganzen Stadt. Über sein Ergebnis mussten viele, auch der Autor schmunzeln: Der Mensch braucht eine mittlere temporale Verschiedenheit(!). Will heißen: Wenn nix los, schläft man ein. Ist Tohuwabohu, kann man nicht einmal einschlafen. Irgendwo dazwischen liegt die wohltuende Oase.

Wohltuende Oase? Tatsächlich hat man bei vielen Studien nachweisen können, dass die Qualität der Sichtverbindung für psychisches Wohlbefinden verantwortlich zeichnet, für schnellere Heilung von frisch operierten Patienten sorgt, und auch noch für die Gesundheit ihrer Schutzengel maßgeblich ist. Hier einige Beispiele:

Harb, et al. Lack of exposure to natural light in the workspace is associated with physiological, sleep and depressive symptom, Chronobiology International 2015 (Mangel an natürlichem Licht ist verbunden mit physiologischen Symptomen, verminderter Schlafqualität und depressiven Stimmungen)

Zadeh et al. The Impact of Windows and Daylight on Acute-Care Nurses' Physiological, Psychological, and Behavioral Health, HERD Journal, 2014 (Einfluss der Fenster auf die Gesundheit bei Krankenschwestern in der Akutmedizin)

Ulrich, R. S. View through a window may influence recovery from surgery, Science, 224, 1984. (Blick durch das Fenster kann die Genesung nach Operationen beeinflussen)

Bei der letzteren Untersuchung hat man die Krankenakten von jeweils 23 Patienten eines Krankenhauses ausgewertet, die in einem Fall in Zimmern lagen, deren Fenster zu einer natürlich aussehenden Umgebung gerichtet waren. Die Vergleichsgruppe lag in Räumen, deren Fenster nur eine Backsteinmauer zeigten. Die Patienten mit besserem Ausblick hatten eine kürzere Aufenthaltsdauer nach der Operation, nahmen weniger Schmerzmittel ein, und erlebten weniger Komplikationen in der post-operativen Phase.

Wer guckt aus dem Fenster bei der Arbeit? Eigentlich niemand. Warum hat man 1975 in der Bundesrepublik Deutschland einen Sichtkontakt nach außen vorgeschrieben? Weil alle ein bisschen, manche häufig, andere gar nicht gucken, aber allesamt wissen, wie spät es ist, so sie mit der Natur kommunizieren können. Sei es, mit der grauen Wand des Hauses nebenan. Es gibt nichts, was den Körper besser stabilisiert, als das - unbewusste - Wissen, wo man sich in der Zeit befindet. Das mögen Leute nicht verstehen, die Licht mit dem Zollstock, Pardon mit dem Luxmeter, messen. Wahr ist es trotzdem. Messen muss man allerdings auch. Damit man weiß, wovon man redet.

Mein AMpelmann

Das Großraumbüro wird 50 - Und keiner geht hin!

 Bitte keine Sorge! Es soll bitte niemanden erschrecken. Natürlich kommt das Großraumbüro nicht wieder. Wir bekommen nur den open space. Was das ist? Der Begriff ist geklaut. Gemäß Wikipedia ist Open Space eine Methode der Großgruppenmoderation zur Strukturierung von Konferenzen. Sie eignet sich für Gruppen von etwa 50 bis 2000 Teilnehmern. Charakteristisch ist die inhaltliche Offenheit: Die Teilnehmer geben eigene Themen ins Plenum und gestalten dazu je eine Arbeitsgruppe. In dieser werden mögliche Projekte erarbeitet. Ich denke mal, so etwas wurde bei der Grün Alternativer Liste zur Zeit der Gründung praktiziert. Noch viel früher nannten wir es Vollversammlung. Zuerst kamen tatsächlich 2.000, dann vielleicht 500, danach 50 und dann Tschuess. Denn Open Space basiert auf dem Gesetz der zwei Füße: Der Teilnehmer bleibt nur so lange in einer Gruppe, wie er es für sinnvoll erachtet, also solange er etwas lernen und/oder beitragen kann. Danach tragen ihn wohl die beiden Füße weg. So wie bei PEGIDA. 

Spaß beiseite. Open Space funktioniert. Dazu muss aber das Thema sein:

  • Dringend – es brennt den Teilnehmenden unter den Nägeln, es betrifft sie/geht sie an/berührt sie, und die Lösung hätte gestern bereits vorliegen sollen
  • Breit angelegt – Raum für neue Ideen und kreative Lösungen
  • Komplex – es gibt viele verschiedene Ideen und Wege, es kann nicht von einer Person gelöst werden
  • Wichtig – von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Systems

So etwas meinen die Leute natürlich nicht, wenn sie von Open Space sprechen. Was das sein könnte, steht hier erklärt. (Man darf dort durchaus mehr lesen. Lohnt sich). Was mich wundert ist, dass ich nach intensiver Suche in Internet keine Definition finde. Man versuche selbst: Definition:open space. Ergebnis? Dasselbe wie am Anfang dieses Blogs.

Na gut! Fangen wir an: Wem brennt es unter den Nägeln, eine neue Büroform zu entwickeln? In der o.g. Quelle ist es: Deutsche Gesellschaft für Immobilienfonds mbH Research. Hmmm! Seit wann machen die Arbeitskonzepte? Oder finden wir zuerst ein Raumkonzept und stopfen anschließend Arbeit hinein? Natürlich nicht! Die Jungs, die nach neuen Raumformen suchen, denken unablässig an Arbeit. Und das wird damit begründet, dass die jetzigen Raumstrukturen der Entwicklung der Arbeit nicht mehr entsprechen. Offene Bürokonzepte sind die Antwort auf eine Entwicklung, bei der Ort und Zeit der Arbeit nicht mehr fest sind, sondern flexibel und offen bleiben. Also weg mit dem, was war. Was war aber?

Buerokonzeptentwicklung

Ach ja, im Großraum musste man dauernd sitzen und immer kooperativ sein. Zellenbüros waren sowieso immer igitt. Kein Büroberater wird je ein gutes Haar daran lassen. Daran werden wir am Ende nochmal erinnern. Das Kombibüro war von allem etwas, aber nix Gares. Auch weg! Business Club eröffnet die Ära der Denglishen Begriffe in der Bürowelt, oder eher Schwänglish?. Ob das Open Space die Fortentwicklung von irgendwas ist, steht hier offen.

Spaßeshalber habe ich ein paar Bilder von Grundrissen heruntergeladen, die verschiedene Unternehmen so anführen, wenn sie von Open Space reden. Es lohnt sich, diese und andere näher anzusehen und mit Bildern aus der Großraumära zu vergleichen. Ein verblüffendes Ergebnis? Nein doch. Es geht einzig und allein darum, die Tiefe der Gebäude zu besetzen. Deswegen hatte man ja einst das Großraumbüro erfunden.

Ich finde an diesen Bildern allein keinen Unterschied zum gescheiterten Konzept des Großraumbüros. Die Hamburger City Nord, die das Pech hatte, genau zur Hochzeit des Großraumbüros geplant worden zu sein, war keine 25 Jahre danach eine Ruinenstadt. Wer rechtzeitig die Kurve gekriegt hat, baute die Gebäude so gut es ging um. Andere Gebäude wie das ehemalige Hauptquartier der Weltfirma British Petroleum war mehr als 10 Jahre eine Industrieruine. Abriss 2014!

In diesem Gebäude habe ich 1976 meine ersten Gelder als Berater verdienen dürfen. Es ging vordergründig um Bildschirmarbeitsplätze, in der Tat aber um Akustik. Auch heute verdiene ich Geld als Berater - viel davon ist wieder oder immer noch Akustik. Und was bieten die Leute, die von Open Space reden an? Akustik! So baut man zunächst die Wände aus, um einen offenen Raum zu gewinnen. Da dieser eine hervorragende Rennstrecke für Lärm ist, müssen akustische Maßnahmen her. Dann wird die Bude stückweise wieder zugebaut. Häufig hängt das Brett, Pardon der Schallschirm direkt hinter dem Bildschirm.

Die akustischen Maßnahmen sind hervorragende Lichtschluckwände. Sie unterteilen auch bereits kleine Zellenbüros in freudlose Scheiben, in die der Mitarbeiter hineingeschoben wird. Vom Tageslicht sieht man nur noch wenig, wenn überhaupt.

Und an diesen Ergebnissen einer Umfrage des Führungskräfte-Netzwerk LinkedIn kann man sich die Zukunft des Open Space ausmalen:
In der Umfrage mit Unterhaltungswert hat LinkedIn weltweit über 7.000 Arbeitnehmer - 420 davon in Deutschland - nach ihrem "Traumarbeitsplatz" befragt. (Quelle hier).
• Auf Platz zwei kommt der Traum von einer imaginären "Stummtaste", die alle Gespräche der Arbeitskollegen auf lautlos stellt (21 Prozent).
• And the winner is:  37 Prozent der deutschen Fach- und Führungskräfte bevorzugen einen Arbeitsplatz, der frei ist von künstlichen Lichtquellen.

Man muss ganz schön mutig sein, Menschen mit solchen Traumvorstellungen Räume zu bieten, die nur mit künstlicher Beleuchtung betrieben werden können. Und womöglich mit blauen LEDs. Die sollen intelligent machen. Und frisch.

Wer Lust, Zeit und Muße hat, sich mit Beratern diverser technischer Disziplinen, technische Akustik, Klimatechnik, Beleuchtungstechnik, über alte Zeiten zu unterhalten, sei geraten, umgehend nach dem Konzept zu greifen. Zuvor unterhält man sich naturgemäß über New Work oder "My Office is Everywhere" und so. Nach einigen Jahren sind beide reich. Der Berater bezüglich Honorare. Der Auftraggeber insbesondere an Erfahrung.

Man denke an das Gesetz der zwei Füße!

Der Irrtum wiederholt sich immerfort in der Tat,
deswegen muß man das Wahre unermüdlich
in Worten wiederholen.
J.W.v.G

Sichtverbindung und ihre Folgen

Am 9.9.2015 veranstalteten die DASA (Deutsches Arbeitsschutzmuseum), das Arbeitsministerium und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eine Feier zum 40. Jahrestag der Arbeitsstättenverordnung. An und für sich etwas für Spezialisten, die sich um den Arbeitsschutz kümmern. Für den Lichttechniker aber ein Highlight! Das war der Tag, an dem die Träume begraben wurden, in Arbeitsstätten den Himmel nachzubilden. Damals vor 40 Jahren war nämlich die Idee gereift, Arbeitsräume völlig ohne Tageslicht künstlich zu beleuchten und zu klimatisieren. DIN 5035 machte es vor - Allgemeinbeleuchtung für alle. Gleiche Beleuchtung an allen Stellen …

Die genialen Ideen hinter dieser Vorstellung stehen in diesem schönen Buch von 1972 geschrieben:Fensterlose-IndustriebautenDie Herren Sommer und Loef sind mir aus einem anderen Ereignis aus den gleichen Jahren bekannt, sie hatten das Psylux erfunden, definiert und skaliert (hier). Damit war der Nachweis erbracht, dass Menschen die Beleuchtungsstärke sehen können. Zwar können sie schlappe 50 Jahre danach immer noch nicht, aber glaubhaft beschrieben.

Auch das Thema fensterlose Industriebauten ist sehr glaubhaft beschrieben. Die beiden Autoren, Ingenieur und Psychologe, bildeten das idele Team für solche Aufgaben. Und so etwa lautete die Quintessenz:Fensterlose-IndustriebautenAlso langsam zum Mitschreiben: Die fensterlosen Räume sind nicht nur wegen der (angeblichen) Ausbeutung von Arbeitnehmern vorgesehen, sondern dienen der sozialen Hygiene. Wände, die den arbeitenden Menschen von seinen Kollegen trennen, sind (endgültig?) gefallen. Siehe Großraumbüro! Können die sozialen Beziehungen, die man so fördert nicht den Verzicht auf die Natur (nur in der Arbeitszeit) mehr als ersetzen?

Tolles Modell! Was würde, wenn die Großraumbüros endgültig ohne Fenster gebaut worden wären, heute mit den Herren Sommer und Loef passieren, wenn man sie in einer Betriebsversammlung Menschen aus einem Großraumbüro mit diesen prächtigen Ideen präsentieren würde? Ich denke, nicht nur in Saudi Arabien denkt man, die Prügelstrafe wäre ein adäquates Mittel dazu, die Menschen auf den wahren Weg bzw. zur Vernunft zu bringen.

Die Arbeitsstättenverordnung hat, wenn sie sonst nicht bewirkt hat, zwei Menschenleben gerettet. Sie hat lapidar und einfach das Richtige verschrieben:Arbeitsstättenverordnung-Beleuchtung