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International_Year_of_Light_2015_-_color_logoWas machen wir heute mit LEDs?

Die jüngste Mode ist, Profs zu stiften. Wenn man z.B. ein Softwareunternehmen und dazu noch einen Fußballklub besitzt, teure Jachten sowieso, kann man sein Geld in Profs anlegen. Auf den Trichter ist die lichttechnische Industrie auch gekommen. Demnächst wird die „Leuchte des Nordens“ von einem Stiftungsprofessor höchstpersönlich mit einem LED bestückt werden. Dann werden sich die Jungs darunter wie auf Mallorca fühlen – macht frisch, intelligent und Gott-weiß-was-noch.

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Erzwungene Blauäugigkeit statt nüchterne Analyse

 
Gestern tickerten Meldungen über die neueste Strategie von Coca Cola, das ist ein Unternehmen, das klare Gewinne aus einer trüben Brühe zieht, die Wissenschaft vor den eigenen Karren zu spannen. Diverse Wissenschaftler sollen sich dafür stark machen, zuckerhaltige Limonaden aus dem Verdacht zu befreien, für die barocken Formen amerikanischer Mittel- und Unterschicht verantwortlich zu sein. Wobei barock etwas oder gar hoch untertrieben sein dürfte. Die Menschen verließen die Proportionen a la Leonardo da Vinci und gingen zu einer Birnenform über. Zwar thront oben immer noch der Kopf. Dieser verlor massiv an relativer Größe je stärker wabernde Fettmassen die Region oberhalb der Beine eroberten. Lösung: Nicht die Kalorien in den Limonaden sind schuld, sondern die Bewegungsarmut. Warum sind wir seit 60 Jahren bloß nicht darauf gekommen?

Allerdings entlastet diese geniale Idee nicht die amerikanische Industrie insgesamt, sondern nur die Limonadenwirtschaft. Denn an der Bewegungsarmut ist eine andere Industrie schuld, wie wissenschaftliche Studien über das Verhalten von mobilen Menschen nachweisen. Das sind Leute, die mit einem Mobilgerät unterwegs sind, in Amerika meistens mit einem iPhone oder iPad einer Firma, die einst mit einem bunten angebissenen Apfel firmierte. Jetzt ist der Apfel edelgrau, aber immer noch abgebissen. Eine mir vorliegende Studie besagt, dass Studenten im Schnitt 9 Stunden mit einem Smartphone unterwegs wären - am Tag. Unterwegs ist schön gesagt - sie verbringen laut Studie 3 Stunden am Tag im Bett mit einem Smartphone in der Hand. Von dem verbleibenden Rest des Tages hacken sie 4,5 Stunden auf einem Laptop oder Tablett herum. Muss dafür Coca Cola herhalten, dass solche Figuren keine Figur mehr haben? Man merke: Mobil ist man, wenn man sich kaum noch bewegt.

Was lernt man daraus? Man muss bei Wissenschaft immer auf die Quellen achten, auf die Geldquellen. So auch bei den Studien, aus denen eine eindeutige Message sprudelt: Blau macht schlau oder so ähnlich. Ich hatte spaßeshalber die Vergleichsobjekte von Studien zusammengezeichnet, mit deren Hilfe man die märchenhafte Wirkung von blauem Licht nachgewiesen haben will. Links das Original, rechts - nein, nicht die Fälschung, das ist doch keine Quizfrage - die blau-optimierte Beleuchtung. 

Links: Eine Warte, wie man sie kennt, so man Warten nicht mit Warten verwechselt. Hier wird gearbeitet. Rechts die für den Versuch hergerichtete Warte. Ungelogen hat das Licht mehr Blauanteile. Was denn sonst anders ist? Man suche und finde den Unterschied!

  
Was sehen wir da? Man hat die gesamte visuelle Umwelt verändert. Die ehemals dunkle Decke ist jetzt hell, die Leuchten großflächig und die Lampen mit geringer Leuchtdichte (= weniger Blendung bei gleichem Lux auf dem Tisch) und die grüne Frontseite mit den Monitoren ist jetzt blau angestrichen worden und wird blau angeleuchtet. Ich denke mal das Blaue aus dem Farbtopf wäre, so blaues Licht die fantastischen Wirkungen ausübt, die man ihm andichtet, viel nachhaltiger, weil man es nur einmal bezahlt. Kleiner Tipp: Wenn man die Monitore richtig einstellt, bringen sie mehr Blau ins Auge. Das aber ist eine andere Story, die Verkäufer von Bildschirmen mit circadianer Wirkung erzählen. 

  
Guter Rat: Fragen Sie bei jedem Vortrag, bei dem blaues Licht über den grünen Klee gelobt wird, wer die Studie bezahlt hat, wo der Redner angestellt war und warum er ausgerechnet dieses Thema für so interessant hält, dass er damit über die Weltgeschichte tourt. Ich hatte mich einmal in die Nesseln gesetzt und in einem Seminar die Lichtquellen für die Farben verantwortlich gemacht. Ein Teilnehmer wetterte laut dagegen und redete von Farben - von denen, die aus dem Topf kommen. Er war Schüler des seligen Dr. Frieling aus Marquartstein, Gründer des Instituts für Farbenpsychologie. Dieses hatte es mit denen, die Farbeimer füllen und verkaufen. Die modernen Blaulichtverkäufer sind eher mit Vermarktern von LED verbandelt. Die haben aus technischen Gründen mehr Blau im Spektrum als nötig. Es müsste mit dem Deibel zugehen, wenn man nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzen würde, um das Blaue schön zu reden. Ich denke mal, die Sache ebbt mächtig ab, wenn die Mehrzahl der LEDs ein vernünftiges Spektrum aufweisen. 

Non-visual effects of light - CIE Statement

 
Was würde ein Verband, dessen Betätigungsfeld plötzlich einen Riesenschub an Bedeutung bekommt - ich rede nicht von der FIFA -, für eine Erklärung dazu abgeben? Eine Jubelschrift? Die CIE, der Weltverband der Lichttechnischen Gesellschaften der Welt, sieht es eher nüchtern, wie es aus einem Dokument hervorgeht, das ich heute auf meinem Tisch fand.

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Sie sagt als Kommentar zu den bekannt gewordenen Mechanismen über die nicht-visuellen Wirkungen von Licht: Proper Light at the Proper Time

The main principles for these observations have been to increase the light levels and/or change spectral composition during daytime in order to increase the input into the ipRGCs and to do the opposite in the recovery phases of evening and night, by reducing light input to these cells.

Ich weiß nicht, ob die Fachwelt - ich meine die, deren Dachverband die CIE ist, verstehen will, was die CIE sagt:

  1. Die spektrale Zusammensetzung des Lichts, das man als Beleuchtung benutzt, entfaltet eine biologische Wirkung. Für Jahrzehnte wurde dies geleugnet und behauptet, die Empfänger im Auge könnten das Licht nicht spektral auflösen.
  2. Der Mensch benötigt in den frühen Stunden mehr Licht (als jetzt in der Arbeitswelt üblich) und in den späten Stunden des Tages weniger. Sprich: Unsere jetzigen Beleuchtungsnormen, die "zeitlos" hohe Beleuchtungsstärken vorschreiben, schaden eher.
  3. Licht ist nur in der Physik zeitlos. Ansonsten muss dessen erforderliche Qualität nach dem Zeitpunkt der Lichtnutzung bestimmt werden.

Es ist lustig, solche Dinge von einer Organisation zu hören zu bekommen, die ansonsten Normen veröffentlicht, wonach die Beleuchtung weltweit gleich behandelt wird. Die Zeiten - die haben sich geändert,

Da der Beitrag von höchster Stelle kommt, macht es Sinn, ihn komplett in Original zu lesen. Hier ist der Link:

RECOMMENDING PROPER LIGHT AT THE PROPER TIME 

zu CIE Statement on Non-Visual Effects of Light

 

Chronobiologie und die Wahrheit

 
Im Augenblick lebe ich an einem Ort, an dem Muslime verhungern, oder eher verdursten würden, wenn sie sich an ihre Religion halten und fasten. Gerade ist der Fastenmonat Ramazan, während dessen man von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder etwas essen noch etwas trinken darf. Medikamente einnehmen ist nur erlaubt, wenn man so krank ist, dass man eh nicht fasten darf. Böse Worte sprechen und Böses denken ist ebensowenig erlaubt wie Sex und ähnliche Handlungen. Die Sonne ist hier vor einem Monat zuletzt aufgegangen und wird erst in etwa zwei Monaten untergehen. Nur Yogis könnten so lange fasten, sagt man. Die sind aber keine Muslime.

Die Chronobiologie und ihre Weisheiten gelten hier ebenso wie die Regeln des Islam. Wie regulieren die Leute eigentlich ihren Körperrhythmus, wenn die Aussagen der Chronobiologie wahr sind, die ich immer vorgesetzt bekomme. Derzeit untersuchen die auf Deubel komm raus Licht. Dessen Stärke, Farbe, Änderung u.ä. sollen meinen Körperrhythmus steuern. Na denn! Hier ist um Mittenacht manchmal mehr Licht als um 12:00 mittags (wobei diese Begriffe eh sehr fraglich sind. Wann ist denn Mittag, wenn die Sonne in zwei Monaten untergeht?). Mitternacht ist im Augenblick, wenn die Sonne aus dem Norden kommt. Sonne im Osten entspricht unserem Morgen. Sonne im Süden wäre wohl Mittag. Aber so weit im Norden ist überall Süden, oder?

 
Irgendwie halte ich schon den 24-Stunden-Rhythmus ein, obwohl ich keine Uhr trage. Wenn ich aufstehe, ist es Frühstückszeit. Dann gehen wir ein mutterloses Lamm füttern. Wann Mittag ist, hängt von der Familie ab. Abend ist, wenn das Kind schlafen muss. Ähnlich leicht verständlich ist es übrigens ein halbes Jahr später. Dann ist Mittag, wenn das Dunkle etwas aufhellt. Wann es Abend wird? Die meisten Leute in den Restaurants finden sich trotzdem so etwa um 19:00 Uhr ein.

Ich denke, die Chronobiologie muss sich mit den sozialen Zeitgebern befassen und nicht auf Licht allein herumhacken. Dieses ist zwar unbestritten der wichtigste natürliche Zeitgeber. Dass die sozialen einen nicht ähnlich stark beeinflussen können, ist damit nicht gesagt. Diese revolutionäre Idee stammt übrigens nicht von mir, sondern von Jürgen Aschoff, einem der Gründer der Chronobiologie.

 

Was man so alles mit künstlicher Beleuchtung kann

 
Meine Neu/Wiederentdeckung "Fensterlose Industriebauten" entwickelt sich zur Fundgrube. Heute habe ich gelernt, was man im Innenraum künstlich so alles machen kann. Eine der Möglichkeiten betrifft die Lichtrichtung und die Lichtverteilung. Die kam mir deswegen gerade in den Sinn, weil beim gerade eingetroffenen Licht-Heft ein Einleger von DIAL war, bei dem der Geschäftsführer ein Plädoyer für Akzentuierung bei der Beleuchtung hält. Wenn man im Jahre 2015 ein Plädoyer für etwas hält, was eigentlich jedem Architekten seit jeher sozusagen mit der Muttermilch eingeflößt wird, muss was falsch gelaufen sein. Die Sache hätte ein gewisser Fred Häger etwa zu dem Zeitpunkt des Erscheinens des Buchs mit einer Doktorarbeit erledigt haben müssen. Seinen Doktor hat er gebaut, Die Sache mit der Lichtrichtung hingegen hat er angesichts der obwaltenden Umstände - alle Welt wollte Großraumbüros haben - geschmissen. Mal sehen, was die Kollegen von damals so für möglich hielten:
 

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Toll, man kann stufenlos alles steuern, und zwar beliebig. Von der Decke, von den Wänden … Stopp, da war was mit den Wänden. Steht am Ende des Buches als Teil der Lösung: Man braucht keinen Blickkontakt nach außen, wenn man z.B. im Großraumbüro sitzt, weil alle Wände, die den sozialen Kontakt zwischen den Mitarbeitern stören, entfallen sind. Also, Wände weglassen. Bleibt die Decke … So beliebig steuern ließe sich das Licht nur, wenn das Licht von oben kommen darf. Also doch nicht so beliebig!

Man kann aber die Decke anstrahlen. Stimmt, man muss es sogar, wenn man tiefstrahlende Leuchten einsetzt. So hatte ich als Student gelernt. Viele Jahre später, als ich Studien veröffentlichte, die die ominösen BAP-Leuchten als den besten Förderer von Krankfühlen und Unwohlsein nachgewiesen haben, sagte ein führender Lichttechniker, das sei kein Wunder, zu diesen Leuchten gehört immer eine Anstrahlung der Decke dazu. Diese Weisheit müssen allerdings sämtliche Planer von Bürobeleuchtung so etwa seit 1984 übersehen haben. Auch in der Norm, die die BAP-Leuchte praktisch zum Muss machte, DIN 5035-7, fand man nie eine Spur von Decken(an)strahlern. Dafür gab es in einigen bedeutsamen Büchern zur Beleuchtung so bedeutsame Aussagen wie "die natürliche Helligkeitsverteilung ist unten heller, oben dunkler". Nur bei Abhandlungen in gut aufgemachten Büchern findet man Hinweise zur Akzentuierung und Anstrahlung von Decken und Wänden. Und das schon seit über zwei Jahrzehnten. Wo liegt das Problem?

 
Das Problem liegt in dem Wort technisch-wirtschaftlich. Technisch gesehen kann man Innenräume nicht nur so beleuchten, dass man Licht aus allen Richtungen komponiert, beliebige Lichteinfallsszenarien realisiert, und das Ganze auch noch vom Computer in Richtung, Intensität und Farbe so steuern lässt, dass der Mensch sich in den Räumen wie in Abrahams Schoß fühlt. Technisch-wirtschaftlich gesehen steht jedem Büromitarbeiter etwa eine Achse mal Raumtiefe, so etwa sieben bis 12 m2 zur Verfügung. Da kann man zwei Leuchten an die Decke über ihr/ihm hängen und basta! Rührige Planer bemühen überdimensionierte Planungsprogramme, die die Leuchtenreihen an der Decke etwas hin und her schieben. Fertig ist die Lichtsoße.

 
Die Lichttechnik sowie die Klimatechnik, die übrigens von den Autoren des Buchs mitbemüht wird, um den fensterlosen Raum bewohnbar zu machen, kann man auch als Opfer der wirtschaftlichen Rationalität sehen. Bürohäuser sind keine Wohlfühloasen, für die sie uns verkauft werden. Sie sind Produktionsmittel und unterliegen den Gesetzen der Wirtschaftlichkeit. In Deutschland haben wir noch Schwein, weil es hierzulande niemandem gelungen ist, so etwas wie das Action Office durchzusetzen. Da kriegt jeder seine Minimalzelle und fertig. Was Technik kann, interessiert kein Sch...

 
Ein Büro menschengerecht zu gestalten
ist überhaupt nicht schwierig.
Es ist unmöglich.