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Wie blöd darf smart sein?

Heute erreichte mich ein "hochwissenschaftlicher" Bericht (hier, ganzer Bericht dort): Standby of Smart Lamps. Der Inhalt hat mich erschüttert. Denn bislang dachte ich, "smart" wäre intelligenter als doof. Ist offenbar falsch.

Erst einmal zum Begriff: Während der normale Mensch unter "smart" einen nicht ganz so koscheren Zeitgenossen versteht, bedeutet smart für einen Techniker etwas oder viel besser als doof. Langsam zum Mitdenken: Eine Laterne mitten auf dem Dorfplatz, die ständig brennt, ist doof. (Bitte nicht an BER denken, eine Baustelle, auf der das Licht seit Jahren durchbrennt (hier)). Wenn sie nur nachts brennt, ist sie ein Tick besser. Deswegen werden seit Jahrzehnten Gaslaternen mit einem Bügel versehen, der, wenn man daran zieht, die Laterne umschaltet. Macht das ein intelligentes Wesen, z.B. der Gasmann, ist das Ergebnis bereits ziemlich intelligent. Da der Gasmann aber keine Lust hatte, alle 40.000 Gaslaternen in Berlin abzufahren, machte man die Laternen smart. Ein Ruck in der Gasleitung und schon schaltet sie um, von Leuchten auf dunkel. Dummerweise klappt eine solche Schaltung nicht immer, weswegen der Gasmann immer noch herumfährt und guckt, welche Laternen tagsüber leuchten und nachts zur Ruhe gehen. Was nicht sehr intelligent ist. Laterne + Ruck + Gasmann ergeben eine Lösung, die man allerdings schwer mit dem Begriff intelligent verbinden möchte. (Wenn Jugendliche und Studenten Sehnsucht nach dem Gasmann haben, ziehen sie mal selber am Bügel.)

Smarter sind die Elektrolaternen. Die können erkennen, ob es Tag ist. Dann stellen sie ihren Betrieb ein. Dummerweise nicht ganz, denn sie müssen wieder erkennen, dass es dunkel wird. Dafür verbrauchen sie Strom. Allerdings berechenbar und berechtigt: Sie arbeiten zweimal in 24 Stunden. Insgesamt 1 Bit intelligenter als doof. Dummerweise stehen in der BRD etwa 9 Millionen Laternen doof da und warten, dass da einer vorbei läuft. Das nennt sich die Soda-Beleuchtung, weil sie so da steht. Smart? Noch ein Tick intelligenter sind Laternen, die erst dann angehen, wenn jemand sie braucht. Dafür verbrauchen sie etwas mehr Strom als die Kollegen mit 1 Bit-Intelligenz. Bei der elektrischen Straßenbeleuchtung, die etwa damit anfing, dass man tout Paris von einem Turm aus beleuchten wollte, ist das der Stand der Technik - Pardon, wird der Stand der Technik.

Jetzt zum Thema: Smart-Lamps. Die sind so intelligent, dass sie Tag und Nacht so da stehen, Soda!, dass sie jeden Augenblick angehen, wenn gefordert. Der besagte Bericht sagt nun, dass sie dafür mehr Energie verbrauchen als für ihre eigentliche Aufgabe: Leuchten. Sie sind ja eigentlich Leuchtmittel und keine Wartemittel. So gesehen sind sie die Umkehrung des Perpetuum Mobile, aus dem mehr Energie rauskommt, als man reinsteckt.

Zu den 9 Millionen Laternen. die nächtlich in Deutschland herumstehen und auf Fußgänger warten, könnten sich - bei ähnlich intelligenter Konstellation - Milliarden Lampen gesellen, die in deutschen Wohnungen und Büros warten, bis einer ihr Lichtlein zu brauchen scheint. Dann sind sie aber in voller Schönheit da. Wie nennen wir diese Lösung? Doof - Smart - Intelligent oder einfach Genial?

Leitfaden zur Beleuchtung von Unterrichts- und Vortragsräumen

Zur Nachahmung empfohlen: Wenn einem eine Schrift etwas "werbelastig" vorkommt, möge er den Inhalt schlicht und einfach in das Blablameter werfen (hier). Das BlaBlaMeter entlarvt schonungslos, wie viel heiße Luft sich in Texte eingeschlichen hat. Das habe ich mit einer wissenschaftlichen Abhandlung getan, die die LiTG veröffentlicht hat: "Leitfaden zur Beleuchtung von Unterrichts- und Vortragsräumen". Der Erfolg liegt auf der Hand (Verwendung für eigene Texte auf eigene Gefahr):

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P.S.: Aufgrund einer Anfrage habe ich den Anfang des Berichts, von dem hier die Rede ist, in das Blablameter geschmissen. Hier das Ergebnis:

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Flucht der Erleuchteten

Flucht-vor-dem-Licht

Es ist soweit: Wir haben so viel Licht, dass wir davor fliehen müssen. Der Berliner Tagesspiegel meinte in dem heutigen Beitrag zwar nicht uns alle, sondern die Besucher von Planetarien, die in Berlin wieder mal umziehen müssen, weil zu viel Licht einem das Sehen unmöglich macht. Unsere Städte werden immer bunter und die Fassaden strahlen nicht nur bunte Bilder ab, sondern auch noch Videos.

Menschen haben es noch gut, sie können sich einigeln. Die armen Tiere und Pflanzen können nicht einmal das. Hat jemand bemerkt, wie wenig Insekten es noch gibt? Deren Jäger können die restlichen auch noch besser erwischen. Vor 40 Jahren hatte man nach zwei Stunden auf der Autobahn eine blutverschmierte Frontscheibe am Auto. Heute bleibt sie clean auch nach 500 km. Wer hätte damals gedacht, dass ich noch Sehnsucht nach den lästigen Fliegen bekäme?

Hoffentlich bekommt die Griechische Tragödie nicht eines Tages Recht: bei der geht der unter, der übertreibt. Weiter so!

LED-in-Beylerbeyi

Von Human Centric Lighting

Weil mir HCl nur als Chlorwasserstoff (Salzsäure) oder als Hardware Compatibility List bekannt war, wollte ich lernen, was Lichttechniker unter HCL verstehen sollen. Was ich gelernt habe, haut dem Fass den Boden aus:

HCL-klein    

Das ist ein Auszug aus der Studie von AT Kearney, aus der man lernt, dass Industriearbeiter, die man mit dümmsten Arbeiten beschäftigt, etwas produktiver werden, wenn man sie unter 2.000 lx setzt.

Ach ja? Vor etwa 15 Jahren wurden Arbeiter bei VW bei wesentlich intelligenteren Arbeiten unter 2.000 lx gesetzt, damit sie die Nachtschicht besser überstehen, ich meine damit deren Arbeitgeber mehr aus ihnen hat. Die Firma, die die Studie in Auftrag gegeben hatte, hat später ihre Lichtsparte an OSRAM abgegeben, noch später OSRAM ganz aufgegeben, und OSRAM hat gerade ihr Lampengeschäft mit Verlust abgestoßen. Sieht so der Pfad zum Erfolg aus?
OSRAM-verkauft-Licht

Die Sache mit den 2.000 lx bei VW war übrigens der Auftakt zu diversen Studien, mit denen man biologische Lichtwirkungen auf den Menschen ergründen will. Seit etwa 15 Jahren hat man dadurch mehr über Licht gelernt als die ganze Zeit vorher. Soweit, so gut! Hat man aber wirklich was gelernt? Gucken wir uns mal an, wie das letzte Jahrhundert versucht hat, die Wirkung von Licht zu ermitteln. Die erste Studie führte man in den 1920ern mit Arbeiterinnen durch, die in einem Elektrowerk in Hawthorne Spulen wickelten (elektronische Elemente gab es noch nicht). Das Ergebnis war eines der größten Traumata, die die Wissenschaft bis heute verfolgt:
Hawthorne

Das Unglück nahm so ihren Anfang:
Scientific-management

Zu dumm nur, dass auch eine Kontrollgruppe, die keine "verbesserte" Beleuchtung bekommen hatte, aber glaubte, eine solche erhalten zu haben, ebenso eine Leistungssteigerung erfuhr. Und die Experimentalgruppe behielt ihre um 30% höhere Leistung bei, als die "Verbesserung" der Beleuchtung wieder weggenommen wurde. Ufff:
Hawthorne-Maengel

Lassen wir den Hawthorne Effekt im Mülleimer der Industriegeschichte. AT Kearney hat was Besseres zu bieten: Man kann nervende Schüler (ADHS-Syndrome bzw. Zappelphilipp-/Struwwelpeter-Syndrom) mit Licht so beruhigen, dass die von Stress und Burnout geplagten Lehrer entlastet werden, und damit auch die öffentliche Kassen, aus denen die Lehrerschaft bezahlt wird:
HCL-und-Schulen

Nicht schlecht die Idee! Die Wissenschaft würde vermutlich einige Jahrzehnte brauchen, um die Mängel der Studie aufzudecken, auf der die Annahmen beruhen, die AT Kearney, nach eigenen Angaben ein Think-Tank da zusammengetragen hat. (Bitte die Bezeichnung nicht von Google übersetzen lassen. Dann würde AT Kearney als Denkpanzer da stehen.) Auch ohne Wissenschaft kann man ein Fragezeichen setzen, warum ein Arbeiter, der nur Bauteile zusammenklaubt, 2685 Euro kostet, während der Lehrer von Zappelphilipp mit 2789 € zu Buche schlägt. (Ein deutscher Studienrat hat 2015 in Sachsen 4410 € brutto gekostet, dazu kommen die Arbeitsplatzkosten, Ausfallzeiten u.ä. Aber, wer wird denn so kleinlich sein. AT Kearney ist ein Thinktank, kein Lohnbüro.)

Erst einmal die Sichtweise von Licht.de:

HCL-und-licht.de Und wie geht das bitte?
HCL-und-licht1

Wenn einer es nicht glauben will, hier ist der "Emotionswähler":
Lichtprogramm

Und hier die wissenschaftliche Begründung durch den Leiter der Forschung:

Während die Studien in Hawthorne von wirklich qualifizierten Wissenschaftlern zu Beginn des 20. Jahrhunderts professionell geplant und ausgeführt worden waren - Mängel in Studien sind keine Seltenheit, sondern stets vorhanden -, die die Probleme ihrer Arbeit weitgehend selbst analysiert hatten, wie es sich für eine wissenschaftliche Studie gehört, würde die Hamburger Schulstudie in der seriösen Wissenschaft unter "junk" laufen. Hanebüchen wäre eine sehr milde Bezeichnung dafür. Man müsste Institutionen, die so etwas (s. unten) in Wissenschaftskreisen überhaupt erlauben, eher die Lizenz entziehen. (Wer es genau wissen will, kann bei uns eine Dokumentation erhalten.) Dennoch gelang es den versammelten Kräften der Marketingarmee der Lichtindustrie die Quintessenz dieser Studie ins deutsche Normenwerk einzubringen. Und die sieht so aus:

Grundschule

Guten Morgen Kinder! Hier ist Eure Lichtdusche. Nachher ist Klassenarbeit. Keine Sorge, wir puschen Euch auf Niveau. Danach ist Ruhe angesagt. Wer glaubt, sich ein Päuschen zu Mittag gönnen zu dürfen, wird gnadenlos mit 9000K aktiviert. Und das so lange, bis Ihr die Kinder aus Burkina Faso beim Pisa Test hinter Euch gelassen habt. Mit einem Schlag, ich meine mit einer Lampe mit Blaulichtanteil, lösen wir Eure (unsere?) Schulprobleme. Man kann Euch Saublagen endlich minutiös auf Haltung trimmen. Ich denke, davon hat Prof. Unrat nicht als erster geträumt, als sein Blauer Engel ihm über den Kopf gewachsen war. Wenn der Engel nicht blau ist, wird er halt blau angestrahlt. Der Traum des deutschen Paukers wird wahr: Man braucht nur den Knopf „Aktivieren“ drücken, schon seid Ihr Kinder 20% intelligenter. Wenn Ihr Saublagen zu viel Krach macht, dann Knopf 4 drücken:: Das beruhigt. Sollen sie sich konzentrieren, dann Knopf 3. Und so heiter … (Die Autoren von solchem Schwachsinn merken nicht einmal, wenn man es ihnen sagt, dass auch Lehrer unter ihrem blauen Segen arbeiten. Und die haben andere Körperrhythmen an die Kinder. Oder wird das Lehrerkollegium geschützt wie die Röntgenassistentinnen gegen ihr Arbeitsmittel? So etwa wie die VW Arbeiter, die ihre Freizeit mit einer Sonnenbrille verbringen mussten? Wie dem auch sei, auch die gesamte deutsche Presse ist so frei, den Quatsch weiter zu verbreiten - und das auch dann, wenn man sie drastisch aufklärt.)

In diesem Blog wurde der Sachverhalt seit 2009 mehrfach angesprochen. (siehe hier oder dort oder da oder hier oder oder ...) Was soll man von einer Zukunftsperspektive für Licht halten, die auf solchen kurzen Beinen fußt? Human Centric Lighting ist ein wirtschaftlicher Erfolg - für AT Kearney. Ob die Klienten was davon haben? Vorerst nichts …

Wie Licht beim Lernen hilft?

Licht-hilft-lernen

Soeben erreichte mich eine Werbung einer lichttechnischen Firma, die ihr Licht damit aufwerten möchte. Wie Licht beim Lernen hilft. Mit dem Bild kann ich nicht viel anfangen außer mich an einen früheren Artikel zu erinnern, dessen Titel hieß: " Wie kommt das Grauen in deutsche Büros"?

Auch wenn sich der Titel gruselig anhört, ist der Inhalt fiel schlimmer. Hinter dem Grauen im Büro steckt Firmenpolitik wie Methode. Warum aber gerade eine lichttechnische Firma mit dem Grauen Werbung für Licht macht? Da verstehe einer die Welt! Vielleicht soll es heißen, "Wer dieses Grauen übersteht, ist fit für´s ganze Leben."