Mir hatte folgendes Bild unheimlich angetan, als ich Lichttechnik studierte:
Es zeigt richtig gut, was Sache ist: es kommt auf das Licht an. Der Architekt - ich weiß nicht, ob so gewollt - steht am anderen Ende des runden Tisches. Man muss sich nur mit den Herrschaften "Akustiker" und Klimatechniker" einigen. Den Büroorganisator (auch auf der Gegenseite) muss man eigentlich nicht berücksichtigen, denn dem hat man gegeben: der muss die Arbeitsplätze so ordnen, wie mein starkes Licht so will. (Nicht lachen: So ähnlich stand es in einem Normenentwurf zur Beleuchtung. Nicht 1898, sondern 2016. Für Jahrzehnte stand es auch in DIN 5035). Außerdem muss er alles matt machen, damit man tiefstrahlende Leuchten als BAP-Leuchte verkaufen kann. Galt auch noch etwa ein Jahrzehnt als Fortschritt.
Wie sähe das gleiche Bild aus, hätte man den Akustiker gefragt? Ich denke, etwa gleich, nur dass der Akustiker im Mittelpunkt steht. Das tut er heute tatsächlich, indem er überall Stellwände verteilt, die angeblich die Akustik verbessern. Dummerweise merken die Insassen wenig davon, außer dass sie schlechte Luft haben. Die macht nämlich der Klimatechniker - und der mag Stellwände ganz und gar nicht. Fenster auch nicht, wenn sie sich öffnen lassen. Leuchten außer deckenbündig abschließender Exemplare ebenso nicht. Seine Stellwände fangen zwar nicht genug Schall ab, aber dafür das Licht perfekt. Ein Stinkstiebel, dieser Typ!
Was sagt der Arbeitsmediziner dazu? Nix. Den gibt es meistens nicht, d.h., eigentlich nicht. Der Betrieb ist zwar per Gesetz verpflichtet, eine arbeitsmedizinische Betreuung anzubieten. Mancher Betrieb bezahlt ihn aber, damit er nie erscheint. Den Miet-Arbeitsmediziner, das ist einer, den man sich von entsprechenden Diensten ausleiht, schüchtert man ein, indem man ihm zu fühlen gibt, dass ihm die Luft in diesem Betrieb nicht bekommt. Am schlimmsten ist es bei Betrieben, die den eigenen Arbeitsmediziner outgesourced haben. Der Arbeitsmediziner ist nämlich laut Gesetz nicht weisungsgebunden, muss sich aber wohl den Weisungen seines Chefs beugen, der ihn an den Outsourcer zurückvermietet. Da dessen Chef wiederum der Chef der Firma ist, bei der unser Mann arbeitsmediziniert, läuft die Sache perfekt. So gehen honorige Unternehmen, die auf Zucht und Ordnung halten, mit deutschen Gesetzen um. Die sind nämlich für andere da.
Nehmen wir an, es läuft, wie es laufen sollte, und der Arbeitsmediziner will wirklich etwas erreichen. Was macht er? Bitte nach oben gucken zu dem Bild (vorsichtshalber rechts wiederholt): unser Arbeitsmed. (10 Uhr bzw. links oben) steht einer Phalanx von "Fachleuten" gegenüber (eingezeichnet 8, real noch mehr), die sich allesamt im Zentrum des Bildes sehen. Was für einen dicken Nacken muss der haben, wer er sich gegen alle durchsetzen will!
So sah das gestern in einem Betrieb aus: Ein ITler werkelt- das sind die Helden, die wahlweise Industrie 4.0, D21 (D wie Deutschland, 21 wie 21. Jhdt) oder Digitalisierung der Verwaltung, hoffentlich noch im 21. Jahrhundert, realisieren sollen. Es sind die Architekten der deutschen Zukunft der Arbeit. Unser ITler sitzt an einem Tisch von 1983 auf einem nur unwesentlich jüngeren Stuhl, dem man seine Arbeitsleistung ansehen kann. Er ist durchgesessen. Man kann zwar auch auf einem Melkschemel sitzen, aber nicht unbedingt an diesem Tisch, vor allem nicht unser ITler. Der ist etwas zu groß geraten. So hockt er zu tief auf seinem Schätzchen und wird geblendet. Denn die Beleuchtung hatte man - man war kein Lichttechniker - so etwa 1973 entworfen. Künstlerisch wertvoll, hier eine Lampe, dort eine Lampe, und eine Kassettendecke, damit man das Elend nicht sieht. Ohne den blöden Tisch wäre die Blendung nicht ganz so schlimm, weil der ITler höher säße.
Außerdem trägt nicht die Beleuchtung die Hauptschuld an der Blendung, sondern eine schwarze Wand. Die war schick, bevor unser ITler auf die Welt kam. Unser Mann muss unablässig Richtung dieser Wand gucken, vorbei an einem Bildschirm, der schlappe 300 cd/m2 auf die Waage bringt. Das ist etwa 10 Mal so hell wie eine richtige deutsche Bürowand bzw. mehr als 100 Mal als die schwarze.
Es könnte sein, dass unser ITler das Klima mögen würde. Er tut es leider nicht. Aber der Klimatechniker kann nix dafür, dass der Bildschirm eine Oberflächentemperatur von 37º C hat (echt gemessen). Schönes Öfchen, so schön vor der Nase. Solche Verhältnisse waren als unangenehm bekannt, vermutlich bevor der Vater unseres ITlers das Licht dieser Erde erblickt hatte.
Um die Zukunft zu bauen, braucht unser Held Ruhe und Konzentration. Die hat er, wenn alle Kollegen weg sind. Da aber auch die zu den Helden gehören, die die Zukunft bauen, müssen die da sein. Wenn alle da sind, sind zwar alle körperlich anwesend, geistig aber nicht ganz so. Um die Störungen zu reduzieren, hat man das Büro in offene Kabuffs eingeteilt. Toll, man sieht nur die vier im eigenen Kabuff, und hört alle anderen. Am unterhaltsamsten ist, wenn die anderen ein Meeting abhalten. Leider dauert die Unterhaltung nicht lange, weil die Helden nach etwa 20 Minuten nicht mehr ganz bei der Sache sind. Die Luft ist zum Schneiden, weil die Kabuffwände die Klimaanlage an der Verrichtung ihrer Arbeit hindern. Es gibt zwar eine ASR Lüftung, die hilft. Leider gibt es bei einer angemessenen Anwendung kein Meeting mehr, man müsste alle 15 Minuten lüften. Schuld ist nicht etwa die ASR oder gar die müden Helden, sondern der Kaufmann. Der hält Flächensparen im Büro für wirtschaftlich.
Ich habe den Auftrag, das alles zu verbessern. Was mache ich? Nix! (Bitte nochmal das Bild oben ansehen) Will ich das Licht verbessern, muss ich die Decke ändern. Dann ändert sich die Akustik. Will ich die Akustik auch noch verbessern, ziehe ich Wände um unseren ITler herum. Dann meckert der Klimatechniker, der das Büro betreiben muss. Will ich Blendung wegmachen, muss ich die Wand hell anstreichen lassen (Gott verhüt´s). Will ich ein durchgängiges Konzept entwerfen, steht die Witwe des Architekten auf der Matte und reibt mir die Architektur-Preise unter die Nase, die der Göttergatte einst für das Haus eingeheimst hatte.
Wer glaubt, so etwas sei nur bei alten Gebäuden zu erleben, die halt ihre Existenzberechtigung nicht mehr so ganz verdienen, für den folgende Kurzgeschichte: Ein Architekt findet, dass Bauteilaktivierung eine tolle Idee ist. So nennt man es, wenn man z.B. über die Heizung und Kühlung der Decke Klima macht, prima Klima! Dummerweise braucht man dafür Betonrippen. Und die sind schallhart. Also stopft man überall, wo man kann, Dämmmaterial hinein und installiert die Leuchten da rein. Dummerweise ist das Material schwarz, und die Leuchten blenden wie Sau. Also nimmt man Indirektleuchten. Das ist prima. Nur, dass die Dinger eine helle Decke brauchen. Die ist aber wg. der Klimastory grau (Beton) bzw. aus akustischen Gründen schwarz (Dämmmaterial). Da alles "optimal" funktioniert, d.h. so gut es geht, ist die Bude anschließend äußerst kommunikativ. D.h., man versteht jeden, der irgendwo was sagt. Da erinnert sich einer, dass der Architekt früher Kirchen gebaut hatte. Prima, wenn man den Pfarrer ohne Beschallungsanlage versteht. Ende der Story: Etwa drei Jahre nach dem Bezug des Baus ist der Betreiber bester Kunde von einem Hersteller von Glaskabinen. Sowas sieht man ja in ganze alten Amifilmen. Muss sich bewährt haben.
Wer sich von dem schönen Bild oben hat blenden lassen, wird garantiert die fehlenden Rollen übersehen haben. So z.B. den Betriebsrat. Mindestens der hat ein Wörtchen zu reden, und nicht nur eins. Es hat sich herumgesprochen, dass z.B. Licht die Gesundheit beeinflusst. Klima eh. Und über die Akustik beschweren sich ganze Heerscharen von Mitarbeitern. Nur der Betriebsrat kann der Belegschaft vermitteln, eine gefundene Lösung sei zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber anders geht nicht. Ein Büro ist kein Biotop für eine artgerechte Haltung für Menschen, Hälterung eher. Außerdem wüsste ich gerne, wo der Sicherheitsingenieur abbleibt. Vielleicht hat er Urlaub?
Er hängt in der Mitte eines großen Saals, so wie seit Jahrzehnten. Es könnte sein, dass er einst für Kerzenlicht konstruiert wurde. Später erhielt er bestimmt elektrische Kerzen. Deren Licht spiegelte sich in den Kristallen, eine blendende Erscheinung. Dafür baut man ja Lüster. Unter ihm flanierten einige der wichtigen Leute der Republik, vielleicht war auch mal der Kaiser da. Auf dem Gelände vor ihm hat auch mal ein Davis Cup stattgefunden. Unser Kronleuchter ist kein Nobody.
Wir saßen unter ihm zu einem Abendessen. Die Tische waren mit Kerzen dekoriert, die naturgemäß nur die eigene Umgebung beleuchten. Den Saal übernimmt - bzw. übernahm früher - der Kronleuchter.
Dann muss irgend wann mal einer gekommen sein und moderne Zeiten ausgerufen haben. Der Kronleuchter wurde mit dem modernsten Licht bestückt. Als ich ihn zuerst ansah, wunderte ich mich, dass nichts blendete. Entweder hat der Verantwortliche Module mit geringer Leuchtdichte genommen oder man hat die LED gedimmt. Auf jeden Fall ... es blendet nichts. Lüster leben aber von Blendung, von dezenter. Lichter setzen - damit meint der Architekt, dass man Lichtpunkte geschickt platziert, um ein feierliches Erscheinungsbild zu erzielen. Bisschen Glanz, bisschen Gloria.
Nicht Glanz - auch nicht Gloria. Der Kronleuchter hing traurig da. Er strahlte nicht. Triste ist eine bessere Bezeichnung. Tot im Lichtermeer von Kerzen.
07.02.2017
Man stelle sich vor. Man wartet fünf und mehr Jahre auf ein Ereignis, macht sich gemütlich vor dem Fernseher, weil andere Leute vor Ort eingeladen sind - so etwa Merkels und Gaucks -, wartet auch noch auf die genannten, weil sie sich verspätet haben, und … dreht den Fernseher nach einer halben Stunde ab. Die Rede ist vom Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie, die von außen ein Gedicht ist. Die Akustik soll auch toll sein, zumindest auf bestimmten Sitzpositionen. (Die meisten Fernsehzuschauer merken nicht viel von den Mängeln, weil a) die Fernsehanstalten den Ton woanders abzweigen, und b) deren Geräte so flach geworden sind, dass aus denen kein vernünftiger Ton mehr zu bekommen ist.) Warum denn abschalten?
Wir erwarteten ein Raumgefühl wie in der Berliner Philharmonie, die ich länger kenne als jeder Musikliebhaber, weil ich vor der Eröffnungsfeier noch einer Marotte von Herbert von Karajan gehorchend dort einen Künstler mimen musste, mit etwa 50 anderen Studenten. Unser Akustik-Professor hatte ihn aus einer anderen Sicht kennenlernen müssen, und ein Freund, der die Lichtplanung gemacht hatte, aus einer dritten. Karajan war ein Pedant, was die Umstände seiner Kunst anging. Alles, was er dirigierte, musste perfekt auf - damals - Film gebannt werden. So kam ich in den Genuss einer Violine, die ich in der Hand halten durfte wie im Konzert, andere hielten natürlich andere Instrumente ins Licht. Unsere Qualifikation für den Job war nicht zu übertreffen: Alle Besitzer eines schwarzen, nicht glänzenden Anzugs. Immerhin, es gab keinen Frackzwang.
Herbert von Karajan kam zuerst zu uns, später wandelte er im gesamten Gebäude herum und guckte sich sein Orchester - ich meine uns - aus allen Perspektiven an. Der Regisseur musste mit ihm wandern und maß überall Licht. Wir hatten einen Job für drei Tage. Damals hatte ich die Sache nicht ganz verstanden. Aber später erzählte uns der Akustik-Professor von seinen Nöten mit Karajan. Viel später erfuhr ich von dem Lichtplaner weiteres: Karajan wollte perfekt in Ton und Bild aufgenommen werden, damit die Nachwelt nicht etwa einen Makel entdecken konnte. Das Verhalten von einem, der ihm den Raum geschaffen hatte, Hans Scharoun, erzählte mir eine Freundin, die bei ihm im Büro hospitierte. Scharoun soll sein Büro so gewählt haben, dass er einen Überblick über das gesamte Baugelände hatte und täglich den Bau beobachten konnte. Also lauter Perfektionisten, die vor etwa 55 Jahren ein Architekturmonument geschaffen haben. Ist es übertrieben, wenn man das neue Haus daran misst, zumal das Konzept ja gar nicht soo fremd ist. (Abkupfern ist in der Architektur ein hässliches Wort, man redet lieber von Zeitgenössischer Architektur.)
Scharouns Konzept hat recht häufig - sagen wir mal - als Inspirationsquelle gedient. Der Eigenbeitrag der Insprierten fiel recht unterschiedlich aus. Manche wollten lediglich die Transpiration meiden. Man kann sich überhaupt freuen, dass die Philharmonie überhaupt von Scharoun gebaut wurde. und überhaupt dort. Denn an ihrer Stelle war von Albert Speer im Rahmen der Umgestaltung Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ eine riesige Soldatenhalle als Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten geplant gewesen. Und die Jury, die den Wettbewerb durchführte, war nicht so überwältigend überzeugt. Denn das Preisgericht vergab nach 16-stündiger Beratung den ersten Preis zwar an Scharouns Philharmonie-Entwurf, allerdings fiel die Entscheidung mit neun gegen vier Stimmen – und damit fehlte die erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit. Erst nach Interventionen Herbert von Karajans und einem Appell Hans Heinz Stuckenschmidts (einem der Jurymitglieder) wurde Scharoun schließlich verbindlich mit der Ausarbeitung beauftragt.
Ich stellte mir vor, was Karajan zu den vielen Lampen gesagt hätte, die da aus der Decke gucken? Auch die Sternlein im Himmel wollen sich bemerkbar machen, aber sie stören nicht das Gesamtbild des Himmels. Wenn ich H.v.K. wäre, hätten die Architekten bestimmt keinen guten Tag - bereits vor der Einweihung nicht. Hinterher erst recht nicht.
Mich störte auch die visuelle Unruhe an den Wänden, die das Licht verstärkt. Die Oberflächenstruktur soll der Akustik dienen. Dem visuellen Eindruck dient sie hin und wieder. Man kann sich darüber formidabel streiten.
Wer um Gottes Willen hat die Treppen so schön blendend ausstaffiert, als wollte sich einer beim Arbeitsschutz bewerben. Die treten bereits bei voller Beleuchtung unangemessen in den Vordergrund. Wenn die Lichter verstummen, damit man den Musikern besser zuhören kann, wird es es schlimm. Darf ich das böse Wort Raumteiler benutzen? Kann man bei diesem Anblick der Musik lauschen? Ich denke eher nicht. Solche Muster sollen empfindliche Jugendliche sogar zur Ohnmacht treiben.
Das neue liebevoll Elphi genannte Wahrzeichen von Hamburg ist mir bisschen - ähh - dröge geworden. Der Lichtplaner versäumt wohl einen anderen Beruf oder war es der Architekt? Dass wir nach einer halben Stunde abgeschaltet haben, lag aber weder am Erscheinungsbild des Saals noch an der Moderatorin (Barbara Schöneberger) des Abends. Denn beide muss man sich nicht angucken, wenn man Musik hören will. Genau als wir das taten, Augen zu, fiel uns auf, dass die Musik gewöhnungsbedürftig war - etwas …
Aber dennoch beruhigend. Denn Leute strömen so nach Hamburg, dass es in Berlin vielleicht ab und an mal Karten auch für gute Konzerte in der Philharmonie gibt. Das Konzert von Hamburg gibt es noch ein paar Tage bei ARTE in der Mediathek. Danach muss es weg, denn wie man in Deutschland Kultur vermittelt, bestimmen die "freien" Sender, die gerne privat Geld machen wollten. Ab dem 29. März 2017 noch mehr, denn die beenden dann die Ära von FreeTV. Ein Drittel von Deutschland bekommt RTL und Co. danach nur noch gegen Cash zu sehen. Mal sehen, wie viele Leute das fröhliche Kakerlakenessen in Bezahl-TV sehen wollen. Wer mit seinem Geld sparsam umgehen will, sollte sich ein Ticket vom Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker kaufen. Allerdings sollte er (sie) sich noch einen Verstärker und Lautsprecher kaufen. Denn ob free oder nicht, TV aus Flachbildschirmen klingt leider nach Blech, auch wenn nur Piccoli, Flöten, Klarinetten und Saxophone spielen, sogar in Begleitung von Trommeln. Ein Jammer - eine Stadt von Kaufleuten legt so etwa 900 Mill hin, um einen tollen Konzertraum zu kreieren. Man lockt teure Musiker mit Handgeld an. Die Creme der Republik wirft sich in Schale. Die Super-Kiste zaubert ein Bild toller als im Saal - und die Hauptsache, der Ton, scheppert so vor sich hin.
Am helllichten Tage zappenduster! Und was macht die Lichttechnik dagegen? Ich denke, nichts außer sich an den Kopf zu fassen. Was sollte man denn hier sonst tun? Das Schmerzensgeld für die Insassen müssten eigentlich die bezahlen, die für Gestaltungen wie diese auch noch Honorar verlangen.
Es gibt einige gaaanz triviale Regeln in der Lichttechnik, die viele Leute kennen, aber offensichtlich nicht anwenden. Die sind ja trivial. So heißt eine davon 10:3:1 bzw. 1:3:10. Will sagen: Leuchtdichten im Gesichtsfeld sollen sich nicht weit voneinander unterscheiden. Hat der Betrachtungsgegenstand eine Leuchtdichte von 10, so soll dessen Umgebung nicht dunkler als 3 sein, das weitere Umfeld darf dann 1/10 der Leuchtdichte des Objekts besitzen. Bei ganz dunklen Objekten gilt das Umgekehrte. So einfach ist das! So einfach ist das?
So einfach geht es nicht, sagen viele. Wie misst man denn das? Wenn man es erklärt, sagen dann alle: oooh, ganz schön aufwendig! Wirklich? Die Chinesen fahren schon Jahrhunderte nach einer ähnlichen Formel, die aber anders heißt: Feng Shui. Danach ist Harmonie in, abrupte Änderungen, große Kontraste (in Ton und Bild) out. Da kommt keiner auf die Idee, zu messen. Einer, der doch gemessen hatte, Prof. Bodmann, hatte einst ermittelt, dass "Schwarz" einen Kontrast von mehr als 10:1 bedeutet. Umgekehrt könnte man sagen, dass alles, was schwarz erscheint, eben der obigen Regel nicht genügt:
In der Architektur gibt es zwar unendlich viele Maße und Messbares, aber die Gestaltung erfolgt erst einmal nach Bauchgefühl, Entschuldigung, dem Stand der Baukunst. Nie käme ein Architekt auf die Idee, in einem Raum mit einem solchen Aussehen (oben) auch noch Messungen anzustellen. In dem unten gezeigten Raum muss man sie auch nicht. Der hat zwar deckenhohe Fenster. Deren Beleuchtung dient fast ausschließlich als Blendung. Die gesamte Inneneinrichtung dient uneingeschränkt dem Unwohlsein. (Anmerkung: Das Aussehen des Raums sollte nicht dazu verleiten, zu glauben, die Aufnahme sei ohne Licht im Raum gemacht worden. Zur Zeit der Aufnahme waren alle verfügbaren Leuchten im Raum an. Aber es half nichts.)
Wer mit seinem Licht im Büro nicht zufrieden ist, sollte sich zuerst nach anderen Aspekten umsehen. Manchmal sind die Lösungen so trivial, dass nur Studenten daran denken.
Davon hätten die Väter der Zahl 500 + Lux nie zu träumen gewagt. Deren Entstehung liest sich zwar um Längen verschrobener an als die Berechnungen von Größen in Pyramidologie - so etwa Höhe mal Breite einer Pyramide geteilt durch die Körbchengröße von Kleopatra = Kragenweite des darin begrabenen Pharao in assyrischen Millimeilen - , die Jünger der einst verschwiegenen wie verschworenen Sekte werden immer mehr. Heute hat die DPA eine Horrormeldung in die Welt gesetzt, als wäre die durch die alternativen Fakten des neuen amerikanischen Präsidenten nicht genug in den Wahnsinn getrieben worden: 500 lx oder Deine Zimmerlinde stirbt!
Wie es scheint, hat der Fachverband Raumbegrünung und Hydrokultur in Berlin, vertreten durch sein Vorstandsmitglied Jürgen Hermannsdörfer einen Pakt mit den Normern unter den Lichttechnikern geschlossen: "Laut Herrmannsdörfer ist immer ein Wert von 500 Lux erforderlich, um eine Pflanze am Leben zu halten. Das ist die übliche Größe, mit der zum Beispiel im Büro Schreibtische erhellt werden." sagt die DPA. Der Vorstand vom Fachverband Raumbegrünung und Hydrokultur wird es schon wissen, wie die Erhellung von Bürotischen mit der Lebenskraft von Pflanzen zusammen hängt. Vielleicht ernährt sich der deutsche Bürohengst von den Blättern der Beamtenpalme?
Häufig sorgen Rollos und Stores am Fenster für den Lichtmangel Darüber hinaus schlucken natürlich auch die Glasscheiben schon Licht, und mit dem Abstand zum Fenster nimmt sowieso die Lichtstärke, die in Lux gemessen wird, ab, sagt Herrmannsdörfer. Der kennt ein modernes Blumenfenster nicht.
Da man eine solche wichtige Geschichte nicht einem einfachen Gärtnermeister, Herrmannsdörfer, überlassen kann, kommt ein leibhaftiger Professor zu Wort. Der befasst sich mit dem Zierpflanzenbau an der Hochschule Osnabrück. Er meint "es gibt durchaus Pflanzen, die mit Werten zwischen 800 und 500 Lux klarkommen. Meist stammen diese Pflanzen aus dichten Wäldern in tropischen und subtropischen Klimazonen". Offenbar hat sich lichttechnisches Wissen bis in die dichten Wälder der Tropen und Subtropen verbreiten können und erhellt deren Unterholz.
"Wer aber tatsächlich nach einer Palme für einen eher dunklen Standort sucht, dem empfiehlt Herrmannsdörfer die Kentia-Palme (Howea). Die Art wurde Ende des 18. Jahrhunderts auf einer Insel östlich von Australien entdeckt. "Selbst bei nur 600 Lux kann diese Palme überleben", sagt der Gärtnermeister. Der optimale Bereich liegt aber bei 800 bis 1200 Lux." Das ist toll zu wissen. Wie macht man aber 800 oder 1200 lx? Vor allem, wann? Ich denke mal, nicht nachts, auch nicht abends. Im Blumenfenster die Beleuchtungsstärke zu messen, ist auch nicht so einfach. Kann es sein, dass die Blumenliebhaber es dabei belassen, mit den Lieblingen zu reden und deren Wünsche ihnen vom Blatt ablesen?
Wie auch immer. Man muss auch noch auf die Schutzbedürfnisse seines Gemüses achten. Dazu gehört auch das Lüften: ""Die meisten Pflanzen fühlen sich bei Temperaturen zwischen 18 und 22 Grad wohl", sagt Herrmannsdörfer. Das Lüften im Winter kann daher den Pflanzen zusetzen. Er empfiehlt das Stoßlüften, rät aber zugleich, die Pflanzen für die Zeit an einen geschützten Platz zu rücken. "Man muss sich vorstellen, dass die Pflanze quasi nackt im Raum steht." Quasi nackter Spargel mitten in der Zugluft - ein Horror!
Spaß beiseite: Büropflanzen gehen in Räumen mit modernen Isolierglasfenstern häufig ein. Das liegt an der spektralen Filterung dieser Gläser, die das Tageslicht auch noch stark reduzieren. (zum Lachen hier). Deswegen gibt es eine VDI-Richtlinie, die man lesen sollte, ehe sich die Metzgerpalme einen traurig anschaut (VDI-Richtlinie: VDI 6011 Blatt 3 Optimierung von Tageslichtnutzung und künstlicher Beleuchtung - Anforderungen der Innenraumbegrünung) (mehr hier) Und die Insel, von der alle Kentia-Palmen abstammen, heißt Lord Howe Island. Dort dürfen gleichzeitig nur 400 Touristen drauf, damit Paradies Paradies bleibt. Die Insulaner wollen nicht ihren Palmen nachziehen.