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Geschichte werden statt Geschichte schreiben

14.11.2024
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Wer Geschichte schreiben will, muss sich warm anziehen. Das hatte sich ein gewisser Napoleon Bonaparte sagen lassen, als er gen Moskau zog. Doch seine Mannen kamen geschlagen zurück, wenn überhaupt. Deren traurige Geschichte ist nicht nur bei Leo Tolstoj zu lesen, sondern auch in einer der berühmtesten Grafiken der Geschichte. Später wolle ein gewisser Adolf H. dasselbe, ohne es aber Napoleon nachmachen zu wollen. Dieser war der Erfinder des schnellen Kriegs. Durch ihn wurde ein deutsches Wort ein Lehnwort in Englisch: Blitz wie Blitzkrieg. Er zog auch gen Moskau, so überzeugt vom Blitz, dass er seine Mannen in Sommeruniformen losschickte. Von insgesamt 18 Millionen Soldaten, die der GRÖFAZ - Größter Feldherr Aller Zeiten - in den Krieg warf, kamen 6 Millionen nie wieder heim. Napoleon war da schlechter. Er war mit 422.000 Mann Ende Juni 1812 losgezogen. Gen Weihnachten kam er mit 4.000 Mann heim. Nur 1 % seiner Krieger hatte den Feldzug überlebt. 

Ein Feldzug mit zivilen Mitteln, aber viel mehr Menschen betreffend, sollte die Nacht- und Schichtarbeit revolutionieren. Dazu sollte das neue bzw. neu aufgewärmte Wissen über die circadianen Rhythmen des Menschen als Vehikel dienen. Dieses besagte, dass man mit Licht die Rhythmik der menschlichen Hormone steuern könne. Erwiesen durch die Arbeit von Rosenthal et al 1984 (hier). Ergo: Man mache mit viel Licht die Nacht zum Tage, nicht die in Bars oder sonstigen schrägen Etablissements, sondern in der Physiologie des Arbeiters. Zwar hatten die Autoren der Originalarbeit die Therapie einer Krankheit im Sinn, die die Menschen dieser Tage im November alljährlich befällt, aber in der Lichttechnik ist science faction eine legitime Methode. Das ist, wenn man eine wahre wissenschaftliche Erkenntnis mit einer Marketingidee kreuzt. So sollten Mitarbeiter eines Autowerks, Volkswagen, mit einer Methode nachts sicherer arbeiten, die sonst dazu dient, die Winterdepression zu heilen, die durch Lichtmangel entsteht. 
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So wollte auch der deutsche Volkswagen Konzern die neue Erkenntnis nutzen und führte ein Großprojekt durch, bei dem die Nachtschicht mit 2000 lx beleuchtet wurde, um die Mannschaften wach zu halten. Die Betriebsärztin Angelika Guth war begeistert: „Es gibt Hinweise, dass sich die innere Uhr von Schichtarbeitern mit Licht umstellen lässt.“, berichtete das Hamburger Abendblatt am 3. Januar 2004 (hier). "Wenn wir die Nacht zum Tag machen, müssen wir den Tag zur Nacht machen", sagte Guth. Auch wenn Frau Dr. Guth bereits ein Jahr danach nicht mehr auf diese Studie angesprochen werden wollte, blieb es bei der Motivation des Lichtmarketing bis heute: Schichtarbeit mit viel Licht ändern.

Der Initiator der Idee war ein anderer großer deutscher Konzern: Siemens. Dieser hatte damals noch etwas Interesse an Licht, durch das er groß geworden war. Aber noch mehr an dem Stromverbrauch durch Licht, an dem er viel verdient hatte. Denn der Firmengründer war, wie auch sein größter Konkurrent Edison, ein Systemmensch und verdiente nicht etwa an Lampen allein, sondern an Leitungen und Kraftwerken, die man dazu brauchte. 

Gegen diese Studie gab es mindestens einen Widersacher, der die Beteiligung an dem Projekt unmittelbar abgelehnt hatte. Das war der Professor für Arbeitspsychologie Nachreiner. Nicht dass er etwas dagegen hätte, dass die physiologische Wirkung der Nacharbeit gemildert werden sollte. Als Experte für die Nacht- und Schichtarbeit wusste er, dass diese immer den Körper belastet. Aber ebenso schlimm oder schlimmer sind die sozialen Auswirkungen auf Familie, Freunde u.ä. So hatte Professor Nachreiner u.a. Optimierungsprogramme für Schichtpläne entwickelt, die die sozialen Wirkungen minimieren.
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Neben Nachreiner hatte auch ich meine Bedenken. Aber nicht wegen der Physiologie, da ich eine Eigenschaft habe wie nur wenige Menschen: von Geburt an war mir die circadiane Wirkung egal. Ich kann schlafen, wann es geht, aber auch tagelang wach bleiben. Das können rechnerisch maximal 20% aller Menschen vom Chronotyp Eule, davon bin ich die extremste. Der größte Teil der Menschen gehört zu den Lerchen. Diese und auch die "Normaltypen" stehen zur gleichen Zeit auf, egal was sie in der Nacht davor getan haben. Daher findet man in Warten und Leitständen fast nur Eulen. Aber so viele Eulen, wie die Gesellschaft braucht, gib es aber nicht. Außerdem weiß ich nicht recht, ob man etwa die Polizei oder die Gewerbeaufsicht nur mit Eulen bestücken sollte. 

Meine Bedenken waren daher eher technischer Art. Ich mag keine Studien, die auf Beleuchtungsstärken beruhen, weil dieser Begriff eine künstliche Größe bezeichnet. Die Beleuchtungsstärke ist erfunden worden, um alles Licht, das sich in einem Punkt auswirkt, ungeachtet seiner Quellen und deren Eigenschaften in eine Messgröße zu fassen. Nur wer gelernt hat, was dabei alles unberücksichtigt bleibt, Blendung, Richtung des Lichteinfalls, Modellierung von Gesichtern, Lichtfarbe, Farbwiedergabe, Leuchtdichte und und und, kann damit umgehen. Dass ausgerechnet die physiologischen Auswirkungen auf die Körperhormone an der Beleuchtungsstärke des Arbeitsplatzes gemessen werden sollten, wollte mir nicht in den Kopf.
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Es gibt einen eindeutigen Nachweis dafür, dass die lichttechnische Industrie den Versuch im Volkswagenwerk als Vehikel benutzen wollte, helles Licht allgemein zu propagieren, als Heilmittel, vielleicht sogar als Allheilmittel. Das Projekt wurde der deutschen Öffentlichkeit nicht etwa durch eine Fachzeitschrift für Produktionstechnik präsentiert, sondern durch die Bürozeitschrift Mensch und Büro. Wer nicht gutgläubig alles abnimmt, was ihm vorgesetzt wird, fragt sich, was eine Bürozeitschrift wohl mit Schichtarbeit zu tun hat. Zu der Präsentation war Nachreiner nicht eingeladen. Er wäre vermutlich auch nicht gekommen, weil er den Versuch bereits methodisch unterirdisch gefunden hatte. Als Moderator hatte Mensch und Büro mich vorgesehen. Das war der Industrie aber nicht genehm. Sie argumentierte, ein prominenter Fernsehmoderator von Wissenschaftssendungen wäre angemessen für das historische  Event. So wurde Karsten Schwanke zum Moderator gewählt. Immerhin der Moderator von "Abenteuer Wissen", einer Sendung, die zuvor von Wolf von Lojewski präsentiert worden war, und Schwanke eine Goldene Kamera für "Beste Information Wissensmagazine" einbrachte. Dieser verdiente viel später eine "Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik" der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. 

Die Wahl von Karsten Schwanke zeigt den Stellenwert, den die Industrie dem Projekt beigemessen hat. Nur kurz danach wurde das großartige Werk begraben. Was war der Grund? Jedenfalls nicht meine Bedenken bezüglich der Beleuchtungsstärke. Diese haben die Lichtplaner wohl so hinbekommen. dass in keiner Publikation von Blendung die Rede war. Die circadiane Rhythmik der Arbeiter wurde auch um Stunden verschoben. So gesehen ein Erfolg. Das einzig Dumme war, was Nachreiner beanstandet hatte. Die Arbeiter mussten nach der Nachtschicht im Dunkeln nach Hause fahren, damit die Verschiebung durch die dumme Sonne nicht wieder zurück verschoben wurde. Dann war da noch eine Kleinigkeit: Es mussten Nachtschichten drei Wochen in Folge durchgehalten werden. Und zwischendurch musste der Arbeiter tagsüber nur mit einer Sonnenbrille herumlaufen. 

Zu praktisch, um in die Geschichte einzugehen!  

Das richtige circadiane Licht für sich herstellen

30.09.2024
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In der letzten Woche habe ich dargestellt, dass alle Hoffnung auf das "Richtige Licht zur rechten Zeit" wohl verloren ist. Jedenfalls wenn man darauf wartet, dass einem die lichttechnischen Normen oder die Gurus der Chronobiologie helfen. Doch ist es nicht angebracht, die Flinte ins Korn zu werfen. Man kann immer noch sich selbst helfen, wenn man weiß, wie man die Erkentnisse der Chronobiologie anwendet. Und das ist so kompliziert nicht. 

Warum können aber die Lichttechniker nicht helfen? Das ist eine lange Geschichte, die genau 100 Jahre alt ist. Man hat im Jahre 2024 die sog. V(λ)-Kurve aufgestellt und behauptet seitdem, dass Licht nur das ist, was diese Kurve umfasst. Alle physiologischen Wirkungen der Strahlung sind damit ausgeklammert, die nicht in den Bereich der Kurve passen. Das ist eindeutig fehlerhaft. Die Normer müssen von diesem Ross runter. Können aber wohl nicht. Man muss sich aber nicht an deren Probleme halten. 

Es gibt zudem ein Problem, das Normer nie lösen können, aber der Einzelne bzw. der einzelne Arbeitgeber. Das ist das Gedächtnis des Körpers für die vergangenen Lichtexpositionen. So wirkt sich die Beleuchtung am Tage in der Nacht aus, und die Beleuchtung im Privatbereich in der Nacht am nächsten Tag bei der Arbeit. Der Arbeitgeber darf keine Vorschriften für deine Mitarbeitenden machen, wie sie denn ihre Wohnung beleuchten. Er will auch nicht die Beleuchtung in seinem Betrieb so gestalten, dass man sich später zu Hause anders fühlt. Denn die behaupteten Wirkungen haben viel mit der Physiologie des Menschen zu tun, und kollektive Massnahmen, die sich darauf auswirken können, sind Tabu! Aber niemand verbietet es, vorhandenes Wissen sinnvoll anzuwenden.

Ich habe in einem ergonomischen Standard bestimmte Wirkungen des Lichts herausgearbeitet, über die es keine Diskussion gibt. Warum nicht diese umsetzen, so gut es geht? Das ist nur durch einen Trick gelungen, denn bestimmte Standards dürfen keine Empfehlungen enthalten. Aber man kann Dinge erklären, die empfehlenswert sind. 
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Circadiane Rhythmen werden durch den Hell-Dunkel-Wechsel des natürlichen Lichts gesteuert.

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  • Die Sonne suchen. Insbesondere am Vormittag entfaltet das natürliche Licht die größte die größte Wirkung auf die Körperrhythmen.
  • Am Tage das Helle suchen, abends das Dunkle

Licht in den frühen Stunden des Tages entfaltet die größte circadiane Wirkung.

  • Am frühen Vormittag die Räume möglichst hell halten.
  • Pausen am Vormittag möglichst in nicht verglasten Bereichen des Hauses verbringen.
  • Während des Tages die Stärke der Beleuchtung ändern (hell vormittags, dunkler nachmittags

Künstliches Licht in der Nacht kann eine Gesundheitsgefahr sein.-

  • Licht am Abend und in der Nacht möglichst vermeiden. Wenn man Licht braucht, soll es möglichst nicht direkt die Augen treffen.
  • Abends möglichst wärmeres Licht benutzen.
  • Abends Lichtquellen mit möglichst geringer sichtbarer Helligkeit benutzen (abgeschattet oder gedimmt).

Nur natürkiches Licht enthält alle Teile der Strahlung, die viele biologische Wirkungen entfalten.

  • Sich dem natürlichen Licht aussetzen, wenn immer es möglich ist.
  • Pausen oder Arbeitsunterbrechungen in nicht verglasten Bereichen von Gebäuden verbringen.

Circadiane Wirkungen hängen vom Lichtspektrum ab.

  • Je nach Tageszeit unterschiedliche Beleuchtungen benutzen (wahlweise circadiane Wirkungen verstärken bzw.vermeiden). Verstärken durch hellere Beleuchtung, höhere Lichtfarbe (kälteres Licht), Lichteinfall vorzugsweise von oben; vermeiden umgekehrt.  

Licht von Bildschirmen entfaltet circadiane Wirkungen.

  • Am Abend und in der Nacht mit möglichst geringer Helligkeit betreiben. (Nachtmodus bei Bildschirmen und Handys)
  • Am Abend und in der Nacht mit niedrigerer Farbtemperatur betreiben (wärmeres Bild).
  • Bei Bedarf Filter-Apps benutzen (z.B. flux)
  • Bildschirme einsetzen, bei denen man circadiane Wirkungen gezielt ändern kann, ohne die Farben oder die Helligkeit stark zu ändern. 

Circadiane Wirkungen hängen vom Lichtspektrum ab.

  • Je nach Tageszeit unterschiedliche Beleuchtungen benutzen (wahlweise circadiane Wirkungen verstärken bzw.vermeiden). Verstärken durch hellere Beleuchtung, höhere Lichtfarbe (kälteres Licht), Lichteinfall vorzugsweise von oben; vermeiden umgekehrt.  

Circadiane Wirkungen hängen vom Alter ab.

  • Beleuchtung dem Alter anpassen (unterschiedlich nach Kleinkinder, Jugendliche, Erwachsene und Ältere).

Das Lichtniveau während des Tages meist zu gering.

  • Nähe zu Tageslicht suchen (z.B. Arbeitsplatz näher an Fenster rücken, Pausenbereiche mit Tageslicht versehen, Pausen bei Tageslicht verbringen)
  • Bei künstlichem Licht die Richtung ändern (stärker horizontal strahlen)

Der Körper hat ein Gedächtnis für die Beleuchtung.

  • Licht mit circadianer Wirkung je nach Bedarf begrenzen oder erhöhen.
  • Tageslicht vormittags verstärkt benutzen, nachmittags begrenzen.

Die räumliche Verteilung der Lichtquellen spielt bei der circadianen Wirkung eine wichtige Rolle.

  • Wenn tagsüber eine starke circadiane Wirkung erwünscht ist, größere Lichtquellen benutzen.
  • Abends und in der Nacht räumlich kleinere Lichtquellen benutzen (z.B. Tischleuchten, Arbeitsplatzleuchten)

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Die obigen Empfehlungen stammen aus ISO/TR 9241-610 "Ergonomics of human-system interaction - Part 610: Impact of light and lighting on users of interactive systems". Sie sind aus 85 Quellen extrahiert. Wer die Details wissen möchte, muss leider den Standard mit 35 Seiten durcharbeiten. Noch mehr Details gibt es in dem Buch "Genesis 2.0 - Die Schöpfung der elektrischen Sonne". Dort kann man die gesamte Historie von Licht und Gesundheit lesen und verstehen lernen, warum man sich so schwer tut mit dem Licht. Genesis 2.0 ist ein Kindle Buch zum Durcharbeiten, wenn man Lust hat. 

Das richtige Licht zur richtigen Zeit - Zum Dritten!

24.09.2024
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Denkbar überbrachte heute unsere Glückwünsche an Dr. Lichtboss anlässlich der Stellungnahme der CIE zu „Richtiges Licht zur richtigen Zeit“, die die Breaking News beherrscht. Das Event hat Jubiläumscharakter und geht nach 2015 und 2019 in die dritte Runde. CIE beschreibt seit 10 Jahren, was sie denkt, wie den Menschen das richtige Licht zur richtigen Zeit zuteil werden kann. Vor drei Jahren hatten wir berichtet, wie sich 18 Pundits des gesunden Lichtes die Sache vorstellten (link). Jetzt hat die CIE, der Weltverbande der lichttechnischen Gesellschaften reagiert.

Das Interview führte unser Chefblogger Anton von Wegen.

Denkbar

Lichtboss

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Denkbar

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Lichtboss

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Denkbar

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Lichtboss

Herr Dr. Lichtboss, können Sie unseren Lesern kurz erklären, was dieser Tag Ihrem Unternehmen als ältestes Start-up der Lichtbranche bedeutet?

Ja, gerne doch. Aber ich muss mich kurz fassen, weil ich in eine Therapiesitzung muss.

Ach, hat Ihr Unternehmen Märlux jetzt eine Abteilung Lichttherapie? Ich dachte, Sie beschäftigen sich primär mit gesundem Licht.

Tun wir auch. Die Therapie ist eine gewöhnliche Psychotherapie für mich persönlich.

Oh, Persönliches ist nicht Gegenstand dieses Interviews. Unsere Leser interessieren sich in erster Linie für Ihre Produkte, die gesundes Licht für alle bieten.

Darum geht es ja. Deswegen ist meine Therapie nicht nur meine Sache. Alle die glaubten, dass unsere Beleuchtung endlich gesund wird, sind gelinde gesagt, deprimiert.

Denkbar

Interessant … Und ich dachte immer, Ihre Umsätze gehen durch die Decke?

Lichtboss

Das schon, aber durch die Decke der Etage unter uns.

Denkbar

Wie das? Als Sie Märlux gründeten, hieß es doch, man braucht eine völlig neue Lichttechnik, eine die sich am Menschen orientiert.

Lichtboss

Dann glauben Sie an Märchen, die die Branche erfolgreicher verbreitet als die Gebrüder Grimm. Wir wollten anders sein. Wir glaubten an HCL, was da hieß „human centric lighting“. Dabei glaubten wir an human centric design, mit dem die Autoindustrie seit Jahrzehnten erfolgreich arbeitet.

Denkbar

Das Konzept ist doch stimmig. Warum sollte es gerade in der Lichttechnik nicht klappen?

Lichtboss

Weil die anderen keine Märchen erzählten. Ich muss mich korrigieren, weil bei der Autobranche diejenigen, die Märchen erzählten, über Kurz oder Lang pleite waren. So hat sogar der Primus des Weltmarktes ins Gras gebissen. General Motors ging mit 101 Jahren 2009 in die Insolvenz. Kennen Sie so etwas aus der Lichtbranche?

Denkbar

Na, ja! General Electric macht nur noch negative Schlagzeilen. Philips macht kein Licht mehr. AEG ist schon lange vorbei. Und Osram hat Siemens verscherbelt. Licht kommt heute aus Elektronikbuden.

Lichtboss

Was lag da näher, als den Vorstellungen von einer völlig neuen Lichttechnik zu glauben? Nach 80 Jahren Glaube an das Licht zum Sehen stand plötzlich die Erkenntnis, dass Sehen nicht alles ist, was Licht bewirkt. Die CIE hat da 2004 in Wien einen Kongress abgehalten, der uns alle beflügelt hat. …

Denkbar

… vor Allem Märlux.

Lichtboss

Ja, vor Allem wir! Wir wollten das Licht an die Körperrhythmen des Menschen anpassen. Das ist eben das Problem!

Denkbar

Wieso Problem? Ich denke, es ist immer gut, wenn Technik an den Menschen angepasst wird.

Lichtboss

Sagen wir mal, häufig. Im Falle von Licht haben die Gurus um Prof. Brown (hier) viel Licht empfohlen, aber nur tagsüber zwischen 06:00 Uhr und 18:00 Uhr. Abends soll es nur ganz wenig Licht geben, nachts überhaupt keins

Denkbar

Klingt plausibel. Das Licht dem Verlauf der Sonne anpassen … Wo liegt das Problem?

Lichtboss

Problem? Die Menschen machen Licht, wenn sie es brauchen. Und das seit der Eiszeit. Jetzt sollen wir denen erzählen, dass sie unsere Produkte brauchen, wenn sie sie nicht brauchen? Zudem: Es müsste verboten werden, nachts mit dem Computer zu arbeiten. Deren Bildschirme erzeugen 7 mal so viel Licht wie zulässig.

Denkbar

Oh, so habe ich das nicht gesehen. Ich denke, dass die Empfehlung von 18 Spitzenforschenden kam. Wer sollte da besser denken können?

Lichtboss

Stimmt. Die haben nur nicht daran gedacht, dass wir nicht mehr in der Eiszeit leben. Die Lichttechnik hat die 24/7 Arbeitswelt möglich gemacht. Und den Forschenden fällt nichts Besseres ein als, dies für gesundheitsschädlich zu erklären.

Denkbar

Da wird die CIE ein klärendes Wort gesprochen haben. Ich lese: „Die Empfehlung für den Abend, drei Stunden lang nicht mehr als 10 lx melanopisches EDI am Auge zu haben, lässt sich möglicherweise nur schwer mit den individuellen Anforderungen an die Sichtbarkeit bei der Arbeit vereinbaren, insbesondere bei Personen mit eingeschränkten Sehfähigkeiten. Sowohl die Beratung durch Experten als auch die sorgfältige Auswahl der Lichtquellenspektren könnten dazu beitragen, eine integrative Lösung zu finden.“ (Übersetzt mit DeepL.com)

Lichtboss

Meinen Sie, das ist klar? Das einzig Klare ist, dass die Empfehlung der Experten Unsinn ist. Die haben wohl nicht an die Arbeitswelt gedacht. Das nenne ich Expertise. Die Herrschaften wissen wohl nicht, dass die Branche das große Geschäft mit der Beleuchtung von Arbeitsstätten macht.

Denkbar

Etwas seltsam. Leben die Forschenden auf einem anderen Planeten?

Lichtboss

Nö, wenn man so nimmt: „Wie die Teilnehmer des Manchester-II-Workshops [die Quelle der Expertise] feststellten, beziehen sich diese Empfehlungen auf die Bedürfnisse gesunder junger bis mittelalterlicher Erwachsener, aber ihre Anwendbarkeit auf jüngere und ältere Bevölkerungsgruppen sowie auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen ist unbekannt. Fördereinrichtungen sollten Projekten Vorrang einräumen, die Informationen über vielfältigere Stichproben mit unterschiedlichem Alter und Gesundheitszustand liefern. (Übersetzt mit DeepL.com)

Denkbar

Gesunde junge bis mittelalte Menschen … kommt mir bekannt vor. Das war die Basis der Definition von Licht mit der V(λ)-Kurve vor genau 100 Jahren. Die CIE scheint aufgewacht zu sein? Wird nicht gerade das Jahrhundert dieser Kurve gefeiert?

Lichtboss

Ja. Die CIE wird aber den Deubel tun und von ihrer Definition abweichen. Selbst wenn ihr nachgewiesen wurde, dass man das Licht nicht so definieren darf. Das steht extra in dem Standard ISO/TR 9241-610. Allerdings wurde dieser Standard erst in 2022 geschrieben. Die Aussage, dass man Licht nicht so definieren darf, wenn es um physiologische Wirkungen geht, steht seit den 1940er Jahren in den Standards der US-amerikanischen Lichttechnik (IES). Und eine Kommission der IES hat dies ausdrücklich im Jahr 2008 bestätigt. Da die CIE trotzdem bei ihrer Meinung geblieben ist, wurde dasselbe in einem Standard in 2018 wörtlich wiederholt.

Denkbar

Da scheint es paar Probleme mit der Theorie zu geben. Hat es praktische Konsequenzen?

Lichtboss

Vor allem die! Wenn man den Experten folgt und Licht installiert, die am Tage mindestens 250 melanopisch EDI vertikal erzeugt, muss man je nach Berechnung die installierte Leistung mindestens verdreifachen, eher verfünffachen. Dazu sagt die CIE in ihrem Bericht: „Um für die Benutzer und die Baubehörden akzeptabel zu sein, muss die vertikale Beleuchtungsstärke von mindestens 250 lx melanopischer EDI erreicht werden, ohne dass dies zu Unbehagen oder eingeschränkter Sicht führt, und die Lichtexposition muss innerhalb der Grenzen der Energievorschriften liegen.“ Machen Sie das mal! Seit es künstliche Beleuchtung gibt, das ist über 100 Jahre her, plant man immer nach horizontaler Beleuchtungsstärke. Auf einmal 90º umdrehen und verdreifachen?

Denkbar

Müsste doch gehen? Dann verdreifachen Sie Ihren Umsatz pro Arbeitsplatz.

Lichtboss

Von wegen! Vertikale Beleuchtungsstärke bedeutet horizontal fliegendes Licht. Das gibt es nur durch Fenster. Unsere Beleuchtung kommt immer von der Decke, weil Arbeitsstätten so geplant werden. Dort ist die vertikale Beleuchtungsstärke nur ein Rechenkonstrukt. Real existiert die nicht. Und wenn … in einem Arbeitsraum stehen dem horizontal fliegenden Licht Bildschirme, Maschinen, Schallschirme u.v.a.m. im Wege.

Denkbar

Wenn dem so ist, wird es wohl nichts mit der gesunden Beleuchtung, oder wie sehen Sie das?

Lichtboss

Das ist ja der Grund für meine Therapie. Die CIE sieht aber schon einen Ausweg. Der schmeckt uns aber nicht.

Denkbar

Das habe ich wohl überlesen. Können Sie bitte für unsere Leser den entsprechenden Passus zitieren?

Lichtboss

Ungern. Aber wir sind ehrlich. Die Empfehlung, auf die sich die CIE bezieht, lautet „Ein hoher melanopischer EDI (eine sehr hohe Lichtexposition) während des Tages ist förderlich für die Wachsamkeit, den zirkadianen Rhythmus und einen guten Nachtschlaf.“ Die Empfehlung der CIE, die ich sehr ungerne zitiere, besagt: „ Die CIE erkennt an, dass der Aufenthalt im Freien während des Tages mit einer besseren Gesundheit und einem höheren Wohlbefinden in Verbindung gebracht wird und dass die Exposition gegenüber Tageslicht eine wichtige kausale Komponente für diese Effekte darstellt. Die CIE empfiehlt auch, das Tageslicht in Innenräumen nicht unnötig einzuschränken. Mehr Tageslicht in Gebäuden führt in der Regel auch zu einer Verringerung des Energieverbrauchs für die Beleuchtung."

Denkbar

Danke. Jetzt verstehe ich Sie voll und ganz.

Die Pressemitteilung der CIE (oben rechts in voller Länge verlinkt) bedeutet nichts anderes als, dass die Diskussion der letzten 25 Jahre kaum etwas bewirkt hat. Die Lichttechnik war in den 1920ern ausgezogen (Light and Health von Matthew Luckiesh) das Tageslicht vollständig zu ersetzen, und das nicht im Sinne eines einfachen Ersatzes, sondern einer Verbesserung. Kurz danach zog die Klimatechnik aus, um eine völlig künstliche Welt zu schaffen. Die Gebäude sollten nicht mehr nach oben wachsen, sondern nach unten und so an Energie sparen, von Lärm verschont werden.

Damit jeder die Entwicklung nachvollziehen kann, habe ich die Pressemitteilungen der CIE von 2015 und 2019 hier verlinkt.

(CIE 2004) (CIE 2015) (CIE 2019) (CIE 2024)

100 Jahre V(λ)-Kurve

01.04.2024
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In April 1924 wurde die Grundlage der Lichtmessung festgelegt.

Wenn keine Entleuchtung hilft …

30.03.2024
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Die Geschichte der Osram-Luftschutzlampe erinnerte mich an eine Großtat von mir + anderen Protagonisten, die ich leider nicht namentlich anführen darf. Den Grund können Sie ahnen, wenn Sie den Beitrag lesen. Es geht um die Entwicklung einer Beleuchtung, die auf keinen Fall das durfte, was eine Beleuchtung soll - beleuchten. Damit haben wir keine Sehaufgabe gelöst, sondern eine juristische, die einer Lösung einer Sehaufgabe im Wege gestanden hatte.

Für Leute, die alle Latten am Zaun haben, und gut verschraubt, mag die Geschichte skurril klingen. Sie ist es tatsächlich. In der guten alten Zeit, als die lichttechnische Industrie einen guten Draht zum Arbeitsministerium pflegte, geschah es, dass dieses Papiere erließ, die beschrieben, wann ein Arbeitgeber seine Arbeitsstätte den gültigen Normen entsprechend ausgestattet hätte. So ein Papier nennt sich ASR nach wie vor. Früher hieß es Arbeitsstättenrichtlinie, heute nicht mehr, erfüllt aber die gleiche Funktion: Wer die ASR erfüllt, wird vom staatlichen Arbeitsschutz nicht behelligt mit einem Vorwurf, seine Arbeitsstätte würde nicht dem Stand der Technik entsprechen. Die Idee ist so gut, dass sie ein halbes Jahrhundert überlebt hat. Und kein Ende in Sicht.
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Hinsichtlich der Beleuchtung war das Jahrhundertwerk ASR indes nicht so erfolgreich. Schuld daran ist eigentlich niemand. Denn die Vorschrift, die Arbeitsstättenverordnung von 1975, besagte nicht, dass jede Arbeitsstätte eine Beleuchtung haben müsse, sondern lapidar: "§ 7 Beleuchtung (1) Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Liege- und Sanitätsräume müssen eine Sichtverbindung nach außen haben." ??? Dass da eine künstliche Beleuchtung vorgesehen werden muss, stand nicht drin. Aber z.B. wie man Lichtschalter anordnen muss, so sie da sind. Und wie man Beleuchtungseinrichtungen dimensioniert, wenn man sie hat. Ausdrücklich vorgeschrieben wurde eine künstliche Beleuchtung später  "(5) Arbeitsstätten müssen mit Einrichtungen ausgestattet sein, die eine angemessene künstliche Beleuchtung ermöglichen, so dass die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten gewährleistet sind." So steht es heute in der ArbStättV. Im Jahre 2004 las sich das anders: "(1) Die Arbeitsstätten müssen möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und mit Einrichtungen für eine der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten angemessenen künstlichen Beleuchtung ausgestattet sein."

Da es ziemlich unmöglich ist, ohne künstliche Beleuchtung zu arbeiten, hat dann der Arbeitsminister eine ASR 7.3 Künstliche Beleuchtung erarbeitet, die die DIN-Norm DIN 5035-2 "Richtwerte für Arbeitsstätten" teilweise übernommen hat. Die Rolle dieser Norm war es, die Norm DIN 5035-1 "Begriffe und allgemeine Anforderungen" für Arbeitsstätten auszulegen. Diese Zweiteilung macht immer Sinn, weil man nicht immer den Anforderungen entsprechen kann. So enthielt DIN 5035-1 eine Reihe Gütekriterien, von denen eine für Arbeitsstätten eine besondere Bedeutung hatte.

Die Übernahme von Teilen der Norm wurde von der Industrie gefeiert als eine gesetzliche Regelung. Als Homepages für Firmen im Internet in Mode kamen, liefen Banner über den Bildschirm, die von der frohen Kunde berichteten. Dummerweise war nicht jeder Kunde froh über die Nachricht, denn es gibt Arbeitsplätze, die nicht nur keine Beleuchtung brauchen, sondern eine Beleuchtung nicht brauchen können. Hierzu gehören Regieräume in Fernsehstudios. Die sind zuweilen bis zur Decke mit Bildschirmen bestückt und hatten nur eine sog. Putzbeleuchtung, also eine Beleuchtung für Service-Leute, aber nicht für die Benutzer.

Die zuständige wie unglückliche Berufsgenossenschaft musste die Betriebe pflichtgemäß darüber unterrichten, dass sie nunmehr eine Beleuchtung mit einer Nennbeleuchtungsstärke bräuchten, und zwar eine Allgemeinbeleuchtung. Das war ziemlich das Letzte, was die Fernsehanstalten brauchten. Was tun? Vorschrift ist Vorschrift?

Ein findiger Leuchtenentwickler konstruierte ein Gegenstück zu der Osram-Luftschutzlampe, sozusagen die pflichtgerechte Arbeitsschutzlampe. Deren wichtigste Eigenschaft war, auf keinen Fall Licht auszusenden. Sie hatte einen Leuchtenwirkungsgrad von etwa 1 Prozent, d.h. nur 1 % des Lichts der Lampe verließ die Leuchte. Ich schrieb dazu ein Gutachten, wonach dies eine blendfreie Beleuchtung wäre. Und der zuständige Technische Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaft übersah, dass eine Leuchte keine Beleuchtung ist.
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Übrigens, die neuen ASR haben nicht mehr den (vermeintlichen) Fehler der alten. Dort steht immer geschrieben: "Bei Einhaltung dieser Technischen Regel kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit für die Beschäftigten erreichen." Vermeintlich deswegen, weil dieser Passus nach bundesdeutschen Recht immer galt. Musste daher nicht extra gesagt werden, wird aber jetzt immer wieder gesagt. Bis alle verstehen, dass der Gesetzgeber klüger ist als man gemeinhin annimmt.
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