Aufstieg Dank Digitalisierung oder Quantität schlägt Qualität
27.08.2025
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Eine schwitzende Stirn ist nicht das Kriterium für die
Qualität einer neuen Idee
Pavel Kosorin
Das Buch Genesis 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne dokumentiert u.a. einen beispiellosen Aufstieg der elektrischen Sonne seit 1924. Künstliches Licht wurde zwar schon immer gebraucht (s. Epochen der Kunst der Lichtmacher), aber wie kam es, dass seine Bedeutung plötzlich so steil aufstieg? Erfunden wurde die Glühlampe schon mehrere Jahrzehnte früher. Wie ich in dem Kapitel “Erbe der 1920er Jahre“ darstelle, stammt viel Wissen in der heutigen Lichttechnik aus den 1920ern, wobei die Techniken dazu in den Jahrzehnten zuvor entwickelt worden waren. Was Besonderes hat sich 1924 ereignet?
Wie die CIE letztes Jahr feierte, hat sie im Jahre 1924 die sog. V(λ)-Kurve geschaffen. Diese bildet die Empfindlichkeitsfunktion des menschlichen Auges für Licht ab. Damit war zum ersten Mal möglich geworden, Licht zu “wiegen“. Und was man wog, setzte man dem Licht gleich. Man misst die Menge des Lichts, den Lichtstrom, den eine Lampe abgibt, in Lumen. Auf Lateinisch heißt Lumen schlicht Licht. So wurde der Lichtstrom = Licht gesetzt. Quantität wie Qualität.
So weiß man seit 1924, was man bekommt, wenn man 5 Thaler für eine Lampe bezahlt. Sie erzeuge sagen wir Mal 300 Lumen Licht (bitte um Nachsicht wegen der Tautologie). Man weiß auch, wie effizient die Lampe mit Energie umgeht. Ist sie eine alte kleine Glühlampe, macht sie 5 Lumen aus einem Watt, das man hinein steckt. So muss man für die 300 Lumen 60 W Energie in die Lampe stecken. Auch moderne kleine Glühlampen schaffen kaum mehr. Ist sie eine LED der Effizienzklasse A, dann erzeugt sie 210 Lumen daraus. Sie ist also 42 x effizienter als die gute alte Lampe. So muss man für die 300 Lumen nur noch 1,42 W aufwenden.
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Effizienter ist die Lichtquelle – aber in was? Diese Frage beschäftigt viele Leute nicht nur seit 1924. Eindeutig ist die Sache nur, wenn man die Lampe zur Messung des Lichtstroms in die geeignete Einrichtung steckt, in eine Ulbrichtsche Kugel. Dort kann man bei der LED Klasse A an jedem Ort 42-mal mehr Beleuchtung messen als bei der kleinen alten Glühlampe. Mit der LED könnte nur noch eine Natriumdampflampe konkurrieren, die nur 40-mal so viel Licht produziert.
Die letztere Lampe wird allerdings kaum noch jemand kennen. Sie zierte und ziert belgische Autobahnen wie manche deutsche Landstraßen, war aber in keiner Wohnstube zu finden. Als ein Philips-Direktor vorschlug, dass man sie, die Natriumdampflampe, auch in Büros zulassen sollte, drohte mein Doktorvater damit, die erste Installation bei der Sekretärin des besagten Herrn vorzunehmen. Wir Studenten wollten mit ihr den Berliner Straßenstrich beleuchten, um den Freiern die Lust am käuflichen Sex zu vermiesen. Denn der Lampe fehlte an Wichtigem. Ihre Farbwidergabe war unterirdisch. Die Schönen der Nacht würden sich unter ihrem Licht in gruselige Hexen verwandeln.
Womit wir beim Thema Qualität wären. Diesen Begriff hatten die Alten Griechen vor etwa 2500 Jahren geprägt. Er ist vielen immer noch kein Begriff und musste im 20. Jahrhundert von Leuten wie Walter A. Shewhart (1920er/30er Jahre) oder W. Edwards Deming (Mitte des 20. Jahrhunderts) neu “erfunden" werden. Auch wenn diese Herren zu den Pionieren des technischen Fortschritts gehören, war ihr Begriff einseitig. Ihre Qualität ist sogar international genormt (ISO 9000ff). Aber der normale Mensch begreift etwas anderes darunter. Fatalerweise gibt es diese Dualität seit der Antike. Qualität ist die Eignung einer Sache für den vorgesehenen Zweck. Der gesunde Menschenverstand versteht darunter aber einfach “gut“ oder eine hohe Qualität.
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Die Lichttechnik tat sich mit dem Qualitätsverständnis besonders schwer. Lichtqualität kam erst 2021 in das seit 1938 existierende Internationale Wörterbuch der Lichttechnik (hier). Die heutige Präsidentin der CIE ist stolz darauf, dies bewerkstelligt zu haben. Zuvor hatte sich ein Ausschuss der LiTG (heute Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung) vergeblich um die Qualität des Lichts bemüht, was man an der internen Bezeichnung der zuständigen Kommission (Qual-Ausschuss) erkennen kann. Da mir das Ganze hat die Hutschnur hochgehen lassen, habe ich versucht, die Lichtqualität mithilfe eines bekannten Begriffs zu erklären, mit Gebrauchstauglichkeit alias Usability. Das Konzept habe ich hier erklärt.
Dabei benutzte ich als Beispiel für eine praktische Vorgehensweise ein Bild von IESNA, der lichttechnischen Gesellschaft von Nordamerika. IESNA sah damals im Jahr 2000 in diesem Konzept einen neuen Meilenstein in der Geschichte der Beleuchtungstechnik. Ein Jahrzehnt später gab es kein IESNA mehr und das Zukunftskonzept verschwand wieder. Und die Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung, damals noch Deutsche Lichttechnische Gesellschaft,hatte vergessen, dass sie einst ein Qualitätskonzept hatte. Im Jahre 1935 in der Norm DIN 5035.
Nach vielen Jahren des Mühens war dann in Deutschland ein vollständiges Konzept erschienen, dessen Beschreibung immerhin 116 Seiten umfasste (hier). Mich erschütterte insbesondere der Titel: „Lichtqualität – ein Prozess statt einer Kennzahl“. Nicht etwa weil der Titel falsch war, sondern weil er voll zutraf. Die Publikation habe ich ausführlich dokumentiert und kommentiert (hier und da und dort und so weiter fort).
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Warum füllen die Autoren einer Broschüre 114 Seiten, um einen 2500 Jahre alten Begriff zu erklären? Und warum musste ich fast ebenso lange Kommentare dazu schreiben? Das liegt im Begriff selbst – Qualität. Während man Quantität mit einem Zollstock oder mit einer Waage messen kann und in einer einzigen Zahl ausdrückt, muss man bei der Bestimmung der Qualität erst einmal begründen und festlegen, warum man sie woran misst. Beispielsweise gibt es den Hammer seit der Urzeit, aber den Hammer gibt es immer noch nicht. Es gibt aber einen Schlosserhammer, Latthammer, Fäustel, Vorschlaghammer und sogar Schonhammer, der das Gegenteil vom Vorschlaghammer bewirkt, die Einschlagstelle zu zertrümmern.
Ähnlich ist es mit der Lichtqualität. Weiß man, was man mit dem Licht will, gibt es äußerst präzise definiertes Licht. So jagen Laserdioden und Lichtdioden, im Grunde beides dasselbe, unvorstellbare Mengen Daten über 5 Milliarden Kilometer Glasfaserkabel sicher um die Welt. Weiß man hingegen nicht, wofür sich eine Lichtquelle eignet, z.B. Lampen und Leuchten, dann sollte man nicht von Lichtqualität reden, sondern schlicht und einfach das technische Produkt beschreiben, auf dass jemand eine Verwendung dafür findet. So schaffen Lichtplaner, Lichtdesigner oder Angehörige ähnlicher Berufe die Beleuchtungsqualität, die die Anwender brauchen. In den Beschreibungen der Hersteller findet man nüchterne Daten, die ihre Produkte beschreiben.
Dumm nur, dass es in unseren Ausschüssen, die Beleuchtung normen, der letzte Lichtdesigner zuletzt vor vielen Jahren gesichtet worden ist. Auch sonst waren sie in der Minderheit und fanden selten Gehör. Selbst in dem Ausschuss, der die biologischen Wirkungen des Lichts auf den Menschen normt, gibt es seit Jahren keinen Lichtdesigner oder Planer. So bestimmt ein Gremium, das zu 70% aus Herstellern besteht, was an Lichtqualität verordnet wird. Diese wissen, was Quantität ist, und verwechseln dies häufig mit Qualität.
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Der natürliche Partner des Architekten, was das künstliche Licht angeht, wäre der Lichtdesigner. Bei namhaften Projekten ist er das auch. Etwa 95% der Bauprojekte, die ich gekannt habe, wurden aber ohne Beteiligung von Lichtdesignern abgewickelt, was etwa dem Anteil von Leuchten entspricht, der über die Ladentheke beim Elektrogroßhandel geht. Die Planenden waren meist Elektroplaner. Und die Normen zur Beleuchtung werden so geschrieben, dass der möglichst nichts anderes machen kann, als die Hersteller wollen. Bei kleineren Bauprojekten trifft man eher ein Einhorn den einen Lichtdesigner.
Noch ein Seitenhieb auf die Auftraggeber. Man findet sie bei der Aufzählung der Ersteller der Normen nicht. Das war nicht immer so. Beleuchtung wurde einst in den 1930ern als übergeordnete Aufgabe verstanden, bei deren Normung alle betroffenen Kreise mitwirken sollten. Das Prinzip gilt unverändert bis heute. Es wird bei jeder Sitzung eines Normenausschusses geprüft, ob und wie die interessierten Kreise vertreten sind. Wer seine Interessen nicht vertritt, muss sich damit begnügen, was eben die wirklich interessierten Kreise ihm geben.
Ausgezeichnetes Licht - Lichtdesignpreis 2025 vergeben
18.08.2025
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Eine ausgezeichnete Idee, Lichtprojekte auszuzeichnen, wurde auch 2025 fortgesetzt. Die Gewinner des Wettbewerbs DER DEUTSCHE LICHTDESIGN-PREIS 2025 wurden am 3. Juli 2025 in der Osnabrück-Halle bekannt gegeben. Die Videos sind aus Hüthig GmbH/falscherfilm.org. Die Bildquellen sind hier aufgelistet. Weitere Infos hier.
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Lichtverschmutzung den Giftzahn gezogen
18.08.2025
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Die International Dark-Sky Association IDA hat in 2021 folgende Empfehlungen zur Anwendung von Richtlinien bei der Außenbeleuchtung erlassen, die auf fünf Prinzipien aufbauen. Hier sind die fünf Prinzipien im Detail:
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Zweckmäßig:Beleuchtung sollte nur dort eingesetzt werden, wo sie tatsächlich gebraucht wird. Es ist wichtig, den Zweck der Beleuchtung zu hinterfragen und unnötige Beleuchtung zu vermeiden.Zielgerichtet:Licht sollte nur auf den Bereich gerichtet sein, der beleuchtet werden muss. Vermeidung von Streulicht und Blendung ist entscheidend, um Lichtverschmutzung zu reduzieren.Geringe Lichtstärke:Die Beleuchtung sollte nicht heller sein als nötig. Niedrigere Lichtstärken reduzieren den Energieverbrauch und minimieren die Auswirkungen auf die Umwelt.Gesteuert:Beleuchtung sollte nur dann eingeschaltet sein, wenn sie benötigt wird. Der Einsatz von Bewegungsmeldern und Zeitschaltuhren kann dazu beitragen, die Beleuchtungsdauer zu reduzieren.Farbe:Die Verwendung von warmen Lichtfarben (weniger Blauanteil) ist empfehlenswert, da blaues Licht stärker zur Streuung in der Atmosphäre beiträgt und die Sichtbarkeit des Nachthimmels beeinträchtigt.
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Eine nachhaltige Außenbeleuchtung muss alle fünf Prinzipien bei der Planung und Installation berücksichtigen. Nur durch die Beachtung aller fünf Prinzipien kann die Lichtverschmutzung auf ein sinnvolles Maß reduziert werden.
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Wo vorhandene Leuchten ersetzt werden, ist dabei so vorzugehen, dass die Lichtverschmutzung reduziert oder zumindest nicht verstärkt wird.
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Bei der Planung von Neuinstallationen oder Umrüstungen von Beleuchtungsanlagen sind diese einem Bewertungsverfahren zu unterziehen, um zu überprüfen, ob Art und Ausmaß der Beleuchtung notwendig und nachhaltig sind.
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Horizontal und oberhalb der Horizontalen ausgestrahltes Licht kann erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Um eine weitere Aufhellung des Nachthimmels, Blendung, Streulicht und Überbeleuchtung zu vermeiden bzw. zu reduzieren, sind die Lichtemissionen bei der Innen- und Außenbeleuchtung daher so gering wie möglich zu halten und an Untergrenzen auszurichten.
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Um Überbeleuchtungen zu vermeiden, sollten die tatsächlichen Beleuchtungsstärken der jeweiligen Beleuchtungsaufgabe und Umgebung angepasst sein und sich möglichst im unteren Bereich der von anerkannten Fachverbänden (wie IES und CIE) empfohlenen Richtwerte bewegen. Die IDA wird mit den Berufsverbänden zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die empfohlenen Beleuchtungsrichtwerte wissenschaftlich fundiert sind.
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Neue Installationen sollten über automatische Steuerungen verfügen, um die Beleuchtungsstärke bedarfsentsprechend zu verringern oder die Beleuchtung je nach Tages- und Nachtzeit oder Nutzungsfrequenz ganz abzuschalten. Obwohl solche Steuerungen in der Lage sind, die Lichtverschmutzung erheblich zu reduzieren und Energie einzusparen, werden sie derzeit in der Außenbeleuchtung noch zu wenig genutzt. Auch die Richtlinien zur Energieeinsparung verlangen zunehmend nach automatischen Steuerungen.
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Der Spektralgehalt, bzw. die Farbe, des Lichts sollte dem jeweiligen Beleuchtungszweck angepasst sein. Wegen der unverhältnismäßigen Auswirkung von kurzwelligem Licht oder Licht mit hohen Blauanteilen auf die nächtliche Umgebung ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, die Gesamtemissionen in diesem Wellenlängenbereich zu reduzieren (für die Zwecke dieser Beschlussfassung definiert als ein Bereich zwischen 380 nm und 520 nm). Die Umsetzung ist durch ein entsprechendes Bewertungsverfahren zu gewährleisten.
a)
Die IDA empfiehlt, bei der Mehrzahl der Beleuchtungsanlagen Lampen mit einer Farbtemperatur (cct) von 2200 K1 , phosphorkonvertierte (orangefarbene) LEDs bzw. LEDs mit entsprechender Filterung zu verwenden, da diese Farben nachweislich geringere Auswirkungen auf die Umwelt haben.
b)
Wenn eine höhere Farbtemperatur als 2200 K gewählt wird, ist die Gesamtemission von blauen Lichtanteilen in die Umwelt durch niedrige Intensitäten, gezielte Ausrichtung und reduzierte Betriebszeiten so gering wie möglich zu halten.
c)
In der Nähe sensibler Standorte – wie z. B. Naturschutzgebiete, empfindliche Lebensräume von Wildtieren, Naturparks und Sternwarten – empfiehlt die IDA die Verwendung von Beleuchtungsanlagen, deren Licht keine (0%) Blauanteile emittiert und ein schmalbandiges Emissionsspektrum aufweist. d) In besonders sensiblen Naturräumen ist die natürliche Dunkelheit während der Nacht zu bewahren.
Wer sich dafür interessiert, wie der Stand der Wissenschaft - von der Lichtverschmutzung? - heute liegt, kann sich bei der Dark Sky Association informieren. Dort ist der Stand von 2022 dokumentiert (hier). Die Dokumentation erklärt so einiges. Leider kann sie nicht helfen, nachts die Sterne am Berliner Himmel zu sehen. Was auf einer tropischen Insel ohne elektrisches Licht wie ein Haufen Smaragde wirkt, und sich im Wasser spiegelt, besteht über Berlin aus ein paar blassen Punkten.
Licht in der Nacht, auf Englisch Light at Night oder Artificial Light at Night (ALAN), ist von einem lustigen Segen (Lunaparks) zu einer Pest geworden. Wissenschaftler haben mindestens 160 Arten auf Auswirkungen der Lichtexposition untersucht. Sie haben Schäden auf allen Ebenen beobachtet, von einzelnen Pflanzen und Tieren bis hin zu ganzen Beständen. Licht in der Nacht verschiebt das Spektrum des Umgebungslichts weg vom natürlichen Zustand hin zu kürzeren Wellenlängen, auf die viele nachtaktive Arten besonders empfindlich reagieren. Lichtexposition zur falschen Zeit unterbricht verschiedene biologische Aktivitäten bei Pflanzen und Tieren. Diese Aktivitäten hängen von den täglichen und saisonalen Rhythmen der Lichtexposition in der Umwelt ab. Beispiele beinhalten die Nahrungssuche, den Zeitpunkt zu dem bestimmte Tiere erstmals aus ihren Verstecken auftauchen, die Fortpflanzung von Pflanzen und Tieren und Tierwanderungen und -kommunikation. All diese Auswirkungen können das Überleben und die Fortpflanzung von Organismen erschweren – sie können sogar die Entwicklung der Arten beeinflussen.
Gutes Gewissen
31.07.2025
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Heute habe ich beim Aufräumen die Korrespondenz zur Vorbereitung des Projektes "Licht und Gesundheit" wiedergefunden. Dieses sollte nach den Plänen in den 1980ern ein Modellprojekt werden, bei dem wir zehn verschiedene Beleuchtungssysteme installieren und einer Vergleichsuntersuchung unterziehen wollten. Zu diesem Zweck baten wir die Industrie, uns 10 Lichtsysteme zur Verfügung zu stellen.
Nichts Ungewöhnliches an und für sich. Ungewöhnlich war die Reaktion der Industrie. Ich hatte 10 Geschäftsführer bzw. Leute mit vergleichbaren Aufgaben angeschrieben und denen mitgeteilt, dass dies eine Vergleichsuntersuchung sein würde. Und die Wirkungen auf die Gesundheit betreffen. Gewöhnlich bei solchen Vorhaben ist, dass sie entweder nicht stattfinden, weil niemand Nummer 2 sein will. Oder dass die Teilnehmer diverse Bedingungen stellen. Deswegen haben wir immer die Vergleichsobjekte unbemerkt von den Herstellern gekauft. Und zwar alle. Denn manche großzügigen Herrschaften jubeln einem als Testobjekt ein besonders präpariertes Exemplar unter. Das kannte ich aus jahrelanger Mitarbeit für Stiftung Warentest.
Nun zu meinem glücklichen Fund: Meiner Bitte um Testobjekte wurde ohne Aufhebens entsprochen. Und das obwohl ich schon mehrfach Artikel mit negativen Ergebnissen für die Beleuchtung von Büros veröffentlicht hatte. Schlichtes Ergebnis: Alle angesprochenen Unternehmen waren sich sicher, dass ihr Lichtsystem gut abschneiden würde.
Mea culpa – Asche von Gestern über mein Haupt
17.07.2025
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Man lästert gerne über Leute, die wichtige Entwicklungen nicht vorhersehen konnten. So z.B. die historische Leistung, aus der einst nur so glimmenden LED ein Leuchtmittel geschafft zu haben, dessen Größe von mikroskopischen Elementen zwischen Badfliesen bis ein fast kilometerlanges Display reicht, das eine Straße überdacht (kein Scherz - hier oder vor allem da). Kein Leuchtmittel der Vergangenheit war zudem effizienter.
Mir ist das Lästern über andere Leute zu mühsam, da ich sichergehen muss, dass sie sich wirklich geirrt haben. Da ist es einfacher, sich an die eigene Nase zu fassen. Mir fällt da gerade eine Anfrage der Zeitschrift Form ein, die im Jahr 2000 von mir wissen wollte, welche neuen Entwicklungen in der Lichttechnik eine große Zukunft hätten.
So schrieb ich einen Artikel über zwei Neuigkeiten aus dem vorhergehenden Jahrzehnt. Die eine war die Schwefellampe, die ein volles Tageslichtspektrum versprach. Die andere war ein Schlauch, der das Licht von einem Ort zum anderen leiten konnte. Hätten die Schildaer den Schlauch besessen, hätte man ihr Rathaus nicht mit Säcken voll Licht beliefern müssen.
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Die Schwefellampe, besser gesagt Schwefelkugellampe, würde die große Schwachstelle der Leuchtstofflampe beseitigen, das Spektrum. Zwar schaffte auch die Leuchtstofflampe u.U. ein recht volles Spektrum, sie brauchte dazu rund 60% mehr Energie per Lux als ihre Schwestern mit einem mageren Spektrum. Deren schlechte Farbwiedergabe wurde nur durch die Bemühungen des Marketings erträglich erklärt: Damit die Farbwiedergabe nicht drittklassig schien, erfand man eine Farbwiedergabe der Stufe 2b. Die Schwefel-Lampe würde diese Krücke nicht brauchen.
Dann war da noch was. Das Leuchtmittel war eine Kugel ohne Elektroden. Also kein Elektrodenverschleiss, die die Lampe frühzeitig sterben lässt, wenn man sie zu häufig schaltet. Da musste man den verdutzten Benutzern nicht erklären, dass sie ihr Licht auch dann nicht ausschalten sollen, wenn sie es nicht brauchen. Die Lampen waren zudem gut dimmbar und änderten dabei ihr Spektrum überhaupt nicht. Wer hingegen eine Glühlampe dimmt, erhält einen wärmenden Ofen. Bei der Leuchtstofflampe bleibt man eventuell durch das Flimmern wach.
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Nun zu dem Schlauch, einem Lichtleiter. Er ließ mich seinen Vorgänger aus den 1970ern vergessen, der die Welt der Architektur in Aufruhr versetzt hatte. Mit Lichtleitern würde man die Sonne in unterirdische Städte leiten. Adieu Energiekrise, unterirdische Städte brauchen keine Heizung. Kein Regenschirm, kein Schlamm, kein Schneefall. Rundherum glücklich.
Im Institut für Lichttechnik der TU Berlin wurde in den 1990ern eine Anlage installiert, die die Sonne vom Dach in den Keller durch vier Etagen leitete. Da man in Häusern Licht auch braucht, wenn die Sonne woanders weilt, konnte der Lichtleiter umgeschaltet werden auf eine künstliche Quelle.
Die hätte ich mir angucken sollen. Dann hätte ich den besagten Artikel nie geschrieben. Denn ihre Leistung betrug ganze 2 kW. Warum aber gerade 2 kW? Wer hat sie festgelegt? Kann man sie nicht ändern, wo man in der Technik alles Mögliche nahezu beliebig ändern kann? Diese lässt sich leider nicht ändern, sie beruht auf einer Naturkonstanten.
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Um die Frage zu verstehen, muss man wieder zurück in die 1970er. Der Protagonist der damaligen Idee vom Lichtschlauch, ein russischer Professor, erzählt an der Uni vor staunendem Publikum von dem neuen Wunder. Am Ende großer Applaus! Nur mein Doktorvater hat eine Frage, eine schön dumme. Er fragt den Professor, ob er gerechnet hätte, wieviel Tageslicht in die unterirdische Stadt müsste. Dieser fragt verdutzt zurück, was die Rechnerei sein soll. Genau da kamen die ominösen 2 kW ins Spiel. Man kann Sonnenlicht nur mit Spiegeln einfangen. Und diese können pro Quadratmeter Fläche senkrecht zur Sonne maximal nur etwa 1 kW Leistung einfangen. Wenn die denn zu scheinen beliebt.
Ergo muss der Spiegel groß sein und ständig nach der Sonne gedreht werden. So ein Ding heißt Heliostat und funktioniert leider nur, wenn Helios ohne Wolken scheint. Soll es in der unterirdischen Stadt sonnig hell sein, muss der Spiegel vergleichbar groß wie die Fläche der Stadt sein. Ansonsten kann man mit vernünftig großen Spiegeln halt nur 2 kW einfangen. Den sachlichen Hintergrund kann man hier ausfühlicher lesen. Den hatte ein Österreicher, der sich als den Gottvater des Lichts feiern lässt, auch nicht verstanden. Er wollte den Tiroler Ort Rattenberg, der im Schatten des Bergs gebaut war, mit Spiegeln auf dem gegenüberliegenden Hügel mit Tageslicht beleuchten. Aus dem Nachbarort Kramsach sollten 30 gewaltige Spiegel, Heliostaten in der Fachsprache, aufgestellt werden. Da deren Licht womöglich über Rattenberg hinweg fliegen würde, statt das Örtchen zu beleuchten, sollte auf den Ausläufern des Schlossberges eine zweite Spiegelwand aufgestellt werden. Damit sollten die Bewohner von Rattenberg von ihrer Winterdepression befreit werden. (mehr hier oder da oder dort). Von Schattendorf zu Sonnenau - im Märchen geht es anders. Man baut das Dorf einfach auf der Sonnenseite auf.
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Die Sache in den 1970ern war mit dem Diskussionsbeitrag meines Doktorvaters gegessen. Sie kam wieder, als die EU das Tageslicht zum Energiesparen entdeckte und massenweise mit Geld warf. So kam es zu der Installation an der TU. Als ich mich auch an einem solchen Tageslichtprojekt beteiligen wollte, sagte ein erfahrener Kollege aus der TU Berlin lapidar „Bevor du was glaubst, prüfe nach, ob die rechnen können.“ Dem Rat folgte ich. Und siehe, einer meiner beiden Partner, ein Architekt, konnte bestens rechnen, der andere, ein Physiker, überhaupt nicht. In der Theorie ist es andersherum.
Wir rechneten den Beitrag des Tageslichts zum Energieeinsparen wunderbar schön. Doch ein Fachmann aus dem Facility Management eines großen Konzerns rechnete uns auf ein Zehntelcent pro kW, dass sich Tageslicht nicht rechnet, wenn man nur an Lux denkt. Es hat andere Meriten. Nicht weniger enttäuschend las sich ein Angebot einer renommierten Lichtfirma an einen Konzern, das die Einsparung von Energie mithilfe des Tageslicht vorrechnete. Die Investition würde sich lohnen. Allerdings in 42 Jahren.
Und der Lichtschlauch? Wie intelligent ist es, einen Schlauch mit ca. 30 cm Durchmesser durch ein Gebäude zu ziehen, um eine Leistung von 2 kW zu transportieren? Das entspricht ca. 8 Ampere, die man notfalls über einen Klingeldraht übertragen kann. Dieser überträgt den Strom 24 h, während der Schlauch mindestens die Hälfte des Jahres leer bleibt.
Leider sieht die Bilanz des Nutzens der Schwefellampe auch nicht besser aus. Erfunden wurde die Schwefelkugellampe 1990 von Wissenschaftlern, die für Fusion Systems Corporation in Rockville, Maryland, arbeiteten. Eigentlich durch einen Unfall. Ein Mitarbeiter hatte eine Glaskugel mit Schwefelfüllung in die Mikrowelle gelegt, die dort schön strahlte. Die Erfindung weckte so große Hoffnungen, dass man gleich ein Unternehmen gründete (Fusion Lighting).
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Dumm nur, dass man die Schwefellampe nicht in kleinen Einheiten bauen kann. Deswegen hatte Fusion Lighting 1997 ein System entwickelt, das das reichlich vorhandene Licht über lange Strecken verteilte. Das war ein Lichtleitertunnel (Lightpipe) aus reflektierendem Polykarbonat von 3M, von mir respektlos Lichtschlauch genannt. Mich tröstet es, dass ein Prototyp im Smithsonian-Nationalmuseum in Washington neben der Glühbirne von Thomas Edison ausgestellt wurde. So groß war mein Irrtum wieder nicht.
Die ersten „Lampen“ waren 80 m bzw. 31 m lang. Sie sparten Unmengen Energie. Übrigens, Lichtschläuche, die Licht über große Entfernungen leiten, gibt es. Es wird geschätzt, dass die ausgerollte Länge der Glasfaserkabel weltweit mehr als 5 Milliarden Kilometer überschritten hat. Dies entspricht in etwa dem 57-fachen der Entfernung von der Erde zum Mars oder der ungefähren Entfernung zum Planeten Pluto am Rande des Sonnensystems. Beleuchten tun die Kabel allerdings nichts. Sie leiten Information weiter.
Im Jahr 2000 verschwanden die Internetseiten von Fusion Lighting. Es wurde bekannt, dass die Lichttunnel nicht den Erwartungen entsprachen, da sie vergilbten. Dann wurde es still um das Wunder. Wenn sie nicht vergilbt wären? Hat jemand berechnet, mit welchen Kosten man einen dicken Schlauch, der sich durch alle Räume zieht, staubfrei hält?
(Näheres hier und da, aber leider sonst nirgendwo) Ich vermute, nicht allzu viele Leute wollten 80 m Licht an- oder ausschalten. Jedenfalls nicht gleich auf einmal.