Leuchte des Jahres leuchtet zu sehr

 

Irgendwie scheinen Preisträger meinen Argwohn zu schüren. Von Tausenden gleicher Produkte fällt mir häufig eines negativ auf - leider der Preisträger. Dabei wollten die Preisverleiher, dass das Produkt auffällt, aber sehr positiv. Warum diese Abneigung gegen die Preisträger? Eigentlich stimmt meine Aussage nur für manchen Preisträger, die meisten nehme ich so zur Kenntnis. Aber manche eben nicht.

Ich denke, meine Abneigung hängt mit einem bestimmten Preisträger zusammen, einem Gebäude, das einen Architekturpreis gewonnen hatte. Dem glücklichen Bauherrn waren aber diverse Unstimmigkeiten zwischen Auftrag und Ausführung aufgefallen. So bekamen wir den Auftrag, das fast fertige Gebäude anhand von Arbeitsschutzvorschriften zu begutachten. Eine ziemliche Katastrophe! Der preisgekrönte Architekt hatte nicht einmal so eindeutige Hygienevorschriften wie "keine Tapete hinter`m Pissoir" beachtet. Eigentlich ist eine solche Vorschrift überflüssig wie alle Vorschriften, außer dass die Nutzer eine Todsünde begehen. Beim Pissoir heißt die Todsünde: den Strahl schlecht lenken.

Natürlich wird man einen Preisträger nicht hängen, weil er die Herrentoilette tapeziert hat, obwohl die gekachelt gehört. Da war noch etwas. Ja - die Raumhöhe stimmte nicht. Sie musste laut Arbeitsstättenverordnung von damals 2,50 m betragen, betrug aber nur 2,47 m, weil der Preisträger bei der Festlegung der Raumhöhen den Estrich vergessen hatte. Soll vorkommen - aber nicht so häufig. Auch das hätte ein Gewerbeaufsichtbeamter mit einem Gummibandmaß vielleicht noch durchgehen lassen. Aber nicht, dass die Möblierung nicht wie im Auftrag festgehalten erfolgen konnte. Der Preisträger hatte den Auftrag, 2200 Arbeitsplätze in Doppelzimmern zu bauen. Man konnte aber nur 1100 davon einrichten. Aber Einzelzimmer wollten weder der Bauherr noch die Belegschaft haben. Was tun? Der Bauherr reduzierte den Preis, den der Preisträger vereinbart hatte, um die Hälfte. Dieser war danach unmittelbar pleite. Und versuchte, sich umzubringen.

Irgendwie hängt meine Abneigung gegen Preisträger mit diesem lange zurück liegenden Ereignis zusammen. Jahre danach verlieh man einem anderen, sehr bekannten Architekten einen Designpreis für ein Arbeitsmöbel. Die Fachpresse lobte das Objekt über den grünen Klee. Sogar ein wissenschaftliches Institut fand lobende Worte in Fülle. So baute ein bekannter Büromöbler das Objekt in Serie - in sehr kleiner, freilich, weil sich die Kunden das Wunderwerk anguckten, aber nie kauften. Dabei kenne ich von dem Architekten jede Menge gelungene Werke. Warum musste er etwas entwerfen, was niemand haben will, während das rechts abgebildete Objekt seit über 60 Jahren der Menschen Seele erfreut?

Das alles flog durch meinen Kopf, als ich die Laudatio über das jüngste Wunderwerk der Lichttechnik las. Die Leuchte des Jahres. In den Begleitfotos leuchtet die aber nicht. Ich hingegen durfte sie beim Leuchten betrachten. Macht so 2.500 lx auf dem Tisch. Da sie nicht blenden darf, bringt sie die 2.500 lx an der hinteren Tischkante. O.K., da kann sie keinen Schaden anrichten. Aber zweckmäßig kann man es nicht nennen, wenn das Licht vornehmlich dort landet, wo nichts oder nicht Bedeutendes zu sehen ist (weitere Ausführungen hier). Die in dem zitierten Beitrag abgebildete Leuchte macht es ähnlich, ist aber nach meinem Geschmack viel eleganter. Zudem: Meine Vergleichsleuchte hängt am Tisch und ändert ihre Höhe mit diesem. Da bleiben die Lichtverhältnisse etwa gleich. Hingegen produziert die Leuchte des Jahres so um 3.800 lx, wenn man den Tisch im Stehen benutzen will. Und das wollen sehr viele. Müssen sogar, weil ihnen sonst der Rücken weh tut. Aber ständig Sonnenschein will keiner.

Hand auf`s Herz: Wer braucht 3.800 lx beim Arbeiten mit einem Laptop? Wer gar mit einem Tablett arbeiten will oder muss, kann die Arbeit vergessen. Das Gerät reflektiert die LED derart, dass man an der Decke die Elemente der Leuchte nachzählen kann.

Frage an die Jury: Warum ist gerade dieses Objekt die Leuchte des Jahres?

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