Das Kreuz mit der Gleichmäßigkeit?

 

Eigentlich muss man beim Begriff Gleichmäßigkeit nicht allzu viele Worte verlieren, wenn einer sie verstehen soll, der keine Ahnung davon hat. Gleichmäßig ist eben gleichmäßig. Und niemand wird behaupten, das Bild hier sei gleichmäßig beleuchtet. Man wird schon verstehen, warum es in diesem Fall nicht gleichmäßiger geworden ist. Man müsste die Strahler auf die andere Seite hängen. Dann würden die Dinger aber blenden.

Wann ist bei einer ordentlichen Beleuchtung "gleichmäßig"? Das Maß dafür ist nicht überraschenderweise die Gleichmäßigkeit. Und die ist in EN 12665 so definiert: Die Gleichmäßigkeit U0 ist der Quotient Ēmin/Ē aus der minimalen und der mittleren Beleuchtungsstärke im Bereich der Sehaufgabe. Wenn unsere Sehaufgabe das Bild ist, darf die minimale Beleuchtungsstärke darauf nicht sehr weit von der mittleren liegen. Wie weit, das legt die Beleuchtungsnorm fest. Für die meisten Arbeitsbereiche beträgt U0 = 0,6, weil man das halt nicht besser hinkriegt.

Wie groß muss die Gleichmäßigkeit aber "für die visuelle Kommunikation und Erkennung von Objekten" sein? Ich traue mich nicht zu schreiben: Uo≥ 0,10! Das sieht dann etwa so aus wie links. Wie man sieht, erkennt man alles. Fast … (hier lesen Sie, warum man sich von dem Begriff verabschieden sollte.)

Wozu macht man überhaupt solche Vorgaben? Die gibt es übrigens nicht nur in der Lichttechnik. Man kann sie bei vielen Techniken finden, deren Normen nicht etwa dazu dienen sollen, einen idealen Zustand festzuschreiben, sondern so gefasst sind, dass der jeweilige Hersteller nicht gefasst werden kann. Z.B. in der Klimatechnik. Dort wünscht sich jeder einen zugfreien Raum. Was zugfrei ist, bestimmt eine Norm der Hersteller. In der stand vor Jahrzehnten, die maximale Luftgeschwindigkeit soll 0,10 m/s nicht überschreiten. Als wir feststellten, dass dieser Wert zu hoch gegriffen ist, änderte man den Wert. Der beträgt seitdem 0,15 m/s. 50% mehr als unerträglich.

Damit fahren die deutschen Menschen allerdings noch sehr gut. Denn als ich in eine internationale Norm die 0,10 m/s festschreiben wollte, kam aus den USA dieser Einspruch: "Dieser Wert ist sehr niedrig. Menschen finden auch 1 m/s angenehm. Allerdings gilt bei uns 0,5 m/s, um zu verhindern, dass das Papier von den Tischen fliegt." Ich nehme an, dass mit dem papierlosen Büro auch der schnellere Luftzug in Büros Einzug gehalten hat.

Um solche Dinge zu verhindern, versucht man bei der Normung die Gremien so zusammenzustellen, dass sie die interessierten Kreise möglichst gut abbilden. Wenn allerdings bestimmte Kreise kein Interesse zeigen, kann man eben nichts machen. Wer seine Interessen nicht vertritt, muss zusehen, was die anderen mit seinen Interessen machen. Beim Klima im Büro sagt uns der Wirtschaftsverband, was Sache ist. Bei Licht gehören 67% zur "Wirtschaft".

One Comment

  1. Antworten
    lichtversifftermensch 15. Mai 2021

    Klasse. Ein selten guter Artikel den du veröffentlicht hast.
    Es ist schwierig zu diesem Thema im Internet was zu recherchieren.Wieder was
    dazu gelernt!

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