Horizontal, vertikal, ..eißegal!
Grundgröße oder Irreführung? Diese Überschrift trug ein Artikel zur Beleuchtungsstärke (hier). Dessen Inhalt will ich hier nicht wiederholen, obwohl es angesichts der Irrtümer – auch unter Experten – angeraten wäre. Heute geht es um eine besondere Beleuchtungsstärke, um die Vertikalbeleuchtungsstärke. (Vorsicht: Es ist nicht die vertikale Beleuchtungsstärke, wie mancher Autor so von sich gibt. Vertikal ist nur die Ebene, in der man sie misst. Das Licht fliegt horizontal. Auch wenn sogar der Arbeitsminister anders schreibt.) Jetzt darf das Licht nicht mehr horizontal fliegen, sondern vertikal.
Die Grundgröße, die man in der Lichttechnik benutzt, ist die Lichtstärke. Diese ist ein Vektor, d.h. sie hat einen Betrag und eine Richtung. Dort wo die Lichtstärke auftrifft, entsteht die Beleuchtungsstärke. Dummerweise – oder wie beabsichtigt – hat die Beleuchtungsstärke keine Richtung. Just das irritiert alle. So auch die führenden Chronobiologen der Welt. Die haben nämlich jüngst die Vertikalbeleuchtungsstärke zu ihrer heilbringenden Größe des Lichteinfalls gemacht. Nicht zufällig. Auch nicht fälschlicherweise. Die sog. „melanopische“ Wirkung entsteht nunmal durch das Licht, das ins Auge eindringt.
Die übliche Beleuchtung von oben nach unten, richtet da keinen Nutzen an. Die nennt sich Horizontalbeleuchtungsstärke und wird eben in einer horizontal gedachten Ebene gemessen. Davon gibt es nur eine im Raum, weil unsere Räume Quader sind – Decke horizontal, Boden horizontal, Arbeitsebene auch horizontal. Das Licht fliegt am Auge vorbei. Und fällt zum größten Teil auf den Fußboden. Und richtet dort nichts an. Denn Fußböden sind relativ dunkel und meist einfarbig.
Will man in einem Raum eine Vertikalbeleuchtungsstärke erzeugen, muss man Leuchten an der (Gegen)Wand in Augenhöhe anbringen. So wie bei Autos, deren Scheinwerfer den Gegenverkehr anstrahlen. Man kann naturgemäß auch Fenster an der Gegenwand anbringen, auf die einer guckt. Das ist aber auf Dauer nicht viel angenehmer als in Autoscheinwerfer zu gucken. Deswegen sollen bzw. dürfen Menschen nicht mit dem Gesicht zum Fenster sitzen, auch wenn sie das Tageslicht anhimmeln.
Da das Anbringen der Beleuchtung an der Wand wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss ist, hängen praktisch bei allen Gebäuden mit Arbeitsplätzen die Leuchten an der Decke. Da das Licht aber seit dem Big Bang geradeaus fliegt, kann man so keine Vertikalbeleuchtungsstärke erzeugen. Die wird berechnet wie in der Physik im Kräftediagramm.
Ob die so berechnete Größe ein Maß für irgendwas ist, sei dahingestellt. Denn Beleuchtungsstärken werden mit dem Cosinus des Einfallswinkels berechnet. Ob sich das Auge an den Cosinus hält, weiß man nicht so genau. Das ist aber nicht das wichtigere Problem. Dieses besteht darin, dass zwar eine Beleuchtungsstärke keine Richtung hat, aber in einer Richtung gemessen wird. Wirklich dumm. Denn die ASR A3.4 schreibt vor „Die mittlere vertikale Beleuchtungsstärke muss der Seh- und Arbeitsaufgabe angemessen sein.“ Und ASR sind nicht irgendwelche Papierchen, sondern „Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder.“ Sagt der Arbeitsminister.
Was tun? Misst man Nu die Vertikalbeleuchtungsstärke an einer Stelle in allen Richtungen und mittelt sie dann? Oder misst man die Werte immer in einer Richtung an verschiedenen Stellen und nimmt den Mittelwert davon? Wer Zeit hat, kann an allen Stellen des Raums und in allen Richtungen messen. Irgendwie muss man danach noch Zeit finden, alles zu mitteln. Das nennt man klare Vorschriften.
Wir sind aber lange noch nicht am Ende. Denn was wir da gemittelt haben, hat mit der Vertikalbeleuchtungsstärke, die die Chronobiologen uns verschrieben haben, nichts zu tun, auch wenn der Name gleich ist. Deren Vertikalbeleuchtungsstärke läuft der der Vorschrift entgegen. Denn seit etwa 17.000 Jahren – so alt ist die älteste gefundene Öllampe – erzeugt man Beleuchtungsstärke, um Dinge zu sehen. Das was die Chronobiologie verschreibt, ist was ins Auge geht. Man muss alles nur umgekehrt sehen. Also gehen die Lichtstrahlen seit 17.000 Jahren von einer Lampe aus, treffen z.B. eine Blume und wir sehen die Blume. Jetzt ist das nicht mehr so wichtig. Man hält die Lampe auf das Auge zu und wird gesund.
Damit man nicht durcheinander kommt, heißt die eine Beleuchtungsstärke Ev wie vertikal, während die andere so geschrieben wird, wie niemand es nachmachen kann, z.B. so: Die Vertikalbeleuchtungsstärke von 128 lx berechnet für den CIE Illuminanten D65, melanopisch und auf einen 32-jährigen Mann bezogen. Wenn der gute Mann 65 wäre, würde hier eine viel kleinere Zahl stehen. Für Jüngere (unter 25) gibt es leider keine melanopische Lux. Man kann sie nicht berechnen. Kindern bleibt die Erleuchtung ganz erspart. Rechts steht die Formel für die Berechnung.
Und wenn einer seinen Stuhl um 90º dreht, ist die gesamte biologische Wirkung der Beleuchtung womöglich futsch. Denn in der neuen Richtung gibt es wahrscheinlich eine andere oder gar keine Vertikalbeleuchtungsstärke. Wie gesagt, für Menschen unter 25 Jahren gibt es eh keine melanopische Vertikalbeleuchtungsstärke in keiner Himmelsrichtung. Dafür dürfen demnächst alle Menschen im Büro in der gleichen Richtung sitzen, damit sie die höchste Heilwirkung der Bürobeleuchtung abbekommen. (Bitte niemandem verraten, dass dies aus physikalischen Gründen Richtung Fenster ist. So darf aber niemand gemäß DIN 5034 sitzen. Die Norm muss ganz schön ungesund sein.)
[…] Da die melanopische Beleuchtungsstärke aber von der Vertikalbeleuchtungsstärke abhängen soll (hier), hat man da gewisse Probleme. Deswegen schreiben manche gleich Evis. Aber halten wir uns nicht mit […]