13.01.2025
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Schon wieder eine Errungenschaft der Lichttechnik sang- und klanglos weg. Die Beleuchtung habe keinen EInfluss auf das Unfallgeschehen, so lautet die Begründung für die Abschaltung der Autobahnbeleuchtung in Berlin, die gestern im Berliner Tagesspiegel erschienen ist. Heute wurde das Verdikt zwar etwas relativiert, aber es wird bestehen bleiben.
Wie man sich so sicher sein kann? Weil es schon einmal so gekommen war. Lang, lang ist es her. Die "älteste" Autobahn, der Welt, die AVUS, hatte eine schlaue Firma beleuchten lassen, obwohl in Deutschland Autobahnen i.d.R. nicht beleuchtet werden dürfen. Die Entscheidung gegen eine flächendeckende Autobahnbeleuchtung in Deutschland basiert auf einer Abwägung von Sicherheitsaspekten, Kosten, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit. Studien haben gezeigt, dass die Vorteile einer solchen Beleuchtung die Nachteile in den meisten Fällen nicht aufwiegen.
Wie hat man es dennoch geschafft, die AVUS zu beleuchten? Das verdankte man einem Geschäftsgeheimnis der Firma Siemens. Sie ist einst in Berlin gegründet worden. Obwohl sie später fast komplett gen Bayern gezogen ist, blieb sie in Berlin eng vernetzt. So hatte sie enge Beziehungen zum städtischen Elektrizitätsversorger BEWAG und zu den Verkehrsplanern. Deswegen ist Berlin übermäßig mit Verkehrsampeln gesegnet, die früher ausschließlich von dieser Firma installiert und vor allem, betreut wurden. Das ist so etwas wie ein Rentengeschäft. Oder Treuedividende. Zwar stimmt es nicht ganz, weil Siemens Berlin untreu geworden ist. Aber was soll*s!
Vieles was in Westdeutschland nicht üblich oder gar zulässig war, wurde in Berlin "erprobt". Das hieß etwa so, dass die Stadt beim Bund eine Subvention beantragte, um eine technische Errungenschaft zu erproben. So steht in Berlin seit September 1970 eine ziemlich unnütze Spurensignalanlage auf der Heerstraße. Die war nach der StVO nicht zulässig. Aber erproben wird man doch dürfen? Danach sollte das Gesetz entsprechend geändert werden, damit die Berliner zu den Spielen von Hertha BSC in vier Spuren hinfahren konnten. Nach dem Spiel wollte man die vier Spuren umschalten, damit alle möglichste schnell wieder zu Hause sind.
Probehalber beschloss der Senat, die Heerstraße, auf der die Straßenbahn gerade abgeschafft worden war, zur Schnellstraße zu deklarieren. Das nahmen die Berliner derart ernst, dass sie sofort nach dem System G + 20 (zulässige Höchstgeschwindigkeit + 20 km/h) fuhren. Die etwas flotteren kamen auf etwa 100 km/h in der Stadt. Nach vielen Toten wurde die Schnellstraße schnell begraben. Aber die Spurensignalanlage steht noch 55 Jahre danach und wird ständig gewartet.
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Wie sinnvoll das Ganze gewesen ist, kann man daran ermessen, was später daraus geworden ist. Zum einen macht es keinen Sinn, in vier Spuren schnell zum Stadion zu düsen, wenn man dort keine Parkplätze findet. Aber die ließen sich doch bauen? Nicht nötig, denn direkt an diesem Stadion betreibt die Stadt einen S-Bahnhof, an dem bis 8 Züge gleichzeitig gefüllt werden können und mit einer Minute Abstand abfahren. Da jeder Zug ohne Quetschen 480 Fahrgäste befördern kann, besteigen also 3840 Berliner gleichzeitig die Bahn und fahren in 8 Minuten ab. Wenn diese in Autos abfahren, macht es 1920 PKW bei zwei Personen je Auto oder 768 bei maximaler Beladung mit 5 Personen. Die 74.475 Gäste eines ausverkauften Stadions bräuchten nach dieser Berechnung 14895 bis 37237.5 Autos um nach Hause zu kommen.
Die intelligentere Lösung hatten unsere Vorfahren 1936 realisiert. Zudem kann man auf der anderen Seite praktisch vor dem Stadiontor in die U-Bahn. Ach, ja. Acht Busspuren sind auch noch da. Aber wer wird doch auf solchen Kram reflektieren?
So ähnlich war die Beleuchtung der Autobahn entstanden. Erprobt wurde, ob ein gewisser Prof. de Boer aus Belgien recht hatte. Nach seinen Plänen sind die Autobahnen von Belgien taghell aber mit gelbem Licht beleuchtet. Der Herr war ein Philips Direktor, und Philips in Sachen Licht ein anderes Pol aus dem Oligopol. Von diesem stammt auch die magische Zahl zur Helligkeit der Autobahnbeleuchtung aus etwa 1968. Sie muss 2 cd/m2 betragen. Diese Zahl wurde seinerzeit mit einem Bus voll Lichttechnikern erprobt, die nachts die Straßenbeleuchtung beurteilten. Bei exakt 2 cd/m2 waren die der Meinung, dass die Helligkeit optimal wäre. Dass man im Bus fahrend die Fahrbahn nicht sehen kann. Und vor allem nicht geblendet werden kann? Geschenkt.
Zur Ehrenrettung des Professors muss ich allerdings sagen, dass sein Wert für Stadtstraßen recht gut zutraf. Allerdings gab es damals nur wenig Reklame. Wer heute Hauptstraßen entlang fährt, braucht die Fahrzeugbeleuchtung nur um bemerkt zu werden. Was der Herr nie bedacht hat, war die Lichtverschmutzung. Als Philips-Direktor dachte er nur an das Gute im Licht. Wildgänse, die über Belgien fliegen wollten, sollten sich halt andere Wege suchen. Deutschland ist etwaa größer. Deswegen hätten die Nachtvögel größere Schwierigkeiten, Deutschland zu umfliegen.
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Ungeachtet der noch kommenden Probleme der Nachtgänse schaffte es Siemens, dass die AVUS probeweise beleuchtet wurde. Das war, falls ich mich nicht irre, im Jahr 1966. Seitdem standen sich 278 Lichtmasten zusätzlich zu den 9 Millionen auf den restlichen deutschen Straßen sich den Mastfuß in den Bauch. Ein schlappes Vierteljahrhundert später im August 1992, es gab mittlerweile die bösen Grünen, die bei Licht an Umweltverschmutzung dachten, sollte die Beleuchtung auf deren Antrag hin nicht nur abgeschaltet, sondern auch verschrottet werden.
Doch der Bausenator der Zeit, Wolfgang Nagel, wollte nicht. Die seit 1966 installierte Beleuchtung diene der Erhöhung der Verkehrssicherheit und führte durch eine Unfallreduzierung zu volkswirtschaftlichen Einsparungen an Schadens- und Schadensfolgekosten, argumentierte Nagel. Den Demontagekosten von zwei Millionen Mark stehen Nagel zufolge 70.000 Mark Energiekosten 1991 gegenüber. Insgesamt verbrauchten die 408 Lampen im vergangenen Jahr 250.945,9 Kilowattstunden. Damit würde sich der Abbau der Lichtanlagen — gemessen an der Energieeinsparung — erst nach 26,7 Jahren amortisieren. (schräger Text geklaut bei taz).
Die Abschaltung kam dennoch. Das schaffte ein Bausenator Jürgen Klemann (CDU) nach 1997. Er ließ auch das Licht auf den Straßen dämmen bzw. dimmen. Immerhin 180.000 dieser Dinger sollen damals in Berlin gestanden haben. Klemans Vorbild war die Avus, wo seit März 1997 die Beleuchtung ganz abgeschaltet war. Dennoch hatte es dort nicht mehr Unfälle gegeben.
Politikern aller Denkrichtungen ist gemein, dass sie lügen - sagt der Volkmund. Herrn Klemann der Lüge zu überführen, hat es wohl keiner geschafft. Denn die AVUS ist bis heute dunkel geblieben. Kaum ein Anlass wäre geeigneter gewesen, um die erhöhte Sicherheit der Autobahnen durch eine gute Beleuchtung hieb- und stichfest nachzuweisen. Man hat es unterlassen. Warum wohl?
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Die Sache ist bitter für jeden, der sich mit Licht beschäftigt. Die einen glauben an die Errungenschaften, die unübersehbar sind. Wir sind raus aus dem Takt, den die Sonne vorgibt. Wenn ich nachts doch irgendwohin will, ohne den Tag abzuwarten, kann ich jetzt. Aber wie man dazu kommt, alle Straßen mit 2,0 cd/m2 zu beleuchten statt mit 1,9, möchte ich gerne wissen. Die Sache hat mir Prof. de Boer seinerzeit erklärt. WIe kommt aber ein Berliner Bausenator dazu, zu behaupten, die Sache sei wegen der Verkehrssicherheit so geregelt worden? Wie kommt dann ein anderer Verkehrssenator dazu, paar Jahre später das Gegenteil zu behaupten?
Um solche Fragen zu beantworten, gibt es die Wissenschaft. Die des Lichtes hatte in Berlin einen Hauptsitz an der TU Berlin. Mit der Straßenbeleuchtung hatten sich aber eher die Kollegen aus Karlsruhe beschäftigt. Haben die beiden Senatoren dort angeklopft? Wenn nicht, warum ist man nicht selber bei der Politik vorstellig geworden?
Darf man der Kosten wegen die Verkehrssicherheit beeinträchtigen?