Chronobiologie und die Wahrheit

 
Im Augenblick lebe ich an einem Ort, an dem Muslime verhungern, oder eher verdursten würden, wenn sie sich an ihre Religion halten und fasten. Gerade ist der Fastenmonat Ramazan, während dessen man von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder etwas essen noch etwas trinken darf. Medikamente einnehmen ist nur erlaubt, wenn man so krank ist, dass man eh nicht fasten darf. Böse Worte sprechen und Böses denken ist ebensowenig erlaubt wie Sex und ähnliche Handlungen. Die Sonne ist hier vor einem Monat zuletzt aufgegangen und wird erst in etwa zwei Monaten untergehen. Nur Yogis könnten so lange fasten, sagt man. Die sind aber keine Muslime.

Die Chronobiologie und ihre Weisheiten gelten hier ebenso wie die Regeln des Islam. Wie regulieren die Leute eigentlich ihren Körperrhythmus, wenn die Aussagen der Chronobiologie wahr sind, die ich immer vorgesetzt bekomme. Derzeit untersuchen die auf Deubel komm raus Licht. Dessen Stärke, Farbe, Änderung u.ä. sollen meinen Körperrhythmus steuern. Na denn! Hier ist um Mittenacht manchmal mehr Licht als um 12:00 mittags (wobei diese Begriffe eh sehr fraglich sind. Wann ist denn Mittag, wenn die Sonne in zwei Monaten untergeht?). Mitternacht ist im Augenblick, wenn die Sonne aus dem Norden kommt. Sonne im Osten entspricht unserem Morgen. Sonne im Süden wäre wohl Mittag. Aber so weit im Norden ist überall Süden, oder?

 
Irgendwie halte ich schon den 24-Stunden-Rhythmus ein, obwohl ich keine Uhr trage. Wenn ich aufstehe, ist es Frühstückszeit. Dann gehen wir ein mutterloses Lamm füttern. Wann Mittag ist, hängt von der Familie ab. Abend ist, wenn das Kind schlafen muss. Ähnlich leicht verständlich ist es übrigens ein halbes Jahr später. Dann ist Mittag, wenn das Dunkle etwas aufhellt. Wann es Abend wird? Die meisten Leute in den Restaurants finden sich trotzdem so etwa um 19:00 Uhr ein.

Ich denke, die Chronobiologie muss sich mit den sozialen Zeitgebern befassen und nicht auf Licht allein herumhacken. Dieses ist zwar unbestritten der wichtigste natürliche Zeitgeber. Dass die sozialen einen nicht ähnlich stark beeinflussen können, ist damit nicht gesagt. Diese revolutionäre Idee stammt übrigens nicht von mir, sondern von Jürgen Aschoff, einem der Gründer der Chronobiologie.

 

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