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Was so alles durch eine falsche Definition entstehen kann

10.04.2024
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Die vor genau 100 Jahren festgelegte V(λ)-Kurve sollte dazu dienen, Licht messbar zu machen. Hat auch gemacht. Dumm nur, dass die von ihr benutzten Grenzen für die berücksichtigte elektromagnetische Strahlung nur für den Menschen gelten. Schlimm ist das nicht. Denn jedes Gewerk legt seine Regeln selber fest. Warum sollte die LIchttechnik, die Licht für Menschen erzeugen und benutzen will, nicht die Bewertung von Strahlung durch diesen benutzen?

Es kam aber dümmer. Man gewöhnte sich daran, immer zu sagen "Licht ist definiert als …" Zu was für Irrtümern dieser alltägliche wie dumme Gebrauch geführt haben mag, kann ich nicht übersehen. Aber eine ziemlich fatale will ich doch kommentieren. Diese betrifft die lichttechnischen Grundgrößen, die allesamt auf der V(λ)-Kurve beruhen. Da deren Zusammenhang vielen Menschen erklärt werden muss, greift man zu Bildern.
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So erklärt z.B. eine Berufsgenossenschaft, wie die Grundgrößen zusammenhängen. Eine Lichtquelle produziert Licht, das auf eine flach liegende Fläche fällt. Diese wirft einen Teil in die Richtung, in der sich das Auge des betrachtenden Menschen befindet. Das ausgesendete Licht misst man in Lumen, die auftreffende Strahlung in Lux. Und der Mensch erkennt Dinge, die eine Leuchtdichte haben, die durch die Reflexion entstehen. Alles in photometrischen Größen, so genannt weil sie photopisch und messbar sind - Dank der V(λ)-Kurve. So nennt man physikalische Größen, die man mit der V(λ)-Kurve multipliziert erhält. Wenn man aus dem Bild alles Brimborium entfernt, bleibt als Kern dies übrig:

Da auch andere Leute ihre Klienten aufklären müssen, wie die lichttechnischen Grundgrößen so zusammen gehören, haben sie ihre branchenüblichen Lichtempfänger für ihre erklärenden Grafiken adoptiert. Hier zwei von einer Agrarberufsgenossenschaft.
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Wo der Fehler liegt? Die abgebildeten Viecher sind Säugetiere. Und die Augen von Säugetieren besitzen nur zwei Farbempfänger. Für diese gilt die Photometrie nicht. Im Auge der Kuh fehlt der Empfänger für Rot. Deswegen sieht sie nie die frischen grünen Wiesen wie wir, sondern nur gelbliches Gras. Den Apfel sähe sie auch dann grünlich, wenn er zu der Sorte Red Delicious gehört. Schmecken tut er für die Kuh eh gleich wie Granny Smith.

Während die Kuh von unserer Art Licht zu verstehen keinen größeren Schaden nimmt, als zwischen Gras und Heu erst unterscheiden zu können, wenn sie da rein beißt, können Pflanzen richtig verhungern. Denn ihre Bewertungskurve entspricht einer auf den Kopf gestellten V(λ)-Kurve. Was bei uns die größte Helligkeit bewirkt, Grün, ist dem Spinat völlig egal, fast völlig. Der Bohne auch. Die beiden wie fast alle Pflanzen leben von der Strahlung, die für uns kaum der Rede wert ist. Unsere Fensterscheiben dürfen sie sogar abschneiden.

Ist so etwas wichtig für einen normalen Menschen zu wissen? Eigentlich nicht, außer den Hausfrauen und Hausmännern, die ihre Zimmerlinde gesund erhalten wollen. Spinat kauft man ja tiefgefroren aus dem Kühlregal im Supermarkt. Deswegen muss man nicht wissen, was der von unserer Lichtberechnung hält.

Wer da aber denkt, dass nur Amateure den Schaden haben, ohne was zu merken, kann sich diesen Beitrag angucken, der mit diesem BIld beginnt:

Diese Aussage wurde von niemandem Geringeres als Jürgen Hermannsdörfer getroffen. Wer Jürgen Hermannsdörfer ist? Als er dies sagte "Laut Herrmannsdörfer ist immer ein Wert von 500 Lux erforderlich, um eine Pflanze am Leben zu halten. Das ist die übliche Größe, mit der zum Beispiel im Büro Schreibtische erhellt werden" war er Vorstandsmitglied vom Fachverband Raumbegrünung und Hydrokultur. Der Artikel wurde von der DPA, der Deutschen Presseagentur, verbreitet. Daher ist anzunehmen, dass er viel Köpfe erreicht hat.

100 Jahre V(λ)-Kurve

01.04.2024
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In April 1924 wurde die Grundlage der Lichtmessung festgelegt.

Gesundes Licht - echt gesund. Aber für wen?

01.04.2024
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Wenn man wissen will, was die Leute unter einem gesunden Licht verstehen, muss man nur die KI fragen. Sie listet alles auf, was uns als gesund erzählt wird. Immerhin liegt die KI nicht so weit weg von der Wahrheit: "Gesundes Licht ist Licht, das dem natürlichen Tageslicht so nah wie möglich kommt und somit die Bedürfnisse des menschlichen Körpers und Geistes optimal unterstützt. Es zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus1. Natürliches Lichtspektrum: …" So weit, so gut. Danach spinnt sie etwas; "3. Hohe Farbwiedergabe: Der Farbwiedergabe-Index (CRI) gibt an, wie gut eine Lichtquelle Farben wiedergeben kann. Ein CRI von 100 entspricht dem natürlichen Tageslicht. Gesundes Licht sollte einen CRI von mindestens 90 haben."

Gesundes Licht mit mindestens ein CRI von 90? Demnach ist fast alles in Innenräumen ungesundes Licht. Denn die meisten Arbeitsplätze muss man mit einem Farbwiedergabeindex 80 beleuchten. Es kommt aber schlimmer. Die KI sagt: "5. Berücksichtigung der Lichtfarbe: Die Lichtfarbe hat Einfluss auf die Stimmung und das Wohlbefinden." Was muss man tun, wenn man eine gesunde Lichtfarbe haben will? In die Norm gucken. Da steht geschrieben "Die Wahl der Lichtfarbe ist eine Frage der Psychologie, der Ästhetik und dem, was als natürlich angesehen wird. Die Auswahl hängt von der Beleuchtungsstärke, den Farben des Raums und der Möbel, dem Umgebungsklima und der Anwendung ab. In warmen Klimazonen wird im Allgemeinen eine kühlere Lichtfarbe bevorzugt, wohingegen in kaltem Klima eine wärmere Lichtfarbe bevorzugt wird." Wer gesundes Licht haben will, muss zusehen, was er macht.

Also sehe ich zu. Auf deutschen Websites ist man vorsichtig mit dem gesunden Licht. Aber auf englischen und amerikanischen Seiten findet man jede Menge gesunde Lichter. Die allergesündeste kostet 19,95, nicht Peseten, englische Pfund. Und macht genau das, was die Norm sagt: Farbe wechseln, weil man nicht weiß, welche Farbe in welchem Land gesund ist. Hier sind vier Phasen, die ich erwischte. Man kann die Abfolge schneller werden, irre schnell, bis man irre wird. Und das alles für lausige £ 19,95 pro Birne.

Wenn keine Entleuchtung hilft …

30.03.2024
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Die Geschichte der Osram-Luftschutzlampe erinnerte mich an eine Großtat von mir + anderen Protagonisten, die ich leider nicht namentlich anführen darf. Den Grund können Sie ahnen, wenn Sie den Beitrag lesen. Es geht um die Entwicklung einer Beleuchtung, die auf keinen Fall das durfte, was eine Beleuchtung soll - beleuchten. Damit haben wir keine Sehaufgabe gelöst, sondern eine juristische, die einer Lösung einer Sehaufgabe im Wege gestanden hatte.

Für Leute, die alle Latten am Zaun haben, und gut verschraubt, mag die Geschichte skurril klingen. Sie ist es tatsächlich. In der guten alten Zeit, als die lichttechnische Industrie einen guten Draht zum Arbeitsministerium pflegte, geschah es, dass dieses Papiere erließ, die beschrieben, wann ein Arbeitgeber seine Arbeitsstätte den gültigen Normen entsprechend ausgestattet hätte. So ein Papier nennt sich ASR nach wie vor. Früher hieß es Arbeitsstättenrichtlinie, heute nicht mehr, erfüllt aber die gleiche Funktion: Wer die ASR erfüllt, wird vom staatlichen Arbeitsschutz nicht behelligt mit einem Vorwurf, seine Arbeitsstätte würde nicht dem Stand der Technik entsprechen. Die Idee ist so gut, dass sie ein halbes Jahrhundert überlebt hat. Und kein Ende in Sicht.
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Hinsichtlich der Beleuchtung war das Jahrhundertwerk ASR indes nicht so erfolgreich. Schuld daran ist eigentlich niemand. Denn die Vorschrift, die Arbeitsstättenverordnung von 1975, besagte nicht, dass jede Arbeitsstätte eine Beleuchtung haben müsse, sondern lapidar: "§ 7 Beleuchtung (1) Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Liege- und Sanitätsräume müssen eine Sichtverbindung nach außen haben." ??? Dass da eine künstliche Beleuchtung vorgesehen werden muss, stand nicht drin. Aber z.B. wie man Lichtschalter anordnen muss, so sie da sind. Und wie man Beleuchtungseinrichtungen dimensioniert, wenn man sie hat. Ausdrücklich vorgeschrieben wurde eine künstliche Beleuchtung später  "(5) Arbeitsstätten müssen mit Einrichtungen ausgestattet sein, die eine angemessene künstliche Beleuchtung ermöglichen, so dass die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten gewährleistet sind." So steht es heute in der ArbStättV. Im Jahre 2004 las sich das anders: "(1) Die Arbeitsstätten müssen möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und mit Einrichtungen für eine der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten angemessenen künstlichen Beleuchtung ausgestattet sein."

Da es ziemlich unmöglich ist, ohne künstliche Beleuchtung zu arbeiten, hat dann der Arbeitsminister eine ASR 7.3 Künstliche Beleuchtung erarbeitet, die die DIN-Norm DIN 5035-2 "Richtwerte für Arbeitsstätten" teilweise übernommen hat. Die Rolle dieser Norm war es, die Norm DIN 5035-1 "Begriffe und allgemeine Anforderungen" für Arbeitsstätten auszulegen. Diese Zweiteilung macht immer Sinn, weil man nicht immer den Anforderungen entsprechen kann. So enthielt DIN 5035-1 eine Reihe Gütekriterien, von denen eine für Arbeitsstätten eine besondere Bedeutung hatte.

Die Übernahme von Teilen der Norm wurde von der Industrie gefeiert als eine gesetzliche Regelung. Als Homepages für Firmen im Internet in Mode kamen, liefen Banner über den Bildschirm, die von der frohen Kunde berichteten. Dummerweise war nicht jeder Kunde froh über die Nachricht, denn es gibt Arbeitsplätze, die nicht nur keine Beleuchtung brauchen, sondern eine Beleuchtung nicht brauchen können. Hierzu gehören Regieräume in Fernsehstudios. Die sind zuweilen bis zur Decke mit Bildschirmen bestückt und hatten nur eine sog. Putzbeleuchtung, also eine Beleuchtung für Service-Leute, aber nicht für die Benutzer.

Die zuständige wie unglückliche Berufsgenossenschaft musste die Betriebe pflichtgemäß darüber unterrichten, dass sie nunmehr eine Beleuchtung mit einer Nennbeleuchtungsstärke bräuchten, und zwar eine Allgemeinbeleuchtung. Das war ziemlich das Letzte, was die Fernsehanstalten brauchten. Was tun? Vorschrift ist Vorschrift?

Ein findiger Leuchtenentwickler konstruierte ein Gegenstück zu der Osram-Luftschutzlampe, sozusagen die pflichtgerechte Arbeitsschutzlampe. Deren wichtigste Eigenschaft war, auf keinen Fall Licht auszusenden. Sie hatte einen Leuchtenwirkungsgrad von etwa 1 Prozent, d.h. nur 1 % des Lichts der Lampe verließ die Leuchte. Ich schrieb dazu ein Gutachten, wonach dies eine blendfreie Beleuchtung wäre. Und der zuständige Technische Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaft übersah, dass eine Leuchte keine Beleuchtung ist.
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Übrigens, die neuen ASR haben nicht mehr den (vermeintlichen) Fehler der alten. Dort steht immer geschrieben: "Bei Einhaltung dieser Technischen Regel kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit für die Beschäftigten erreichen." Vermeintlich deswegen, weil dieser Passus nach bundesdeutschen Recht immer galt. Musste daher nicht extra gesagt werden, wird aber jetzt immer wieder gesagt. Bis alle verstehen, dass der Gesetzgeber klüger ist als man gemeinhin annimmt.
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Krieg der Lichter - Als Osram die Entleuchtungslampe erfand
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19.03.2024
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Heute vor 89 Jahren begann der 2. Weltkrieg. Sie lesen richtig, er begann mit einer Verdunkelungsübung in Berlin. "Um 22.00 Uhr erloschen fast 100.000 Straßenlaternen, verschwanden die Neon-Schilder und Reklamen; Züge (reguläre Züge sowie S- und Hochbahn) dimmten die Beleuchtung und deckten ihre Fenster ab." So sollte es 89 Jahre später im Berliner Tagesspiegel stehen.

Noch kannte man keine Methode, wie man Licht daran hindert, sich einfach in die Gegend zu bewegen. Außer der, was unsere Vorfahren schon kannten: einfach einsperren. Ausmachen geht auch, ist aber zu einfach. Um die Sache zu perfektionieren, nahm der Staat die Lichttechnische Gesellschaft mit Beschlag und bestellte einen Führer samt Führerrat. Die hieß damals Deutsche Beleuchtungstechnische Gesellschaft e. V. und war irgendwie dezentralisiert in drei Teile, SWDLG in Karlsruhe und L.T.G in Essen. Das Ganze wurde unter ein strammes Kommando gestellt. Die Filialen bekamen Gauleiter vorgesezt. Die Verdunkelung der deutschen Geschichte konnte beginnen. Bei zwei Herren aus der Zeit habe ich studiert. Der eine war einer meiner Doktorväter, der andere ist etwas zu früh gestorben. Die erzählten mir beide, was die Lichttechnik hat damals alles machen müssen, um gegen das Grundziel ihres Metiers zu arbeiten: für das Helle zu sorgen. Nun waren sie für das Dunkle zuständig. Ein früherer Beitrag von mir zum Schwarzlichtstrahler alis Entleuchtungsbirne (hier) nahm die Sache auf die Schippe. Lustig war sie indes nie.
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Techniker wären keine Techniker, wenn sie keine Lösung auch für das unsinnigste Problem gefunden hätten. Die Lösung erzählt der Tagesspiegel so: "Eine Lösung für dieses Problem kam Mitte 1938: Die Luftschutzlampe. Osram, ein renommierter Berliner Glühbirnenhersteller (sein Name ist ein Kofferwort aus „Osmium“ und „Wolfram“), entwickelte eine Glühbirne, deren Glaskolben mit einer schwarzen Farbschicht überzogen war. Nur ein kleiner, runder Fleck blieb übrig, durch den ein gedämpfter Lichtstrahl aus der Birne austreten konnte." Das Wunderding kostete damals 1,50 RM wie Reichsmark. Und verkaufte sich wie geschnitten Brot.

Weniger gut bekannt ist, was ein anderer Lichttechniker, den ich auch kannte, dagegen hielt. Für seine Taten bekam er später einen Orden. Die Rede ist von einem der Altmeister der Lichttechnik, dessen Namen man immer wieder liest, wenn die Rede ist von Sehleistung. Die Sehleistung, über die der Herr geforscht hat, war die der Bomberpiloten über Deutschland. Die arbeiteten mit besonderen Lampen gegen die Verdunkelung, für die die deutschen Kollegen geforscht hatten. Phosphorbomben. Er hieß H. Richard Blackwell und erhielt für seine Verdienste für die US-amerikanischen Streitkräfte in 1947 eine Medaille (Army-Navy Certificate of Appreciation). Blackwell forschte noch bis 1955 für das Militär und fast 30 weitere Jahre an der Universität.