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Ach wie schön war es ohne LED - Nostalgie zu Weihnachten
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Menschen neigen gen Weihnachten besonders zur Nostalgie. Früher war alles schöner - auch das Licht? Das meine ich, immer wenn ich eine Glühlampe für eine alte Leuchte suche. Dann ein Blick aus dem Fenster zur Weihnachtsdekoration. Auch der eingefleischte Nostalgiker muss zugeben, dass die Weihnachtsdeko seit der Verfügbarkeit der LED jeglichem Vergleich spottet. Ich nehme an, niemand vergleicht das Neue mit dem was er als Kind erlebt hatte.

Wie ist es aber mit der Allgemeinbeleuchtung? Welchen Lampen müssen wir nachweinen? Ein Papier, das ich in den alten Tagungsbänden der LiTG gefunden habe, hat mir jegliche wehmütige Erinnerung madig gemacht. Das Bild stammt aus "Licht '86", eine Tagung in Baden bei Wien. Es zeigt die UV- Entwicklung von damals üblichen und modernen Lampen. (Vorsicht: UV-A wird in %, UV-B in Promille und UV-C in Zehntelpromille abgebildet)

Egal, was man auch tat, wurde eine unerwünschte Strahlung mit erzeugt. Zu erwähnen wäre, dass UV-C hoch gefährlich ist und natürlich nur im Weltraum vorkommt. Auf Erden wird es zum Abtöten von Keimen erzeugt, aber streng abgeschirmt von Lebewesen. Alle Konterbande muss vernichtet werden, so gut es geht. Der Autor schreibt: "Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die ultravioletten Anteile im Grundspektrum der Lampe sind gering. Das primäre Entwicklungsziel sind die Eigenschaften im Sichtbaren. Verbesserungen in diesem Bereich bringen meist zwangsläufig Änderungen im UV mit sich."

Den notwendigen Schutz des Menschen musste das Kolbenglas übernehmen. Aber auch das gelang nicht vollkommen. Etwas UV kam  immer durch:UV in Lampen annotated
Man begnügte sich damals mit der Feststellung, dass photobiologische Schäden nicht zu befürchten seien, weil die Sonne viel mehr UV produziere. Zum Glück der Lampenbauer hatten die Menschen damals mit einer anderen Art von "Strahlung" zu schaffen, die sie fürchteten: Röntgenstrahlung aus Bildschirmen. Sie ließen sich nicht dadurch beschwichtigen, dass man zeigte, dass ein Kasten Bier mehr strahlt als ein Bildschirm. Uns ist damals ein sehr guter Kunde abhanden gekommen, weil wir uns weigerten, über Maßnahmen für Schwangere am Bildschirm zu diskutieren. Aber sogar 10 Jahre danach, also in 1996, mussten wir für eine große Firma "strahlungsarme" Bildschirme aussuchen. Diese liefen im Betrieb rosa an, weil die Stromleitungen in die Bildschirme strahlten. Das hatten die Leute 25 Jahre lang nicht bemerkt. Es fiel erst auf, als empfindliche Bildschirme aufgestellt wurden.

Bei der LED-Beleuchtung wird man derlei nicht erleben. Die Lichterzeugung bei den LEDs lässt sich sehr genau steuern bzw. vorbestimmen.

Ist HCL eine Marketingbegriff oder Technologie?
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Endlich ist es mir gelungen, eine der großen Geheimnisse der Geschichte der Menschheit aufzuklären. Wie kommen die Begriffe zustande, mit denen man in der Lichttechnik so um sich wirft? Z.B. mit dem Kürzel LED. Was bedeutet das? Aus dem Munde, Pardon aus der Feder, eines Experten, der ein großes Werk vollbracht hat, hört sich das so an: "Eines der Probleme, die wir mit dem Begriff LED hatten, ist der Umstand, dass er sich nicht nur auf das physische Bauteil bezieht, sondern auch die Technologie beschreibt, was zu zu diesen Diskussionen führte. Wir mussten auch auf Aspekte der Einheitlichkeit der vielen anderen Begriffen achten, die auf LED basieren, nicht nur auf die Stimmigkeit des Begriffs LED selbst." Gab es da etwa Unstimmigkeiten?

Der Protagonist ist Wei Zhang vom IEC/TC 34 und hat mit Peter Zwick, technischer Leiter der CIE, und Joanna Godwin zusammen ein gewaltiges Werk vollbracht: die "Komplette Überarbeitung der Beleuchtungsterminologie", so bezeichnet auf der Website des DKE NORMEN.MACHEN.ZUKUNFT (hier). Ich will niemandem Angst machen, aber die "Beleuchtungsterminologie" ist nicht von Pappe. Die Version, die ich kenne, ist etwa 4 cm dick. Diese wurde einst einvernehmlich vom IEC ausgegeben und trug die Nummer IEC 60050-845. 845 bezeichnete alle Begriffe, die was mit Sehen und Beleuchtung zu tun hatten. Da IEC viel mehr zu tun hat, als sich nur mit Beleuchtung zu beschäftigen, veröffentlicht sie viele andere Teile. Ich weiß nicht wie viele, aber es sind sehr viele. IEC 60050-845 war zuletzt 1987 gedruckt worden. Man musste 2016, 2019 und 2020 kleinere Korrekturen veröffentlichen. Das reichte anscheinend nicht.

So lese ich "Eine unserer Hauptaufgaben war es, die Begriffe und Definitionen für LED zu vereinheitlichen. Dies betraf nicht nur den Begriff LED an sich, sondern auch andere Begriffe wie LED-Modul, LED-Package usw. Es gab etliche Diskrepanzen zwischen der Praxis der IEC und dem, was die CIE in einem 2015 veröffentlichten Anhang zu ihrem Internationalen Wörterbuch der Lichttechnik festgelegt hatte. Es waren viele Besprechungen erforderlich, um diese Differenzen zwischen uns zu klären." (hier)

Lesen ist eine Sache, denken eine andere. Ich denke mal, dass die IEC und die CIE, einst ein Herz und eine Seele, die Kontrolle über die LED (mal Diode, mal Technologie) verloren haben. Im Jahre 2015 waren Begriffe genormt worden, die wohl so nicht hätten genormt werden dürfen. Und nun das! Schlagzeile "LED als Herausforderung". Ich denke, die Herausforderung besteht seit etwa 25 Jahren.

"Eine weitere Herausforderung bestand außerdem darin, Terminologie zu vermeiden, die in der Öffentlichkeit verwendet wird, jedoch eher Marketingzwecken dient als der Beschreibung der Technologie", so Zwick. „Genau wie bei “Smart Lighting“ ist „Human Centric Lighting“ eher ein Begriff des Marketings als ein technischer Begriff. Wir haben beschlossen, der CIE und ISO/TC 274 zu folgen, und stattdessen den Begriff “Integrative Lightingeinzuführen." Da bin ich aber beruhigt. Weg mit dem Marketingbegriff "Human Centric Lighting" hin zu … Was denn? Haben Sie noch nie gehört, was "integrative Lighting" ist? Da stehen Sie nicht allein, denn von 7,89 Milliarden lebender Menschen kennen einige Hundert diesen Begriff. Der wurde in Januar 2021 veröffentlicht. Ebenso ein Novum wie "Lichtqualität".

Während der Lichtqualität eine an den Maßstäben der CIE gemessen steile Karriere bevorsteht, die für die Definition 105 Jahre gebraucht hat, und zum Ausfüllen noch paar Jährchen brauchen wird, wird "integrative lighting" wohl ewig unverstanden bleiben. Jedenfalls in Deutschland. Hier bedeutet integrative Beleuchtungsplanung die gemeinsame Berücksichtigung von Tageslicht und Kunstlicht, während "integrative lighting" bedeutet, man müsse neben der Helligkeitswirkung zum Sehen auch die Wirkungen auf die Biologie des Menschen betrachten. Also  was man hätte seit 100 Jahren tun müssen. Warum bleibt Tageslicht unberücksichtigt? Weil Menschen 90% ihrer Zeit in Gebäuden verbringen (hier). Für die paar Stunden im Jahr, die sie im Freien verbringen, können sie eine Sonnenbrille aufsetzen oder nachts auf die Straße gehen wie Frauen in Saudi Arabien.

Visuelle, gesundheitliche und ökologische Vorteile von Fenstern in Gebäuden am Tag

Hurra! Jemand will die Fenster endlich aufwerten. Vor drei Tagen hatte ich ein sehr häufig zitiertes Papier kommentiert, in dem stand: "Feldstudien unter Büromitarbeitern besagen, das Menschen ein Fenster haben wollen." (hier). Ob das des Gedanken Vater war, kann ich nicht behaupten. Bemerkenswert ist, dass man 50 Jahre nach der Feststellung, Fenster seien überflüssig, weil man Räume ohne diese besser beleuchten und klimatisieren kann, und noch eine bessere Akustik obendrein bekommt, anfängt die Vorteile von Fenstern wissenschaftlich zu untersuchen.

Allerdings nur am Tage. Denn nachts sind Fenster echt überflüssig. Die saugen förmlich das Licht aus dem Innenraum und mischen es draußen mit der Dunkelheit. So erzeugen sie Zwielicht. Und wenn man sie aus Versehen offen lässt, schneien Einbrecher hinein. Von Fledermäusen ganz zu schweigen. In einem Gruselroman, dem echten Dracula-Buch von Bram Stoker, kriechen die Vampire durch die Fensterritzen als Nebel in die Bude und nehmen da drinnen ihre gruselige Gestalt an. Brrrr!

Die CIE hat sich der Aufgabe angenommen und ein TC gegründet. TC heißt Technical Committee und ist sehr mächtig. Nur noch JTC, also Joint TC, sind mächtiger. So zeichnet sich z.B. ISO/IEC JTC1 verantwortlich für 3278 internationale Standards, die nicht von Pappe sind. Ohne die kann keiner etwas auf dem Computer schreiben, weil sie die Fonts normen. Videos u.ä. wären nur analog möglich, weil sie die MPEG-Standards produziert haben. Smart cities, cloud computing, autonome Fahrzeuge … Da die Fenster immer mehrere Seiten haben, wurde für sie auch ein JTC gegründet. Mit drei guten Experten als Führung. Das war in 2013. Eigentlich hätte man vier TCs gründen müssen. Denn Fenster haben auch Nachteile am Tag. Und Vorteile in der Nacht (zumindest in Bayern, fensterln). Die Nachteile würde ich auch durch ein TC bearbeiten lassen.

Im Jahre 2021 hatte der Berg zwar mächtig gekreist, aber nicht mal ein Mäuschen geboren. Das TC wurde ohne Ergebnis geschlossen. So bleibt vorerst mal der Verantwortliche für den Durchblick der Fensterputzer.

Irgendwie nicht schlüssig erklärt: Wie melanopisch wirkt denn Licht?

Den obigen Text habe ich aus dem Lichtlexikon kopiert. Es könnte sein, dass er bald verschwindet. Ich verstehe nicht ganz, was dieser Text da bedeutet: "Visuelle und die in der DIN SPEC 5031-100 beschriebenen melanopischen Lichtwirkungen beruhen zwar beide auf Lichtreizen; die melanopischen Wirkungen werden in der o.g. DIN SPEC jedoch aufgrund unterschiedlicher spektraler Empfindlichkeiten, unterschiedlicher Nervenpfade für die Weiterleitung der durch Licht ausgelösten Signale sowie grundsätzlich unterschiedlicher Wirkungen gesondert behandelt." Hat sich da was geändert? Vielleicht! Denn es heißt weiter: "Bekannt ist auch, dass die Fotorezeptoren im Auge, die für visuelle Wirkungen verantwortlich sind, ebenfalls zu nicht-visuellen Wirkungen beitragen." Das ist ziemlich neu. Etwa 3 Jahre alt.

Wenn Fotorezeptoren zu nicht-visuellen Wirkungen beitragen, sind die immer noch nicht-visuell? Langsam zum Mitschreiben: Nicht-visuelle Wirkungen heißen so, weil sie nichts mit visuellen zu tun haben. Wenn sie es doch haben, dann können sie nicht nicht-visuell bezeichnet werden. Visuell werden sie aber auch nicht bezeichnet. Also was? Quasi-nicht-visuell?

Ich kämpfe derzeit mit einer Ladung internationaler Experten, die aus der gesamten Masse an Informationen etwas ableiten wollen, was der Lichtindustrie dienen kann, aber zu lange Zeit von dieser nicht beachtet wurde. Es ist ja nicht so, dass erst im Jahre 2001 den Leuten wie Schuppen von den Augen gefallen ist, dass das Licht nicht nur dem Sehen dient, besser gesagt, der Kamerafunktion des Auges. Diese besteht darin, dass das Auge ein Bild aus der Umwelt macht. So gut es kann. Was danach passiert, weiß man nicht so genau. Z.B. regt man sich sehr unterschiedlich über das Gesehene auf. Haben Sie schon mal rot gesehen? Visuell oder nicht-visuell? Eine wunderbare Landschaft erregt oder beruhigt einen. Wenn der gute Mensch nach einer Operation im Bett liegt, heilen seine Wunden viel schneller, wenn er in einen blühenden Garten guckt als wenn er eine Brandmauer betrachtet. Ist so etwas eine visuelle Wirkung oder eher unvisuell?

Egal, völlig uninteressant für Experten. Denn mit einer schönen Aussicht Leute zu heilen, bringt nichts ein. Nicht mal dem Krankenhaus. Denn die Patienten können nach der halben Zeit geheilt sein und halb so viele Schmerzpillen schlucken. Also weniger Umsatz. Was ist aber mit psychologischen Farbwirkungen? Menschen aus Wüstengegenden denken an etwas Anderes, wenn sie gelb sehen als Leute, die in blühenden Landschaften aufgewachsen sind. Ist die Wirkung nu visuell oder …? Die ist halt nicht melanopisch.

Ist melanopisch gleich nicht-visuell oder umgekehrt? Mir ist das seit Langem klar. Dazu haben mir die internationalen Experten jedoch geschrieben, in der Lichtforschung sei das Melanopische interessant. Alles andere wäre zwar auch wichtig, aber man kann sich ja nicht verzetteln. Also, es gibt Lichtwirkungen, die garantiert nicht photopisch sind. Aber muss man gleich alle angehen? Lassen wir doch sich die Photobiologen damit herumschlagen. Gut, jeder kann nach eigener Fasson selig werden. Aber warum ist denn das Melanopische so wichtig? Weil es die Körperrhythmen steuert, sagen die Experten. Kann sein.

Welche Rhythmen nennt denn der menschliche Körper sein eigen? Ich kenne ultradiane, circadiane, circannuale Rhythmen. Wie werden die durch Licht gesteuert? Ultradian ist sehr kurzfristig, 30 Minuten bis 4 Stunden. Das ist nicht so interessant für Lichtexperten. Was ist mit circannualen Rhythmen? Zu sehr langfristig. Zu viel Arbeit. Bleiben wir doch bei circadianen. Das ist äußerst wichtig. Warum? Etwa weil es melanopisch ist?

Wenn sich die Herrschaften auf ihr Metier beschränken täten, wäre ich noch gnädig. Sie haben aber meinem internationalen Normenausschuss offiziell geschrieben, er darf sich keine Meinung aufgrund der medizinischen Literatur bilden. Die Abstimmung über einen anstehenden Bericht müsse sofort gestoppt werden. Das wurde sogar offiziell beantragt. Eine führende Expertin aus Kanada schrieb sogar: "Ensure that the document does not encroach on the work of others". Auf Deutsch, misch dich nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein. Nette Vorstellung - man sucht aus Forschungsergebnissen von Medizinern und Biologen etwas aus, was nutzbringend verwertet werden könnte, und verbietet allen anderen, dasselbe für ihr Fach zu tun. Vor allem müssen sie das Thema akzeptieren, das sich die Lichttechniker vorgenommen haben. Aber dann nichts tun. Auf keinen Fall!

Warum sollen aber andere einem nicht in die Karten gucken? Der unwissenschaftliche Name für die Ursache nennt sich science faction. Er setzt sich zusammen aus science wie Wissenschaft und faction, also Fakten verwursteln. Dazu nimmt man eine oder mehrere unumstößliche Fakten. Z.B. dass es heller wird, je mehr Licht in einem Raum ist. Oder dass ein Versuch ergeben hätte, dass Sekretärinnen in hellen Büros besser tippen als in der Dunkelheit. Diese Fakten müssen keineswegs konstruiert oder erfunden sein. Man kann sie zudem nicht widerlegen.

Danach nimmt man diese Fakten und mischt sie mit Plausiblem. So ist z.B. die berühmteste Kurve entstanden, die die Beziehung von Beleuchtungsstärke und Leistung "nachweist". Jetzt kommen die wahren Künstler der empirischen Forschung zum Einsatz. Der häufigste von ihnen ist der "P-Hacker". P-hacking ist, was die meisten Forscher betreiben. Sie wollen signifikante Ergebnisse vorweisen. "P" steht für den p-Wert für die statistische Signifikanz. Man führt eine Reihe von Versuchen durch und sucht sich die passenden Ergebnisse aus. So kann man z.B. nachweisen, dass zwischen dem Käseverzehr und Strangulieren durch Bettlaken eine signifikante Beziehung existiert. Wer so etwas für absurd hält, muss in ein neues Dokument gucken, das eine große Zahl von Experten der Arbeitsmedizin als Leitlinie für Nacht und Schichtarbeit herausgearbeitet hat (hier). Dort steht z.B. zu lesen: "Eine Querschnittstudie (n=430) von Violanti et al. (2012) kommt zu dem Ergebnis (99), dass das Verletzungsrisiko bei Polizisten und Polizistinnen in der Nachtschicht 1,7-mal höher ist als die Verletzungsgefahr in der Tagschicht (IRR 1,72; 95%KI 1,26–2,36, p>0,001) …" Ob die Polizist:innen nachts die Brötchen anders schmieren als tagsüber? Die Methode heißt übrigens auch Signifikanzwahn. Und p>0,001 der Gipfel der Signifikanz. Eine unschlagbare Irrtumswahrscheinlichkeit unter 1 Promille!

Danach folgt HARKing. Das ist die Formulierung von Hypothesen nachdem man die Ergebnisse kennt. Eine wunderbare Story dazu und zu melanopischen Wirkungen führen wir seit 2009, als in Hamburg Vorschulkinder durch Blaulicht plötzlich intelligenter oder ruhiger wurden, je nach Wunsch und immer auf Knopfdruck (hier und da und dort). Die Ergebnisse haben es mittlerweile nicht nur in die wissenschaftliche Literatur geschafft, sondern auch in populär-wissenschaftliche Fernsehsendungen (hier).

Die Meister des HARKing sind aber solche, die sich in SHARKing auskennen. Das ist das Entfernen einer Hypothese, nachdem man weiß, dass kein positives Ergebnis (also nach p-hacking) herausgekommen ist. Die Hypothese verschwindet ganz leise. Und niemand merkt es, weil niemand ihr nachweint. Es soll sogar ein komplettes Projekt so verschwunden sein. Es hieß Placar und sollte dazu dienen, Lampen zu entwickeln, die die melanopische Wirkung unterstützen täten. Das Projekt wurde von den Größten der Branche initiiert, vom Forschungsminister finanziert und ist… unauffindbar! Da die Geschichte dieses Projekts wirklich einmalig ist, habe ich ihr einen eigenen Beitrag gewidmet (hier).

Last not least, die Krönung des Ganzen: Man ignoriert alles, was einem nicht passt und lädt zu Kongressen u.ä. nur solche Leute ein, die Passendes ermittelt haben wollen. Sie müssen nicht einmal lügen. Alle lichttechnischen Kongresse, die ich besucht hatte, waren in etwa so zusammengestellt worden. Bei Kongressen, deren Entstehungshintergrund ich nicht kenne aber abschätzen kann, war das ebenso. Auch viele "Fachzeitschriften" stellen ihre Beiträge nicht viel anders zusammen.

Hinsichtlich "melanopischer" Wirkungen des Lichts kommen all die oben angeführten Artefakte zusammen. Man schneidet aus einer großen Gesamtheit (biologische Wirkungen der Strahlung) ein Stück heraus (nur Licht, was anderes ist uninteressant). Aus den biologischen Wirkungen des Lichts schneidet man die nicht-visuellen heraus und bezeichnet sie als interessant. Aus den nicht-visuellen Wirkungen schneidet man die circadianen heraus (melanopische Wirkungen). Diese erklärt man zu wichtigsten biologischen Rhythmen, ohne weitere je untersucht zu haben. Danach folgt je nach Wunsch P-Hacking, HARKing und SHARKing. Wenn das alles nicht reicht, kommt die elegante Auswahl von passenden Beiträgen. Anschließend veröffentlicht man das Ganze stolz als Stand der Wissenschaft.

All dies wird nie an das "Werk" des großen Meisters Cyril Burt reichen, der aufgrund seiner Forschung sogar geadelt wurde, also Sir Cyril. Er hatte nachgewiesen, dass Doofe nur doofe Kinder hervorbrächten. Sir Cyril war einsame Spitze der Vererbungsforschung und hatte den Nachweis erbracht, was für alle Rassisten eine Selbstverständlichkeit ist. Kernstück des Burt-Erbes war eine Untersuchung aus dem Jahre 1961 über »IQ-Differenzen in verschiedenen sozialen Schichten«. Als er 1971 plötzlich verstarb, entdeckte man in seinem Nachlass, dass die meisten Ergebnisse erfunden waren. Die Zwillinge, deren Schicksale er erforscht hatte, hatten selten existiert. Und Artikel, die seine Ergebnisse bestätigten, hatte der große Meister selbst unter Pseudonymen geschrieben. (mehr z.B. hier) Immerhin begründete Burt die pädagogische Psychologie in Großbritannien. Seine Forschungen und Überzeugungen flossen in die Schulstruktur Englands ein (Zuweisung zu Sonderschulen, Eleven-Plus testing program).

Nachtrag: Eins habe ich vergessen. Die circadianen Rhythmen des Menschen werden nach der Weisheit derer Entdecker, z.B. Aschoff, nicht nur durch Licht und sonstige physikalische Ereignisse (z.B. Wärme) gesteuert, sondern auch durch sog. soziale Zeitgeber. Deren Wirkung bleibt auch nicht auf die circadiane Steuerung beschränkt, sondern soziale Zeitgeber wirken sich u.a. durch Feiertage wie Weihnachten oder Ostern auch auf Jahresrhythmen aus. Aber ich muss mich klein machen. Sonst kommt da einer und sagt "Stör mich nicht mit Informationen und Fakten. Ich muss Entscheidungen treffen. Ist melanopisch Nu wichtig oder nicht? Keine Ahnung. Aber so werden wir das bestimmt nie erfahren. So nicht!

Arbeitsebene ohne Arbeit
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Es war einmal … Da schrieben Menschen alles Wichtige auf kleine Zettelchen und hoben diese auf. In großen Büros kamen viele dieser Zettelchen zusammen und wurden sortiert, gelocht und abgeheftet. Man nannte den Vorgang Beamtendreikampf - Lochen, Bumsen, Abheften. Falls sich auf den Zettelchen Bedeutsames befand, breitete man den Ordner vor sich aus und fing an zu lesen. Und dafür wurde Beleuchtung gemacht.

An mancher mittelalterlichen Burg kann man noch die Erker bewundern, die dem Buchhalter das Tageslicht möglichst lange zur Verfügung stellten. So z.B. auf Burg Eltz an der Mosel. Später wurden ganze Bürohäuser für möglichst viel Licht geplant. Die Arbeitsräume waren bis 6 m hoch. Als das künstliche Licht billiger wurde, wurden die Räume niedriger. Aber Licht wurde immer noch zum Lesen erzeugt. Jetzt meistens künstlich. Das Tageslicht musste nicht erzeugt werden. Es war da. Tagsüber jedenfalls.

Die Welt der Beleuchtung drehte sich um die Stelle, an der die Zettelchen platziert wurden. Das Licht maß man in exakt 85 cm Höhe und zählte alle Flächen in einem Büro in dieser Höhe zur Arbeitsebene. Zum Messen stellte man das Gerät auf den Tisch. Daher war die Arbeitsebene so hoch. Lang ist es her!

Als das Konzept beinah perfekt war – 1972 produzierte man die vorerst ungestört entwickelte Norm für Beleuchtung – , war es schon wieder vorbei. Man stellte jetzt zunehmend Bildschirme auf, damit man in die Computer gucken konnte. Diese hielten aber nichts von Beleuchtung. Sie leuchteten nämlich selbst. Ihr Schein wurde aber durch Reflexionen getrübt. Man hätte die Beleuchtung zwar abschalten können. Dann säßen die Leute zum einen im Dunkeln. Und zum anderen konnten sie ihre Zettelchen nicht mehr lesen. Sie wurden nämlich immer noch gebraucht.

So verfiel man auch die Idee, die Beleuchtung zu „optimieren“. Also gerade mal so viel, dass das Lesen nicht zur Qual wird. Und höchstens so viel, dass man auf dem Bildschirm noch was sieht. Dass man nicht auf volle Sehleistung kam - geschenkt. So schrieb man sogar ganze Normen, die die Beleuchtung am Bildschirmarbeitsplatz optimierten. Das optimalste war naturgemäß die Bildschirmarbeitsplatzleuchte, deren Licht weder blenden sollte, noch reflektieren auf dem Bildschirm. Schon gar nicht auf der Tastatur. Die Quadratur des Kreises ist ein Leichtes dagegen.Eigentlich müsste es heißen, mit Bildschirm arbeiten nur erlaubt, wenn es keine Beleuchtung gibt.

Was man auch tat, die Arbeitsebene blieb uns treu. Runde 65 Jahre nach der Einführung von Computern in deutschen Verwaltungen, wovon ca. 50 mit Bildschirm, berechnet man Licht immer noch für die Arbeitsebene. Was heißt denn hier berechnen! Man muss akribisch jeden Punkt auf dem Arbeitstisch berücksichtigen. Dazu muss die gesamte freie Bewegungsfläche vor dem Tisch perfekt beleuchtet werden. Denn es könnte passieren, dass einer den Ordner mit den Zettelchen in die Hand nimmt, sich zurücklehnt, um loszulesen. Die Beleuchtung darf nie und nirgendwo unter einen Wert fallen. Dann muss die Anlage gewartet oder erneuert werden. Deswegen heißt der Wert Wartungswert.

Die neueste Idee ist aber die originellste. Der Wartungswert muss erhöht werden, wenn bestimmte Kontextmodifikatoren vorliegen. Die liegen vor z.B. wenn „die Sehaufgabe kritisch für den Arbeitsablauf ist“. So gesehen also immer. Noch ein Kontextmodifikator ist eine erhöhte Konzentration: „Genauigkeit, höhere Produktivität oder erhöhte Konzentration sind von großer Bedeutung“. Also auch immer. Oder „die Sehfähigkeit des Arbeitnehmers liegt unter dem üblichen Sehvermögen“. Dann weiß der Chef, wen er zuerst entlässt. Den Leuten, die lange an einer Aufgabe sitzen, muss auch geholfen werden: „die Aufgabe wird ungewöhnlich lange ausgeführt“  gehört auch zu den 7 Kontextmodifikatoren. Wenn einer also ungewöhnlich lange an einer Aufgabe pfrimelt, wird er mit einem erhöhten Wartungswert belohnt.

Diese Idee wird gerade genormt. Und zwar europaweit.

Warum erzähle ich aber das alles? Weil sich in der Arbeitsebene von 85 cm über dem Boden nichts Nennenswertes mehr befindet. Und das seit Langem. Ich hatte die ersten deutschen Arbeitsplätze mit 100% Bildschirmarbeit im Jahre 1983 bei einer norddeutschen Firma eingerichtet. Bis zu den ersten Arbeitsplätzen mit nur den Bildschirm als Sehaufgabe (vulgo „papierloses Büro“) (sie wurden 1996 in Köln in Betrieb genommen) verging etwas mehr als ein Jahrzehnt. Dazu habe ich die Bildschirme und die Arbeitsmöbel ausgesucht. Ich schätze, 10 Jahre später waren solche Arbeitsplätze „Standard“ und die „Zettelchen“ waren längst überflüssig.  Man wird auch heute Büros finden, in denen die Möbel für die Hälterung der Zettelchen noch stehen. Meistens stehen diese aber leer. Wenn sie nicht leer stehen, guckt sich kaum jemand noch den Inhalt an. Wozu beleuchtet man dann die „Arbeitsebene“?

Während die oberen Worte übliche Büros betreffen, gab es in der Industrie und in der Produktion, beim Fernsehen, bei Redaktionen und in Konstruktionsbüros Arbeitsplätze, bei denen sich die Sehaufgabe fast nur oder gar nur auf dem Bildschirm abspielt, zuhauf. Und das etwa ab 1970. Die ersten Arbeitsplätze ohne einen Bedarf für Beleuchtung habe ich in einem Verlag 1983 eingerichtet. Bei CAD-Arbeitsplätzen musste keiner nachhelfen, die Mitarbeiter haben selbst die Beleuchtung abgeschaltet, den Arbeitsplatz abgeschirmt, und im schlimmsten Fall, die Lampen mit einem Besenstiel zerschlagen. Und? Bald haben Leute an solchen Arbeitsplätzen nicht nur das Vergnügen, dass die Beleuchtung nie unter 500 lx fallen darf, sondern das Recht auf einen geänderten Wartungswert  - geändert: berücksichtigt übliche Kontextmodifikatoren – von 1000 lx.

Gute Nacht!

Büroschlaf ist gesund