Licht fühlen und Ambiente schaffen

 
Heute staunte ich nicht schlecht, als ich von einem Projekt einer Kollegin erfuhr, die sich einen Namen mit der Erforschung von "fühlenden" Computern gemacht hat. Ihr Buch von 1997 "Affective Computing" - bitte nicht als affektierter Computer übersetzen - schlägt bis heute Wellen, weil sich viele Leute von ihrem Computer unverstanden fühlen. Der Computer von Rosalind Picard hingegen soll meine Emotionen verstehen - und sich darauf einstellen.

Das neue Projekt heißt "Lux Meter: Real-Time Feedback in Ambient Light Environment". Es geht davon aus, dass das Licht für alle möglichen circadianen Rhythmen des Körpers ein wichtiger Steuerungsfaktor sei, was stimmt, und will die visuelle Umgebung des Menschen messen, um "real-time feedback" zu geben. Leider, leider, konnte ich nirgendwo etwas über die Ergebnisse finden.

 
Reicht uns "human centric lighting" nicht mehr? Es scheint, der Wettbewerb um den Menschen nimmt an Tempo zu. Wir wollen dem Menschen ……? Ich weiß nicht, zu was man dem Menschen verhelfen will. Aber halt intelligent … Moment mal, war alles, was wir bislang getan haben, etwa nicht intelligent? Gott verhüt´s! Ich kenne Menschen, die mich Kommunist beschimpft haben, weil ich flexible Beleuchtung forderte. Das war nicht etwa eine revolutionäre Technik, sondern lediglich eine Möglichkeit, das Licht am Arbeitsplatz ein- und auszuschalten, Leuchte umdrehen und etwas zu ändern, wenn nötig - eine Arbeitsplatzleuchte etwa.

Ich erinnere mich noch, dass auf einer Firmenwebsite zu lesen stand, dass Arbeitsplatzleuchten in Deutschland verboten seien. Warum, stand nicht dabei. Berufsgenossenschaften verboten ihren Betrieb, weil dadurch die Leuchtdichteverhältnisse am Arbeitsplatz so schlimm würden, dass man vorzeitige Ermüdung befürchten müsste. Falls man so etwas installieren wollte, müsste sichergestellt sein, dass beim Einschalten des unsäglichen Objekts gleich die Allgemeinbeleuchtung angehen musste. Wer denkt sich denn so etwas aus?

 So doof, wie es sich anhört, ist das Ganze nicht. Denn eine Leuchte, die nur ein kleines Stück des Arbeitsplatzes erhellt, schafft eine Störung durch den Kontrast zur dunklen Umwelt. Stimmt! Aber seit wann ist die Umwelt im Büro bei Tage dunkel? Genau seit dem 20. März 1975. An diesem Tage erschien die Verordnung über Arbeitsstätten, aka Arbeitsstättenverordnung. Dort hatte das Tageslicht keine Funktion als Beleuchtung - fast 30 Jahre bis zur Revision im Jahre 2004. So gab es für die Berufsgenossenschaften diese Beleuchtungsart nicht.

Anders für den Staat, der nicht nur aus Bund, sondern auch aus Ländern besteht. Und die letzteren hatten und haben die Oberherrschaft über das deutsche Bauwesen. Das Tageslicht als Beleuchtung war bei deren Landesbauordnungen geregelt. Der Bund hat lediglich die Sichtverbindung vorgeschrieben, die aber halt keine Beleuchtung ist. Sie beleuchtet zwar, ist aber keine Beleuchtung. Punkt!

Noch viel intelligenter als der Staat haben es die Normer gemacht. Die hatten bereits 1935 Tageslicht und künstliches Licht getrennt. Ein genialer Schachzug. Aus damaliger Sicht sogar eine Notwendigkeit, denn niemand käme 1935 auf die Idee tagsüber die Jalousien herunterzulassen und eine künstliche Beleuchtung mit ca. 10 - 20 W pro Quadratmeter zu betreiben. Lampen wie Strom waren zu teuer, um verschwendet zu werden. Genau genommen, war 1935 die künstliche Beleuchtung eine Art Notbeleuchtung. Im Jahre 2015 hatten wir zwar Strom im Überfluss - Pardon aus der Nordsee - den man verbraten musste, weil der Großfürst von Bayern keine Leitungen erlaubte. Aber gegen das Tageslicht anstinken, war immer noch nicht möglich. Ergo: In deutschen Arbeitsstätten gibt es - Gott und Edison sei Dank - Tageslicht und künstliches dazu.

Wenn dem so ist, was macht unser Luxmeter-Projekt im Jahre 2016? Misst einmal die Umgebung, und dann die Emotionen des Menschen, und dazu seinen circadianen Zustand, und ? Regelt es die Sonne und den Mond? Nicht doch, bestenfalls die künstliche Beleuchtung. Und wie kommt man auf diese grandiose Idee, das Tageslicht wegzudenken? Hört sich blöd an, ist aber so: in US-Amerikanischen Forschungslabors scheint keine Sonne. Schiene sie doch und würde der Computer die Emotionen der Menschen richtig bewerten, um danach die visuelle Umgebung zu steuern, könnten wir schlagartig viele Kraftwerke abschalten. Tagsüber. Und  nachts? Einen Großteil der Beleuchtung auch abschalten. Menschen brauchen nachts keine große Helligkeit! Man hat sogar den begründeten Verdacht, dass nächtliche Beleuchtung bei der Arbeit Krebs fördert.

Liege ich falsch in der Vermutung, dass das Luxmeter Projekt nicht von der lichttechnischen Industrie gesponsort wird?

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