Kandil oder Candle - Lichterzauber der ewigsten Stadt

Heute las ich im neuen Licht-Heft über das Treffen von Lichtdesignern auf der Insel Kea. Bis heute war mir die Insel nur als derjenige Ort bekannt, wo die Betrüger wohnten. Sie sollten dem Apollon sein Gold vorenthalten haben, indem sie anstelle Goldmünzen vergoldete an den lieben Gott schickten. Apollon soll daraufhin ihre Insel zerstört haben. Götter können grausam sein.

Die Story hat viele Fehler. Erst mal war es die Insel Sifnos, wo das Gold her kam. Den Sifnosianern soll auch nicht das ganze Eiland zerstört worden sein, sondern nur die Gold- und Silberminen unter Wasser gesetzt. Man munkelt, die hätten zu tief gebohrt und sich so die Ägäis ins Land geholt. Dennoch blieb mir die Sache mit dem Vergolden und Lichtdesign in Erinnerung. Denn manch eine Installation zaubert etwas in die Landschaft, die nach Sonnenaufgang nicht mehr zu sehen ist. Kunst oder Betrug?

Mit Lichtdesign war ich als Kleinkind aufgewachsen. Natürlich hieß die damals nicht so. Kandil war der Name. Das ist die Bezeichnung von heiligen Nächten im Islam, die sich seit dem dritten Jahrhundert nach Mohammed eingebürgert haben. An solchen Nächten hängte man früher wohl Kerzen oder Öllampen an die Minarette. Daher der Name, Kandil heißt so viel wie Kandelaber. Und die Ähnlichkeit mit candle ist wohl nicht Zufall. Zu meiner Kindheit war es schon elektrisch Licht, das die Plattformen an den Minaretten himmlisch leuchten ließ. An solchen Abenden machten die ihrem Namen alle Ehre. Denn Minarett heißt so viel wie Leuchtturm bzw. Ort des Lichts.

Die Moscheen der Sultane hatten bis zu sechs Minaretts mit bis zu drei Plattformen – umlaufende Balkone. Die waren für uns nicht sichtbar, weil unser Haus an einem Nordhang eines Tals am Bosporus stand. Wir sahen nur unsere Moschee mit zwei Minaretts. Die anderen sah man, wenn man zum Wasser ging. Die Stadt war mit feinen Lichtern geschmückt. Kandil!

Eines Abends sahen wir etwas nie Dagewesenes. Die friedlichste Burg der Weltgeschichte leuchtete in seinem Lichterglanz. Die war 1453 gebaut worden und nur für wenige Monate mit Soldaten besetzt. Vor ihr liegen die mächtigsten Geschütze ihrer Zeit, aus denen aber in 564 Jahren nur ein einziger Schuss abgegeben wurde. Seitdem liegt die riesige Festung da und entzog sich immer bei Sonnenuntergang unseren Augen. Eines Tages nicht mehr. Sie wird seitdem regelmäßig „illuminiert“.

Heute bin ich nur noch ein oder zwei Mal im Jahr dort. Wo einst einige hundert Kandil eine wunderbare Skyline hinzauberten, verwandeln hunderttausende LED, Scheinwerfer, Lichterketten u.v.am. die gesamte Stadt in visuelles Chaos. Dieses verrät die wahren Ziele der angeblichen religiösen Ereiferer: Bei Sonnenuntergang treten jetzt die Moscheen in den Hintergrund, während der Kommerz grell aufleuchtet. (Bild vom 27.12.2016)

Ich denke, auf der Tagung der Dark Sky Association wäre ich besser aufgehoben als auf Kea.

2 Comments

  1. Antworten
    Mar Tina 15. März 2017

    Was ist denn Dark Sky Association?

  2. Antworten
    FritztheCat 5. Juni 2017

    Dark Sky Association ist eine Gesellschaft, die sich den alten Himmel zurück wünscht, in dem man viele Sterne sehen konnte. Sie besteht im Wesentlichen aus Astronomen und Sternenguckern. Die Lichtverschmutzung hat mittlerweile Ausmaße angenommen, die schwere Umweltschäden vermuten lassen. Auch die Verursacher, die Menschen, leiden daran.

Schreibe einen Kommentar zu FritztheCat Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert