Gottesdienst und Entleuchtung

 
Gestern besuchte ich eine Erstkommunion in einer wunderbaren Kirche. Sie ist geostet (und nicht verostet) wie früher alle Karten auch (deswegen der Begriff Orientierung). Da es von Christus heißt Oriens orientium universum obtinet und der Sonnenaufgang als Symbol der Auferstehung galt, wurden die Längsachsen der Kirchen danach ausgerichtet. So auch in dieser Kirche in dem Geburtsort des Menschen, dessen Strahlen einem alles auch ohne Licht sichtbar machen, sogar das Verborgene (Wilhelm Conrad Röntgen). Da der normale Mensch zum Sehen Licht braucht, fällt in einer geosteten Kirche beim Morgengebet das Morgenlicht auf den Chor mit dem Alter und alles sieht wunderbar aus.

Der Pfarrer ist wohl auch lichtbesessen. Er erklärte den Kindern so ausführlich, dass sie das Licht der Welt sind, dass ich ständig dachte "powered by Osram". Die Kinder mit ihren Kerzen demonstrierten eindrucksvoll, was Licht aus einer recht grauen Umgebung schafft.

Diese Kirche besitzt wunderbare Fenster, die wahre Kunstwerke sind. Die im Osten sind vorwiegend blau. Ich hatte gelernt, dass dies der große Trick der Kirchenbauer sei. Das blaue Licht macht das Auge kurzsichtiger, und dadurch erscheint die endliche Höhe der Kirche ziemlich unendlich. Wäre da nicht die Entleuchtungsbirne …

Mit Entleuchtungsbirne meine ich nicht den Scherzartikel (hier), die Lampe, die an zu hellen Orten Licht einsammelt, damit der Anblick schön sanft wird. Ich meine die Lampen, die Licht spenden sollen, aber genau dadurch mir die Unendlichkeit nehmen. Wenn mein Auge nach oben geht, um die Architektur des Kirchenschiffs zu bewundern, sehe ich nur Lampen, sonst nichts. Wozu ist das Licht da? Soll die Illusion des Unendlichen etwa zerstört werden, weil sie nicht der Wahrheit entspricht?

Eigentlich ist es mit jedem Licht so. Fällt es auf die zu sehenden Objekte, fördert es das Sehen. Fällt es direkt ins Auge, geschieht das Gegenteil. Die Entleuchtungsbirne in dieser Kirche sind LED, die wohl Glühlampen ersetzt haben, die vermutlich die Öllampen ersetzt haben. Jetzt haben wir Licht auf dem Gebetsbuch, das uns der Pfarrer ohnehin vorliest, dafür ist die Architektur der Kirche mehr oder weniger futsch.

Wer die schlimmsten Entleuchtungsbirnen sehen will, muss nach Rom reisen. Im Petersdom, der höchsten Kuppel des Christentums, sind Scheinwerfer angebracht. Ob ihr fahles Licht weit unten auf dem Boden jemandem nützt, kann ich nicht sagen. Dass sie den wunderbaren Anblick der Kuppel verschleiern, kann hingegen jeder sehen. Muss aber nicht. Man kann Entleuchtungsbirnen auch im Bergischen erleben. Unweit davon im Sauerland sind die Nester derer zu finden, die solche Birnen produzieren, Pardon Leuchten.

Da sage einer, dass man Licht nicht vernichten kann.

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