Daniel Düsentrieb in Panik

Der berühmteste aller Erfinder, der nichts unerfunden ließ, Daniel Düsentrieb, hätte sich vermutlich vor Neid erblasst das Leben genommen, wenn er von der Erfindungsgabe der Lichtmenschen erfahren hätte. Vermutlich hätte er aber sowieso nichts erfinden können, ohne die Erfindung der wichtigsten Person der Branche, Thomas A Edison. Denn ohne dessen Licht ist der Tag nur halb so lang. Unser Daniel arbeitet ja zudem nicht unter freiem Himmel, sondern in seiner Forscherstube. Dort findet man nichts ohne Edisons Licht, geschweige denn etwas erfinden. Und Helferlein wäre auch kopflos.

Allerdings hat Edison mit seiner Erfindung die Büchse der Pandora geöffnet. Die Menschen benutzen Licht bis zur Vergasung, sie machen damit die Nacht zum Tage. Und das geht gegen die Natur. Bei Nacht muss der Mensch nämlich schlafen. Und zwar nicht so abrupt, sondern schön vorbereitet. Dafür sorgt ein Hormon, das das Sonnenlicht scheut wie der Teufel das Weihwasser. Melatonin! Sobald sich die Sonne andere Himmel sucht zu scheinen als unseren, produziert der Körper Melatonin und erklärt damit allen seiner Zellen, dass demnächst der Sandmann kommt.

Wir können aber nicht mit den Hühnern in die Heier gehen. Im Dunkeln rumsitzen macht aber auch keinen Spaß! Also muss man ein Licht erfinden, das dem Körper sein Melatonin nicht stiehlt. Da kann man sehen und gesehen werden, aber der Körper produziert sein Melatonin munter weiter. Oooops, natürlich nicht munter, sondern circadian angemessen. Melatonin bereitet den Körper nämlich auf den Schlaf vor.

Wie kommt man zu so einem Licht, das einem den Pelz wäscht, ihn aber nicht nass macht? Ich versuche zu beschreiben, wie ich die Sache angehen will. Ob ich damit Erfolg habe, kann ich nicht garantieren. Aber notfalls verkaufe ich die Story einer Zeitung als Artikel.

So ein Projekt muss erstens so hoch aufgehängt werden, wie es nur geht. Es muss zwar nicht die UNO Menschenrechtskommission sein, aber höher als der Stadtrat von Posemuckel muss es schon. Also nicht zu bescheiden sein. Sagen wir mal das Forschungsministerium? Keine schlechte Idee, das Ministerium hat ja einst sogar Growian finanziert, die Großwindkraftanlage, damit nachgewiesen werden kann, dass es mit der Windenergie nie klappen wird. Das freute die Freunde der Atomenergie immens. Die unterstützten das Projekt öffentlich, um den Freunden der erneuerbaren Energien eins auszuwischen. Das Ministerium hatte sich damit quasi für mein Projekt qualifiziert und man müsste es daher leicht gewinnen können, z.B. wenn man erklärt, dass die Industrie wie eine Eins hinter dem Projekt steht. Welche Industrie? Ist egal.

Wie stellt man so was an? Das BMBF ist z.B. anfällig für das Wort intelligent. So zog ihm ein sehr bekanntes Unternehmen der Elektroindustrie Jahrzehnte lang Milliarden für die Entwicklung deutscher Computertechnik aus der Tasche, und verscherbelte dann die Reste an Fujitsu. Mit Computern würde Deutschland intelligenter werden, erklärte die Firma seinerzeit den Ministerialen. Da sie noch keine hatten, glaubten sie das auch. Also erzählt man, man würde intelligente Lampen entwickeln. Das tue ich unbesehen. Denn dumme Lampen entwickeln andere. Und ohne meine Lampen wird den Beamten kein Licht aufgehen. Wenn sie das Geld bewilligen, ist meine Lampe ja noch in der Entwicklung.

Leider ist es nicht allzu leicht, dem Ministerium das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ich muss  mir Partner aussuchen, die geübt darin sind. Das sind die Manager von Großforschungseinrichtungen garantiert. Also suchen wir uns einen Partner aus der staatlich finanzierten Großforschung. Ich will den Namen meines Wunsch-Partners nicht verraten, denn sonst geht womöglich ein anderer schnell hin, dass ich das Nachsehen habe. Die Sache ist erstmal so gebongt.

Jetzt muss ich noch einen finden, der Ahnung von Lampenentwickeln hat. Da muss man nicht lange suchen. Denn einer der drei Firmen, die die Lampenentwicklung auf der Welt unter sich aufgeteilt hatten, sitzt bei uns in der Nähe. Dazu könnte ich noch eine nehmen, die sich im Schatten der Mauer um Berlin vor kapitalistischen Umtrieben geschützt hatte. Sie hat sogar die Treuhand überlebt, weil diese nach 1990 zu dämlich war, eine Lampenfabrik an ein Immobilienunternehmen zu verhökern. Der Deal wurde nach Protesten rückgängig gemacht. Also, die nehmen wir auch ins Boot.

Mir fehlt nur noch ein Partner, ein Leuchtenhersteller. Denn Lampen können noch so intelligent sein, auf eigene Faust leuchten können sie nicht. Sie brauchen eine Leuchte zum Leuchten. Wer das nicht begriffen hat, ist keine Leuchte, jedenfalls keine große. Also, damit das Ministerium garantiert überzeugt wird, nehme ich einen der größten der Branche. Die wollen auch intelligente Leuchten. Einer deren Manager hatte sogar von Leuchten geträumt, die den Benutzer erkennen und ihr Licht nach den Bedürfnissen dieses Menschen einregeln.  Eine Art elektrischer Wauwau, der erkennt das herannahende Herrchen und ändert seine Haltung. Die Leuchte leuchtet plötzlich, wie es mir passt. Wie die Leuchte aber reagiert, wenn ich mit meiner Frau darunter sitzen will? Egal, das intelligente Licht ist individuell. Heißt bei manchem Anbieter Personal Light. Vermutlich wird sie die angemessene Leuchtart entwickeln, wenn sich ein Paar unter ihre Fittiche begibt.

Ich bin fast fertig. Jetzt suche ich mir noch paar Forscher, die an die Sache glauben. Keine Sorge, ohne mein intelligentes Licht wachen die auch nicht auf. Ich muss nur noch dafür sorgen, dass die Lampe, die ich entwickele, nicht allzu helle leuchtet, und nicht allzu lange. Das könnte was auf Natriumbasis sein. Das ist ein Bestandteil der Stammwürze deutscher Küche, Tafelsalz. Es leuchtet so schön gelb. Deswegen beleuchtet man im Ausland Autobahnen damit. So kann der Autofahrer sein Melatonin dort ungestört entwickeln. Kein Problem, im Ausland gibt es Geschwindigkeitsbeschränkungen. Und wenn man zu Hause ist, ist man bettreif. Da bei uns aber nachts Ritter Bleifuß unterwegs ist, bleiben die Autobahnen dunkel.

Dummerweise braucht man zum Sehen nicht  irgendein Licht, sondern weißes. Also bringe ich dem Natrium das weiße Leuchten bei. Andere hatten es vor 30 Jahren vorgemacht. Die Natriumlampe brauchte damals nicht einmal Anschlüsse. Es leuchtete in einem elektrischen Feld so vor sich hin. Dummerweise nicht allzu lange, denn Natrium ist sehr, sehr aggressiv. Und Gläser, die dem standhalten, behalten das Licht besser in der Lampe für sich. Sie werden schnell blind. Also die Lampe funktionierte, produzierte viel Licht, aber es kam nur wenig aus ihr.

Mich juckt es nicht, denn bis das Ministerium die Sache merkt, habe ich meinen Projektbericht längst eingelöst gegen die Forschungsmillionen.

Ob das Geld aus dem Ministerium echt ist, kann ich unter meinem Licht nicht ausmachen. Es hat den Farbwiedergabeindex 20. Das ist unterirdisch schlecht. Also ziehe ich ihm noch mehr Geld aus der Tasche, damit das Licht meiner Lampe auch noch Farben zeigt. Man wird die Sache einsehen, denn Menschen, die sich auf den Schlaf vorbereiten, verzichten lieber auf die Nachtruhe, wenn Leute in ihrer Umgebung wie Zombies aussehen. Wenn man Licht haben will, das dem Organismus vortäuschen will, dass es doch nicht Nacht ist, wenn es doch Nacht ist, muss man halt mit entsprechend intelligenten Objekten Vorlieb nehmen.

Epilog: Aus der Traum! Meine Projektidee hat vor 15 Jahren tatsächlich  einer geklaut und umgesetzt. Vielleicht kaufe ich eine der intelligenten Leuchten/ Lampen, die die auf den Markt gebracht haben. Das Zeug muss sich verkaufen wie geschnitten Brot. Ist ja meine Idee!

Anm.: Die Bilder mit der Farbwiedergabe täuschen stark. Eine Wiedergabe des Bildes mit R = 20 würde noch schlechter aussehen. Das lässt sich aber mit vernünftigen Mitteln nicht schlimm genug darstellen.

9 Comments

  1. Antworten
    Dieter 27. Oktober 2020

    Das kommt mir sehr bekannt vor. War es etwa das Placar-Projekt, an dem ich mitgearbeitet hatte?

    • Antworten
      ahmetpro 27. Oktober 2020

      Hallo Dieter,
      endlich finde ich jemanden, der an dem Projekt gearbeitet haben will. Ansonsten sind viele Millionen verraucht und die Protagonisten von einer allgemeinen Amnesie schwer getroffen. Woran hast Du erkannt, dass es sich tatsächlich um dieses Vorhaben handeln könnte?

      • Antworten
        Dieter 27. Oktober 2020

        War doch einfach. Du hattest einen Artikel darüber geschrieben. Darin las ich, dass es ein tolles Zukunftsprojekt sei.

  2. Antworten
    ahmetpro 27. Oktober 2020

    Stimmt. Damals kam es mir so vor, als wenn die Idee toll wäre. Ich hatte noch viel früher auch die Kugellampe ohne Anschlüsse kommentiert. Sie schien eine Superlösung zu sein. Leider halten sich Chemie und Physik nicht an Versprechen aus der Marketingabteilung. Allerdings ist es Aufgabe eines jeden Ingenieurs, zu versuchen beide zu überlisten. Sonst sähen die Autos immer noch aus wie eine Kutsche, der die Pferde weggelaufen sind.

  3. Antworten
    Farbenfan 16. Juni 2021

    ich hätte gern mal die Frage eines Laien. Wie finde ich Lampen mit einer guten Farbwiedergabe für meine Wohnraum- und Arbeitsplatzbeleuchtung?

    Ich habe gerade gelesen, daß der Ra- (oder CRI)-Wert nicht allein ausreicht, weil er nur einen Teil der DIN-Testfarben einbezieht.

    Ich wäre Ihnen dankbar für Links oder Buchempfehlungen.

    • Antworten
      ahmetpro 21. Juni 2021

      Die Frage nach einer „guten“ Farbwiedergabe für den Wohnraum und für den Arbeitsplatz kann man nicht so einfach beantworten.
      Zum einen: Was ist gut? Was man vom Hersteller erfahren kann, ist ob eine Lichtquelle eine bestimmte Farbe gut wiedergeben kann (spezieller Farbwiedergabeindex) oder ob sie für eine Reihe von Farben geeignet ist (allgemeiner Farbwiedergabeindex). Der Hersteller kann aber nicht wissen, ob Sie in einer steril grauen Bude leben oder eine schön bunte Umgebung lieben. Er kann auch Ihren Geschmack nicht kennen.
      Zu Ra bzw. CRI: Die werden mit einer Reihe von Testfarben ermittelt. Diese sind aber allesamt ungesättigt. Wenn Sie eher solche Farben mögen, können die Indizes Ihnen helfen.
      Die volle Pracht von Farben werden Sie weder mit künstlichem Licht im Innenraum noch mit Tageslicht erzielen können. Denn Licht im Innenraum fehlt UV. Zudem werden wesentliche Anteile durch das Glas weggefiltert. UV ist wichtig, weil viele Farben, z.B. Wandfarben, mit optischen Aufhellern versetzt sind. Dasselbe gilt für die Waschmittel. So „porentief weiss“ wird Wäsche ohne UV nicht. Das weiß man seit mehr als 200 Jahren. Früher hat man die Wäsche mit Rosskastanien gewaschen, heute mit Waschmitteln.
      Frühere Lampen wie Halogenlampen oder LL-Lampen haben etwas UV mitproduziert. Das tun LEDs nicht von Hause aus. Darum musste z.B. die Beleuchtung vom Bayern-Stadion mit UV-Scheinwerfern nachgerüstet werden.
      Für eine für Ihren Geschmack gute Farbstimmung müssen Sie etwas experimentieren. Über den Daumen gepeilt, sind Lampen mit einem höheren Ra besser geeignet, in der Umgebung vorhandene Farben gut wiederzugeben. Aber das muss nicht unbedingt Ihr Ziel sein. Manche mögen eher warme Farben. Und Lampen, die diese betonen, müssen nicht unbedingt einen hohen Index ausweisen.

  4. Antworten

    […] Die Meister des HARKing sind aber solche, die sich in SHARKing auskennen. Das ist das Entfernen einer Hypothese, nachdem man weiß, dass kein positives Ergebnis (also nach p-hacking) herausgekommen ist. Die Hypothese verschwindet ganz leise. Und niemand merkt es, weil niemand ihr nachweint. Es soll sogar ein komplettes Projekt so verschwunden sein. Es hieß Placar und sollte dazu dienen, Lampen zu entwickeln, die die melanopische Wirkung unterstützen täten. Das Projekt wurde von den Größten der Branche initiiert, vom Forschungsminister finanziert und ist… unauffindbar! Da die Geschichte dieses Projekts wirklich einmalig ist, habe ich ihr einen eigenen Beitrag gewidmet (hier). […]

  5. Antworten
    kanndochsonichtsein 22. November 2021

    Wann gibt es endlich neue Farbwiedergabeindizes. Die jetzigen scheinen irgendwie aus der Mottenkiste zu sein.

    • Antworten
      ahmetpro 22. November 2021

      Die Sache mit CRI macht rasende Fortschritte. Die CIE hat 2017 einen Standard veröffentlicht (CIE 224). Bei den Amerikanern brennt es wohl heftiger, die haben in 4 Jahren 3 standards produziert (IES TM-30-15, IES TM-30-18 und IES TM-30-20). Langsam kommt Freude auf. Anstelle der jetzigen 8 Prüfmuster (Farben wie Altrosa, Senfgelb oder Asterviolett …) gibt es demnächst 99 Farben. Vielleicht werden wir auch die Glühlampe als Standard los. Kaum jemand glaubte, dass ihre Farbwiedergabe 100 (also maximal) sei. Noch ist es so.

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