Bonus-Malus-System für die Beleuchtungsstärke
-

Sie stand wie ein Fels in der Brandung: die gute alte Beleuchtungsstärke. Zwar wissen viele Menschen nicht so genau, was sie bedeutet (s. z.B. hier), aber immer folgend der Zahl 500 in Lux ist sie eine einsame Größe, übertroffen vielleicht von der Angabe "1 kg" für Mehl oder so. Die neueste Ausgabe der Beleuchtungsnorm DIN EN 12464-1 enthält in 54 Tabellen Hunderte, vielleicht Tausende von Angaben dazu. So z.B. Anforderung Nummer 6.52.1 "Ankunfts- und Abflughallen Gepäckausgabe" - Ēm,r = 200 lx; Ēm,u  = 300 lx; Ēz = 75 lx; Ēm,Wand = 75 lx; Ēm,Decke = 30 lx. Dabei bedeutet Ēm,Decke dass der Mittelwert der Beleuchtungsstärke (erkennbar an dem Strich über dem "E") als Wartungswert (erkennbar an dem Index "m" hinter dem "E") 30 lx betragen muss. Wie man diesen Mittelwert misst, wird in der Norm beschrieben. Allerdings nicht wirklich. Denn man muss dazu einen Messkopf an die Decke der Ankunfts- und Abflughalle kleben. Und die Messwerte in sinnvollen Abständen, z.B. 1 m, entnehmen. Leute, die solche Hallen kennen, wissen, dass es ein Klacks ist, solch eine Messung durchzuführen. Dass die Messung überhaupt Sinn täte, ist nicht sicher. Denn an solchen Decken findet man viele Leuchten. Leuchten, die beleuchtet werden! Muss man die mitmessen?

Dass man solche Angaben in einer Norm macht, muss einen Sinn ergeben. Denn die Norm sagt, dass die 54 Tabellen nur dann Angaben enthalten, wo sie sinnvoll sind. Ich nehme daher an, dass die Autoren der Norm wissen, warum Ēm,Decke, also die mittlere Wartungsbeleuchtungsstärke an der Decke einer Abflughalle, so wichtig ist. Da man sich neuerdings auf eine wissenschaftliche Begründung der Anforderungen beruft, muss der Ausschuß auch wissen, wie die Anforderung 30 lx entstanden ist.

Bitte nehmen Sie davon Abstand, zu behaupten, dass sich die Lichttechnik nur mit der wissenschaftlichen Festlegung von Beleuchtungsstärken an den unmöglichsten Stellen von Gebäuden beschäftigt haben muss, um 54 Tabellen mit Tausenden von Anforderungen auszufüllen. Anders als von Ihnen angenommen, liegt es nicht daran, dass sich die Lichttechniker vieles Sinnvolle haben liegen lassen. Sie haben sich eines Jahrhundertwerks angenommen, das unten beschrieben wird. Sie haben dazu sogar ihr Lieblingsobjekt, eben die besagte Beleuchtungsstärke, geopfert. Sie ist nicht mehr eine physikalische Größe, wie sie 1924 definiert wurde.

Ist die Beleuchtungsstärke jemals eine physikalische Größe gewesen? Sagen wir mal - ein Zwischending. Wenn man in dem gezeichneten Strahlengang ganz rechts einen Strahlungsempfänger hängt, misst dieser die Bestrahlungsstärke. Hängt dort ein Topf Milch, entspricht deren Erwärmung der Höhe der Bestrahlungsstärke. Man könnte auch ein Bündel Spinat dort hinhängen und messen, wie der in Abhängigkeit von der Bestrahlungsstärke gedeiht. Es gibt also viele Wege, die Stärke eines Strahleneinfalls zu messen. Ist der Strahlungsempfänger ein lichttechnischer Messkopf, nennt sich der Messwert Beleuchtungsstärke. Dieser muss die Strahlung aber entsprechend der Augenempfindlichkeit bewerten. So geben blaue Strahlen nur wenig Licht her, dafür grüne umso sehr. Die roten kann man ganz vergessen. Uninteressant.

Kennt man die spektrale Verteilung der einfallenden Strahlung, kann man daraus exakt berechnen, was als Beleuchtungsstärke angezeigt werden muss. Daher ist sie eine quasi-physikalische Größe. Wollte man die Wirkung des Lichts auf das menschliche Auge und auf Spinat gleichzeitig angeben wollen, hätten wir ein gewaltiges Problem, das Auge hat dort seine größte Empfindlichkeit, wo der Spinat kaum noch weiß, was er mit der Strahlung anfangen soll. Deswegen reflektiert der Spinat alles Grüne von sich. Sollen doch die Spinatbauern selber was überlegen!

Gut, aber wir haben ein ähnliches Problem mit dem Auge. Wie Pandits der Lichtwissenschaft sagen, muss man unbedingt die melanopische Wirkung von Licht berücksichtigen. Nur berücksichtigen? Ach, was, es steht ganz hoch auf der Prioritätenliste. Man muss lichttechnischen Größen einen melanopischen Partner hinzu addieren, allen. Erkennbar an dem Index -mel wie Emel. Damit keiner da durcheinander kommt, muss man konsequenterweise jeder lichttechnischen Angabe das Wort "visuell" anhängen, erkennbar an …? Z.B. an "v". Manche schreiben mit dem Index "v" wie Ev. Dummerweise ist dieser Buchstabe als Index schon für V wie vertikal vergeben, z.B. Ev. Da die melanopische Beleuchtungsstärke aber von der Vertikalbeleuchtungsstärke abhängen soll (hier), hat man da gewisse Probleme. Deswegen schreiben manche gleich Evis. Soll man Ev,vis schreiben oder Evis,v? Aber halten wir uns nicht mit Kleinigkeiten wie einer richtigen Bezeichnung einer Größe auf. Unsere Vorfahren sind mit noch größeren Problemen fertiggeworden. So hat man einst heilige Tempel in heiligen Ellen gemessen, wovon jede sieben Handbreit oder 28 Finger lang war. Wer Fuß statt Elle verwenden wollte, konnte sich eine Anleihe bei den Alten Ägyptern machen. Den Fuß haben die Alten Griechen und die Alten Römer von den Alten Ägyptern abgeguckt. Aber immerhin weiter entwickelt. Der römische Fuß wurde sowohl in zwölf unciae (Zoll) als auch in sechzehn Finger unterteilt. Die Römer führten auch die Meile zu je tausend Doppelschritten ein, wobei jeder Doppelschritt fünf römischen Fuß entsprach.

Dass das Tanztheater pas de deux, also den Doppelschritt, übernommen hat, hat mit dieser Sache nichts zu tun. Es geht um ein anderes  Theater. Ich wollte nur zeigen, dass man mit krummen Maßen sogar Weltmacht werden und bleiben kann. Denn die USA leben bestens mit Maßen, die sie im Alten Ägypten aufgestöbert haben, Zoll, Fuß und Meile … Warum soll die Lichttechnik sich auch nicht in dieser Kunst tummeln?

Bevor die Antwort kommt, erst ein Wort zu dem System von Bonus und Malus. Auch wenn es schwer zu verstehen ist, kennt jeder erwachsene Deutsche das System. Es ist eine Erfindung aus der Versicherungsmathematik. Auch wenn zwei deutsche Autofahrer die gleichen Rechte vor dem Gesetz haben, teilen sie eine Pflicht unterschiedlich, die Zahlung von Versicherungsbeiträgen. Wohnt z.B. eine schicke blonde deutsche Kommissarin in der Weltstadt Hengasch (in der Eifel), deren Bevölkerungswachstum etwas gehemmt verlaufen ist, sagt die Versicherung, sie müsse weniger Versicherung für ihr schickes Cabriolet zahlen, als wenn sie in Posemuckel am Rhein wohnen würde, aka Köln. Denn Posemuckelaner bauen laut Statistik mehr Unfälle als Hengascher. Also Bonus für Hengasch, Malus für Posemuckel. Wenn sie ihr Cabrio auch noch in einer schönen Garage unterbringt, zahlt sie noch weniger im Vergleich zu einer Schlampe aus dem Bahnhofsviertel. (Pardon, musste aber gesagt werden.) Die Krönung kommt, wenn sie ihre Fahrweise der Versicherung offenbart, die über GPS immer prüfen kann, ob die Kiste standesgemäß bewegt wird. Super bonus für Hengasch + Garage + Satellitenüberwachung. Sie muss allerdings den Nobelhobel in Köln immer in die Garage stellen, weil sonst die Versicherung feststellen kann, dass sie doch nicht vorwiegend  in Hengasch wohnt.

So ähnlich werden künftig Beleuchtungsplanungen "belohnt". Damit es jeder Planer begreift, hier einige Erklärungsversuche. Es macht nix, wenn einer nichts versteht. Ich habe auch nicht verstanden, warum zum Teufel vorgeschrieben werden muss, dass die Decke einer Abflughalle beleuchtet werden muss, z.B. wenn sie selbst leuchtet.

Während man bei einer - visuellen - Beleuchtungsstärke nicht darum kümmern muss, wer (also welche Lampe) sie erzeugt und wer seine Sehleistung damit erreicht (z.B. der angehende Pensionär im Büro), kann man bei dem melanopischen Pendant das nicht mehr tun. Denn melanopische Wirkungen können z.B. die Unterstützung des Wachheitsgrades sein oder die mentale Leistung. Da beides zwar Gott gegeben ist, aber mit dem Alter langsam schwindet, wird die Beleuchtungsstärke, jetzt aber melanopisch, auf einen 32-Jährigen bezogen definiert. Also, wenn es 11,5 lx melanopisch bzw. Emel= 11,5 lx, heißt, gilt das für Männer zwischen 31,5 und 32,5 Jahren. Für alle anderen muss gerechnet werden. Und zwar wirklich kompliziert.

Wie jeder weiß, ändert sich das Sehen zusehend. Zuerst werden die Arme kürzer, wenn man seine Zeitung lesen will. Danach geht es kaum noch ohne Brille. Die Welt vergilbt, und die Äuglein ziehen sich langsam zurück in ihre Höhlen. Der Mensch im hohen Alter sieht die Welt im gelblichen (Nostalgie) Tunnelblick (Konservativismus). Das lässt sich ganz gut theoretisch berechnen. Also bleiben von unseren 11,5 lx für 32 Jahre alte Männer sagen wir mal nur noch 5,25 lx übrig, wenn das Publikum im hohen Seniorenalter seinem Ende entgegen dämmert. Aber bitte melanopisch. Für jüngere Beobachter kann man keine melanopischen Berechnungen anstellen, man muss halt mindestens 25 Jahre alt sein.

Alles klar? Nein gar nicht. Jetzt kommt das Spektrum dran. Rotes Licht ist nicht bekannt dafür, mentale Leistungen, gar Intelligenz, zu fördern. Wäre dem so, müssten die Etablissements, die vornehmlich mit solchem Licht arbeiten, um ihre Umsätze bangen. Die Wissenschaft hat ermittelt, dass eine solche Wirkung nur durch blaues Licht vermittelt werden kann. Ergo werden die Lichtquellen melanopisch sortiert. Kommt da aus einer Lampe nur grell blau, grenzt ihre melanopische Wirkung an Wunder. Anders mit der Glühlampe. Egal wie viel Licht eine solche Lampe in die Gegend pumpt, melanopisch ist das Ganze nicht viel Wert. Am schlimmsten ist, wenn die Glühlampe auch noch dimmt.

Damit man eine Referenz hat, werden alle melanopischen Beleuchtungsstärken auf das Tageslicht bezogen. Was das ist? Leider kann man das so nicht sagen. Vormittags hat man ein anderes Tageslicht, nachmittags ein noch anderes. Guckt man sich den blauen Himmel an, sieht man was anderes als wenn man in die Abendsonne guckt. Ergo? Das Tageslicht, wovon man redet, muss definiert werden. Leichter gesagt als getan. Wenn sich einer farblich passend für die Abendpromenade kleidet, könnte er in der Mittagssonne ziemlich unpassend aussehen. An einem trüben Novembertag auch. Da muss man ein Tageslicht für jeden Bedarf getrennt definieren. So gibt es z.B. D55 als Normlicht etwa der Sonne entsprechend, aber gen Abend. Die Druckindustrie nimmt lieber D50. Das Normlicht D75 ist ganz schön blau, daher bevorzugt die CIE, das ist die Dachorganisation aller Lichttechniker der Welt, D65. Es soll "mittleres Tageslicht entsprechend einem Mittagshimmel am Nordfenster" darstellen. Und wo liegt dieser Mittagshimmel? In Wien, dem Sitz der CIE.

Endlich mal was Eurozentriertes! Jetzt geht die ganze Berechnung noch einmal los. Man rechnet dem Blaugehalt des Spektrums entsprechend die Beleuchtungsstärke erneut. Eine Lampe, die D65 entspricht, bekommt den Faktor 1. Lampen, die in den meisten deutschen Büros hängen, werden unterschiedlich abgestraft. So sind die 11,5 lx einer warmweißen Lampe nur noch 4,6056 Lux wert, allerdings melanopisch. Etwas besser fährt man mit der neutralweißen Lampe, auch kaltes Neonlicht genannt, da ergeben sich aus denn 11,5 lx visuell 6,463 lx melanopisch.

In den kommenden Jahren braucht man sich nicht vor neuen Ideen aus der Lichtwissenschaft zu fürchten. Die müssen erst einmal Wege suchen, ihre Größen richtig zu tippen. Da ich das nicht kann (vielmehr will ich es nicht), benutze ich Screenshots. Die kann man nicht falsch schreiben. So vermeide ich Unsinn wie dieses. Als ich die "α-opic equivalent daylight (D65) luminance" (also die schlichte Leuchtdichte) schreiben wollte, sah das Ergebnis wie hier aus:

Die linke Seite zeigt, wie der Begriff in der Norm der CIE geschrieben steht, die rechte, was mein Computer mit Word sieht. Wenn einer blind ist, wird sein Lesegerät dasselbe vermitteln wie rechts. Wer irgendwo nach diesem Begriff sucht, muss sich überlegen, wie er sucht. Mir ist bislang kein Weg eingefallen. Daher muß ich mühsam auf dem Papier suchen.

Wer sich gar dafür interessiert, welcher Faktor für seine Lampe gilt, müsste ihn nach dieser Formel ( unten, links) berechnen können. Kopiert er die Formel für eine e-Mail, z.B. um einem den Auftrag zu geben, die Berechnung vorzunehmen, steht in seiner Mail was rechts steht. Wenn er entnervt die Formel abtippen will, muss er sich paar Wochen Beruhigungspause einkalkulieren, die er anschließend nimmt. Allerdings kann ich nicht garantieren, ob er jemals so weit kommt. Wenn jemand sich gar erdreistet, eine Veröffentlichung zum Thema zu machen, steckt am Ende mehr Hirnschmalz in der Tipperei als im Inhalt.

Nur noch ein Wort zu D65. Wo kann man die kaufen? Nirgendwo. Man muss sich darauf verlassen, dass manche LED-Hersteller die Formeln richtig ansetzen und einem die nächst bessere Lampe verkaufen. Referenzlampen wurden früher in den Schrank gestellt. Heute existieren sie nur noch im Computer.

One Comment

  1. Antworten

    […] das die Abhängigkeit der melanopischen Beleuchtungsstärke vom Spektrum genormt hat (hier). Dann lag halt die gesamte LIteratur halt daneben. […]

Schreibe einen Kommentar zu Lichtqualität tut not – Licht und Gesundheit Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert